Autor Thema: Japan mittendrin  (Gelesen 58883 mal)

Lidschlag

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Re: Japan mittendrin
« Antwort #30 am: 23. September 2015, 17:28:12 »
Die Hochzeitskleider unterscheiden sich aber sehr von unseren. Gibt es auch Japanerinnen, die lieber westliche Hochzeitskleider tragen und weniger auf die traditionellen stehen  :gruebel:?

Hallo Ilona
Es kommt in Japan darauf an, welchem Glauben man sich hauptsächlich verbunden fühlt (Christentum, Buddhismus, Shinto).
Die Bilder sind in einem Shinto-Schrein entstanden.
In einer japanischen, christlichen Kirche sähen Braut und Bräutigam sicherlich »westlicher« aus.

Susan

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Re: Japan mittendrin
« Antwort #31 am: 24. September 2015, 22:05:47 »
Hi,

bin euch schnell noch hinterher gefahren/-laufen. Spätestens seit Flickas Reisebericht habe ich reges Interesse an Japan entwickelt und sauge gern weitere Erfahrungen und Erlebnisse auf. Vielleicht kann ich den Gatten ja doch noch mal zu einer Reise überreden
Liebe Grüße
Susan

Paula

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Re: Japan mittendrin
« Antwort #32 am: 25. September 2015, 10:02:14 »
In Japan hätte ich jetzt keine Angst mehr, wenn ich verloren ginge. Selbst, wenn man kein Japanisch spricht, man wird solange weitergereicht, bis sich jemand findet, der helfen kann. Das habe ich mehr als einmal in Japan erlebt. Die Hilfbereitschaft gegenüber »Langnasen« ist dort vorbildlich (wenn die Langsnasen die üblichen Anstandsregeln einhalten).

das kann ich bestätigen, die Erfahrung haben wir auch gemacht! So viel Hilfsbereitschaft habe ich in noch keinem Land erlebt auch nicht in Korea oder Vietnam, da sind die Japaner wirklich einsame Spitze!
Viele Grüße Paula

Lidschlag

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Re: Japan mittendrin: Son Goku und die verbrauchte Engerie 2
« Antwort #33 am: 26. September 2015, 11:42:17 »
Meine Gruppe zieht weiter in die Hochhauswüste an den Ufern der Kaiserpalast-Insel, um an der U-Bahnstation etwas zu essen. Danach geht es weiter in die Ginza. 



Die ist am Samstag Fußgängerzone und für Autos gesperrt. Ganz Tokyo trifft sich, um bei Weltmarken bei Apple, Gucci, Vuitton oder Chanel einzukaufen oder um mit der ganzen Familie, dem Freund oder dem Hund zu flanieren.
Mitten im Meer der Einkaufswütigen bewegt sich wie ein Fremdkörper ein Bettelmönch, safrangelb und braun gekleidet, sein Gesicht durch einen tiefsitzenden Bambushut verdeckt. Die Bettelschale vor sich haltend, schreitet er einen Fuß vor der anderen setzend so langsam als wäre er aus der Zeit gefallen. Ich spende etwas und schon erklingt als dank hell die Glocke, die er in der anderen Hand hält. Ihr Klang malt einen merkwürdigen Kontrast zu den Geräuschen der Großstadt, doch das Gebet, dass der Bettelmönch nach meiner Spende murmelt, wird schon wieder vom Lärm der Menschen übertönt.











Da jeder aus der Truppe alleine losgezogen ist, wandere ich nach einer Stunde zum verabredeten Treffpunkt. Dort steht eine bunt gemischte Gruppe von Japanerinnen und Japanern, die alle Kimonos tragen. Später stellt sich durch ein Gespräch unserer Reiseleiterin mit den Damen und Herren heraus, dass sich die Mitglieder dieser Gruppe gerne verkleiden. Sie treffen sich in diesem Outfit dann regelmäßig in der Ginza, um sich von jedem fotografieren zu lassen, der das möchte. Klar, dass ich diesem Angebot nicht widerstehen kann.





Und dann geht es wieder in die Tiefen der U-Bahn, um beim Ameyayokcho-Markt wieder ans Licht zu steigen. Diese enge Gasse war nach dem zweiten Weltkrieg ein Schwarzmarkt.





Heute präsentiert sich der Fisch- und  Gemüsemarkt als quirliges Einkaufsterrain, das alles bis hin zu Elektronik-Kleinteilen im Programm hat.  Die Marktschreier der Lebensmittelstände brüllen die neusten Angebote ins Getümmel, als ginge es um ihr Leben, wendeln mit ihren riesigen Preisschildern, um die Wette, um die Aufmerksamkeit vorbeiströmenden Kunden zu erhaschen. Gerät man zwischen zwei konkurrierende Schreihälse, ist ein Gehörschaden nicht ausgeschlossen.



Über allem schweben die Gerüche der Garküchen am Ende der Sträßchens und im Hundeladen, eingequetscht zwischen dem Fischstand und einem Minilädchen für Computerspiele, macht der Tierhändler sehr gute Geschäfte, wenn er einen Welpen für 339.000 Yen (etwa 2.480 Euro) verkauft.



Mit dem Besuch dieses Shopping-Infernos findet das heutige Besichtigungsprogramm seinen Abschluss. Einige unserer Truppe haben noch nicht genug und gehen weiter auf Entdeckunsgtour. Ich schaue ihnen frustiert hinterher, denn ich spüre von der ungewohnten Herumlauferei jedem Muskel. Unsere Gruppe löst sich auf und ich fahre mit der U-Bahn alleine zurück ins Hotel. Etwas schläfrig träume ich in davon, mir einfach ein Son Goku-Kostüm überzustreifen. Wer weiß, es würde vielleicht den Saiyan in mir wecken und die verbraucht Energie in Form eines Kamehamehas zurückbringen.
Im Hotel angekommen, verwerfe ich den Gedanken und gönne mir stattdessen ein leckeres Sushi aus dem Combini und ein heißes Wannenbad.
Eine Besonderheit der Reise ist das leichte Handgepäck oder kleine Rollenkoffer,  mit denen wir unterwegs sein werden. Bei all den Treppen und langen Wegen in den U-Bahn-Stationen und Bahnhöfen wäre großes Gepäck sehr hinderlich. Und selbst in der japanischen U-Bahnen, Bussen und Zügen ist meist nur sehr wenig Stauraum vorhanden. Auch wird es in öffentlichen Verkehrsmitteln in Japan nicht gerne gesehen, wenn Touristengruppen mit großem Gepäck die Gänge und Sitzplätze blockieren. Deshalb wird unser Hauptgepäck durch einen Transportservice separat zu verschiedenen Unterkünften der Reise geschickt. Etwa alle vier Tage sehen wir unser Gepäck wieder und können die leichten, kleineren Koffer oder Reisetaschen wieder mit dem auffüllen, was wir für die nächsten Tage brauchen werden. Nach dem entspannenden Bad packe ich also die Tasche für Aoki, einem Dorf bei Ueda, wo wir zwei Tage lang eine edle, ehrwürdige Herberge mit einer Schwefelquelle und echt japanischen Zimmern besuchen werden. Wenn man dort auch noch richtig gut essen kann, dann sprechen die Japaner von einem Ryokan.

Andrea

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Re: Japan mittendrin
« Antwort #34 am: 26. September 2015, 13:05:53 »
Wahnsinn, diese Menschenmengen in den teilweise engen Gassen. Kein Wunder, dass man sich da schnell erschlagen fühlt. Aber dennoch ein Erlebnis, denke ich mir.
Liebe Grüße, Andrea



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Lidschlag

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Japan mittendrin: Waschorgien, Kirschkerne und Sake
« Antwort #35 am: 29. September 2015, 20:28:26 »
Am nächsten Morgen bringt uns der Shinkansen nach Ueda. Die Shinkansengleise des Bahnhofs in Tokyo dürften der Himmel für Eisenbahnfans sein, denn die Shinkansen laufen fast alle zehn Minuten ein.









Bald fährt auch unser Shinkansen vor und wir steigen ein. Zuvor habe ich mir im Bahnhof eine Bentobox gekauft. Das ist eine kalte Mahlzeit in einer Holzbox, die meistens Reis und kleine Happen enthält. Gar nicht so selten sind diese Appetithäppchen Spezialitäten der jeweiligen Region. Die Ursprünge der japanischen Lunchboxen können bis ins 12. Jahrhundert nach Christus zurückverfolgt werden. Traditionell war so eine Holzschachtel mit Reis, Fisch und Seetang gefüllt. Manchmal wurden diese Zwischenmalzeiten einfach in Bambusblätter eingewickelt. Beliebt waren sie auch als Imbiss in den Pausen von No- und Kabukitheater. Um 1950 drohte die Bentobox aus dem japanischen Alltag zu verschwinden, weil selbst in den Schulen Kantinenessen aufkam. 1980 erlebte das Bento jedoch eine Renaissance, als es wieder in kleinen Tante-Emma-Läden in billigeren Styroporschachteln angeboten wurde. Heute kann man wieder Bentos in jedem Bahnhof und Flughafen in den verschiedensten Preisklassen und Zusammenstellungen kaufen. Die Verwendung von Bentoboxen ist wieder so tief im täglichen Gebrauch verwurzelt, dass selbst die Helden aktueller Animes nicht mehr ohne Bentobox auskommen.
Ich schaue aus dem Fenster des Zuges. Tokyo rauscht an mir vorbei und irgendwann lässt der Shinaksen die Stadt hinter sich. Auf der Fahrt verspeise ich nun mein erstes Bento mit einem grünen Tee mit Zitronengeschmack und stelle so ganz nebenbei fest, dass der Shinkansen eine wunderbare Beinfreiheit beim Sitzen und  Strom für meinen Laptop bietet.




In Ueda wartet der kleine Hotelbus und bringt uns in einer halben Stunde in die Berge nach Aoki. Wir werden schon im Hof unseres Ryjokans mit einem Blütenrausch empfangen, denn die Azaleen stehen in der Hochblüte. In der Vorhalle heißt es für alle Schuhe aus und die Einheitshausschuhe anziehen, die niemandem so recht passen wollen. Ich  frage mich, was es mit einem langen hölzernen Stab auf sich hat, der da herumsteht. Als unsere Reiseleiterin das Ding verwendet, finde ich das Teil dann auch sehr praktisch. Es ist ein Schuhlöffel, den man im Stehen benutzen kann.



Die Straßenschuhe bleiben an der Rezeption in ordentlichen Reihen zurück. Gespannt auf unserer Zimmer schlurfen  wir in den zu kleinen Pantoffeln durch knarrende Holzflure und steigen über für Europäer ungewohnt steile Treppen.
Mein Zimmer ist das, was ich mir unter japanischer Wohnkultur vorstellen. Es hat einen Vorraum, wo man die Hausschuhe zurücklässt. Nur in Strümpfen oder barfuß dürfen die Tatami-Matten im Wohnraum betreten werden. Man sitzt auf dem Boden und es gibt einen Stuhl ohne Beine, aber mit Rückenlehne, der sich als sehr bequem erweist.







Und wenn ich die Fenstertüren der Veranda aufschiebe, genieße ich ein Azaleenblütenmeer. Nur der weiße Azaleenbusch vor meinem Zimmer lässt sich noch ein bisschen Zeit. Auf dem Tisch steht ein Tablett mit ein Teeservice und eine kleine Süßigkeit. Bald habe ich auch die Thermoskanne mit dem heißen Wasser entdeckt. Ich setzte mich auf meine Veranda, schiebe die Fenstertüren auf und genieße den Azaleenrausch bei frischer Luft, einer Tasse grünen Tee und leiser Musik von meinem Laptop.



Zwei Stunden später lege ich zum ersten mal eine Yukata an. Zieht man bei uns in Europa einen Hausanzug an, dann greifen die Japaner zu einer knie- bis bodenlangen Kutte, die von einem Stoffgürtel zusammengehalten wird. So angekleidet stolpere ich in den Hausschlappen in Richtung Onsen, dem kleinen Badebecken, im Garten, das von schwefelhaltigen Wasser gespeist wird. Hier in Ueda sprudelt es aus dreihundert Meter Tiefe an die Oberfläche. Auch vor der Tür des Onsen heißt es wieder Schlappen aus und diese am Eingang zurücklassen, weil der Vorraum des Bades mit Tatami-Matten ausgelegt ist. Hier zieht man sich völlig aus und lässt alles außer einem putzlappengroßen Waschlappen in Bastkörben zurück. Im Onsen badet man in Japan nackt. Hier sollte man erwähnen, dass heutzutage die Männer und Frauen diesem Vergnügen in den meisten Onsen getrennt nachgehen. Bevor Japan in den Einflussbereich westlicher Moralvorstellungen geriet, war es aber üblich, dass beide Geschlechter gemeinsam badeten. Aus dieser Sicht waren die Onsen wohl die Heiratsmärkte des alten Japan.
Wenn man den Onsen betritt, muss man sich erst mal ordentlich waschen. Auf kleinen Plastikhocker sitzend wird jedes Körperteil bis in die letzten Ritzen eingeseift und mit dem mitgebrachten Lappen von Kopf bis Fuß geschrubbt und gewienert. Zwischendurch füllt man kleine Plastikkübel mit Hilfe einer Handbrause mit warmem Wasser und schüttelt es  sich über den Kopf, um Schaum und Dreck wegzuspülen, ehe ein neuer Waschgang beginnt. Nach ein paar Waschorgien darf man dann hinaus ins Freie und den jetzt vom Schrubben schon fast keimfreien Körper ins warme Wasser des von kleinen Felsen umrahmten Onsen tauchen. Eigentlich habe ich erwartet, dass das Wasser und nachher ich selber stark nach Schwefel riechen. Aber dem ist nicht so. Vielmehr fühlt sich die Haut glatter an. Aber leider steige ich rot wie ein Krebs aus dem Becken, weil während meines zwanzig Minuten langen Bades im Felsenpool die Sonne schien und ich sehr empfindliche Haut habe. Trotzdem hat das Bad auch einen Nebeneffekt: ich lerne die Frauen meiner Reisetruppe näher kennen, weil wir alle zusammen im Felsenpool sitzen und uns unterhalten.


Das Onsenbecken bei Nacht:



Langsam wird es Zeit für das Abendessen. In die Yukata gehüllt und mit den Schlappen an der Füßen mache ich mich auf dem Weg. Unsere Reiseleiterin hat uns versprochen, dass das Essen hier sehr gut sein wird. Ich hoffe, die Küche des Hauses kann dieses Versprechen halten. Ich werde das erste Kaiseki meines Lebens genießen.
Auf dem Weg in den dafür hergerichteten Speisezimmer verlaufe ich mich in den Korridoren und folge schließlich meiner Nase, die mich zur Küche führt. In dem riesigen Raum tummeln sich nur Frauen. Sie schnippeln, zupfen, backen, garen, braten, frittieren, garnieren. Eine Heerschar von Schälchen, Tellerchen und Schüsselchen wird unter ihren fleißigen Händen befüllt und trotzdem bleibt Zeit mich mit einem freundlichen Nicken zu bedenken. Ich grüße mit einem Lächeln und  einem »Oishīdesu«, was »das ist lecker« bedeutet, zurück.
Eine ältere Dame zupft mich am Ärmel und fordert mich mit einer Handbewegung auf ihr zu folgen. Sie liefert mich vor der Tür des Speisezimmers ab, wo ich die Schlappen zurücklasse. 



Kaiseki, das ist die kreative Küche Japans, für die von Genießern viel Geld bezahlt wird. Es werden nur frische, der Jahreszeit entsprechende Zutaten verarbeitet. Bei der Zubereitung ist wichtig, dass der Eigengeschmack der Gerichte hervorgehoben wird. Und manchmal folgt das gesamte Menü einem bestimmten jahreszeitlich Thema.
Die ursprünglich von Zen-Mönchen zelebrierte und rein vegetarische Küche konzentriert sich heute auch auf Fisch und Fleisch. Mit viel Fantasie, Detailverliebtheit und in Einklang mit dem verwendeten Geschirr werden die Happen mit Zutaten aus der Natur wie etwa Blüten garniert oder als kleine Köstlichkeiten in Bambuskörbchen und auf Blättern serviert. Aber in unserem Ryokan wird auf Porzellan und Keramik angerichtet. Für jeden Gast stehen zusätzlich eine Flasche Bier und eine kleiner Krug warmer Sake auf dem Tisch.



Nahaufnahme des Fischs, der so schmal wie mein kleiner Finger ist und auf der grünen Schale am Tischrand liegt:




Es schmeckt einfach köstlich, ja kaiserlich. Nach dieser Gaumenfreude schlurfe ich etwas beschwipst in den Hausschlappen, die immer noch nicht an meine Füße passen wollen, zurück in mein Zimmer, wo schon das Bett auf den Tatamimatten ausgelegt ist. Das Kopfkissen ist diesmal mit Kirschkernen  gefüllt. Es passt sich zwar meiner Kopfform an, aber die Kerne reiben bei jeder meiner Bewegungen aneinander. Irgendwann habe ich mich das seltsame Reibegeräusche gewöhnt und ich schlafe in dieser Nacht ausgesprochen gut. Ob das dem Sake oder den Kirschkernen zu verdanken ist?
Der nächste Morgen fängt mit dem an, was die Köchinnen wohl für ein europäisches Frühstück halten: Rührei, ein kleiner Salat, Toast mit Butter, Marmelade, Kaffee und Tee.
Auf anderen Tischen im Frühstücksraum ist japanisches Frühstück eingedeckt und das sieht schon viel interessanter aus als mein Frühstück, zumal ich Marmelade nicht mag. Ich könnte mir aber vorstellen, dass ein rohes Ei, das man unter den warmen Reis mischt, nicht jedermanns Sache ist.
Nach dem Frühstück ist eine Wanderung in die Berge angesagt. Ich klinke mich aber aus, weil ich das Gefühl habe noch nicht akklimatisiert zu sein. Ich bin heute morgen sehr kurzatmig und mir ist etwas schwindelig. Also gehe ich es langsam an und suche mir schöne Fotomotive in dem kleinen, sehr ruhigen Dorf. Interessant finde ich, dass die Japaner bei aller Kontrolle über die Natur, die sich gerne in ihrer Gartengestaltung ausdrückt, in bestimmten Fällen der Natur ihren Lauf lassen und dafür sogar Zäune zersägen.





Nach ein paar Schritten durch eine Straße mit alter Architektur finde ich den kleinen Dorftempel am Hang. Auf dem Rückweg fallen mir die Kanaldeckel ins Auge, auf denen ein Strauß Iris abgebildet ist, wohl ein Logo, das die Region repräsentieren soll.





Ich wandere eine Bergstraße entlang, weil ich dort oben Bambus gesehen habe. Ich wollte schon immer mal unter dem baumhohem Bambus stehen, den man  öfter in asiatischen Filmen sieht. Eine halbe Stunde später finde ich mich unter langen, wohl drei Meter hohen Bambuswedeln wieder. Ich komme mir vor wie eine Feldmaus inmitten eines gigantischen Grasdschungels. Der Blick nach oben ist ein Puzzle aus Himmelsblau und Grüntönen. Sonnenstrahlen fallen durch das Blättergewirr, der langen schmalen Blätter und malen Tuschgemälde auf den Boden.  Die eleganten, schlanken Bambusstangen knarren und schaukeln bei jedem Luftzug, während die Blätter leise dazu flüstern. An diese Natursymphonie könnte ich mich gewöhnen. Doch der Bambuswald ist nicht ungefährlich. Die Anwohner haben einige der Stangen abgehauen und als Stützen für die Stangenbohnen im Gemüsegarten nebenan verwendet. Andere Bambusstiele hat wohl ein Sturm kurz über dem Boden abgebrochen. Man muss aufpassen, wo man hintritt, um sich nicht an den rasiermesserscharfen Kanten der abgebrochenen Bambusstümpfe die Waden und Knöchel zu verletzten. Wie ein Kranich stakse ich vorsichtig wieder zurück ins Sonnenlicht.



Auf dem Rückweg zum Ryokan finde ich verwilderte Iris am Wegesrand, genau die, die auf den Kanaldeckeln abgebildet sind. Ein paar von ihnen pflücke ich und stelle sie später in einer Vase auf meine Veranda.




Der restliche Tag ist dem wunderbaren Ausblick in den blühenden Azaleengarten, dem Schreiben dieses Reiseberichtes und einem weiteren Onsenbesuch gewidmet.



An diesem  Nachmittag sitze ich bei der Schrubb-Orgie vor dem Bad neben einer älteren, japanischen Dame, die mir ungeniert über den Kopf streicht und lächelnd zu mir »kilin« sagt. Wie ich später von der Reiseleiterin erfahre, heißt das »hübsch« auf japanisch. Die alte Dame hat sich für meine grauen Haare interessiert, die in meinem ansonsten dunkelbraunen Haarschopf mit Henna gefärbt als rotgoldene Strähnen leuchten.
Nach dem Bad ist wieder dieses wunderbare Essen angesagt, das mit soviel Liebe zum Detail gezaubert wird. Das Schüsselchenheer wartet mit ein neue optische und geschmackliche Überraschung. Und es gibt auch nicht das gleiche wie gestern. Da fotografiere ich doch gerne nochmal diese kulinarischen Schönheiten.





Nach dem Festmahl heißt es dann auch schon wieder packen, denn am nächsten Morgen geht es weiter nach Kanazawa. Für unseren Aufenthalt dort ist Regenwetter angesagt. Kurz vorm Einschlafen frage ich mich noch, ob wohl meine Schuhe in den nächsten zwei Tage trocken bleiben, denn Ersatz für nasse Schuhe habe ich nicht im kleinen Gepäck.
Die Herren unserer Truppe sitzen am nächsten Morgen alle etwas schweigsam im Bus, was kein Wunder ist. Wie sich herausstellt, gab es gestern noch eine feuchtfröhliches Treffen, bei dem die ungeöffneten Bierflaschen und der Sake, die gestern nach dem Essen übrig blieben, noch »vernichtet« wurden. Und das waren nicht wenige.

Andrea

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Re: Japan mittendrin
« Antwort #36 am: 29. September 2015, 22:52:47 »
Wie im Paradies!

Ich hätte es allerdings mit den Mönchen gehalten und mich vegetarisch ernährt  ;) Dafür hätte ich dann vielleicht beim Vernichten von Sake und Bier geholfen...
Liebe Grüße, Andrea



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Paula

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Re: Japan mittendrin
« Antwort #37 am: 29. September 2015, 23:41:45 »
Ja das erinnert mich sehr an unsere Japanreise! Wir haben auch immer Bentoboxen am Bahnhof gekauft, lecker!
Und wir waren auch 2 Nächte in so einem tollen Ryokan in den Bergen, das Abendessen war ein Augen- und Gaumenschmaus, nur mit dem Wetter hatten wir dort Pech, es hat den ganzen Tag geregnet.
War der Rest der Gruppe wandern?
Ich finde bis jetzt eure Tour sehr gelungen, den Veranstalter merke ich mir.
Viele Grüße Paula

Ilona

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Re: Japan mittendrin
« Antwort #38 am: 30. September 2015, 08:33:44 »
Das sind wunderbare Eindrücke, die du uns lieferst  :beifall:.

Ich bezweifle aber, dass mein Rücken das Sitzen und Liegen auf dem Boden mitmachen würde  :(.
Liebe Grüße

Ilona

"Man muss viel laufen. Da man, was man nicht mit dem Kleingeld von Schritten bezahlt hat, nicht gesehen hat" (Erich Kästner)


Lidschlag

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Re: Japan mittendrin
« Antwort #39 am: 01. Oktober 2015, 00:29:07 »
@Andrea
Ja, wie im Paradies habe ich mich auch gefühlt. Diese zwei Tage waren das ideale Mittel gegen den Jetlag.
Vegetarisches Kaiseki gbe es auf der Reise auch mal.
Was die »Vernichtung« von Bier und Sake betrifft, war der Alkoholgehalt nicht zu verachten.
Der Sake hatte im Schnitt zwischen 15-20% Alkohol, das Bier zwischen 8-12%.

@Paula
Bento könnte es bei mir jedenTag geben. Seit ich in Japan war, bin ich süchtig danach und kriege keins mehr. ARGH!!!
Der Rest der Truppe war wandern. Da ich manchmal Probleme mit der Luft habe, die Wanderung mit ziemlichen Steigungen verbunden und die restliche Truppe sehr gut und schnell zu Fuß war, habe ich mein eigenes Progrmam gefahren. Die anderen sind dann vier Stunden unterwegs gewesen.

@Ilona
Danke für das Lob! :thumb:
Ich habe es selbst nicht geglaubt, aber die beinlosen Stühle waren sehr bequem.
Die Japaner haben ja lebenslange Übung im ständgen Aufstehen und Hinsetzen. Da macht der Rücken das dann aus Gewohnheit mit.
Sie tun es sogar in einer speziellen Weise. Das kann man in den Samuriafilem sehen, wenn man genau hinguckt. Sie »wippen« sich mit einer bestimmten Schwungtechnik hoch. Allerdings kann ich das nicht. Auf den Fersen sitzen, wie es die Japaner tun, geht bei mir technisch auch nicht.

Lidschlag

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Re: Japan mittendrin
« Antwort #40 am: 10. Oktober 2015, 21:54:42 »
Ich muss mich dafür entschuldigen, dass es nicht mit dem Bericht weitergeht.
Ich bin bis zur Halskrause mit Arbeit eingedeckt und habe nicht mal Zeit die anderen Reisebericht zu lesen.
Habt Geduld mit mir!

Paula

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Re: Japan mittendrin
« Antwort #41 am: 10. Oktober 2015, 23:27:34 »
Nur langsam, wir sind ja im Urlaub und nicht auf der Flucht  :)
Viele Grüße Paula

Andrea

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Re: Japan mittendrin
« Antwort #42 am: 11. Oktober 2015, 01:23:53 »
Wir sind geduldig, Steffi, wenn wir nur wissen, dass es dir gut geht. Und viel Arbeit bedeutet hoffentlich auch, dass das Reiseschwein bald wieder prall gefüllt ist.
Liebe Grüße, Andrea



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janine

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Re: Japan mittendrin
« Antwort #43 am: 13. Oktober 2015, 18:22:45 »
Hallo.
Wir wollen nächstes Jahr gerne eine Reise nach Japan machen. Haben aber noch keinen passenden Veranstalter gefunden. Wie heißt denn Dein Reiseveranstalter? Das klingt sehr gut was Du bisher beschrieben hast.

Lidschlag

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Japan mittendrin: Ein verregneter Tag in Kanazawa
« Antwort #44 am: 20. Oktober 2015, 16:39:39 »
Mit dem Hotelbus fahren wir nach Ueda, wo uns der Shinkansen nach Nagano bringt. Dort müssen wir umsteigen, um nach Kanazawa zu kommen. Obwohl wir uns beim Umsteigen beeilt haben, schaffen wir es grade noch den Anschluss-Shinkansen zu erwischen. In Kanazawa steigen wir in den öffentlichen Bus. Es ist Mittagszeit und die Busse sind vollgepackt mit Leuten, die einkaufen oder Schülern, die schon wieder nach Hause fahren. Wir zwängen uns trotzdem in einen der vollbesetzten Busse. Es wird eng und selbst mit unserem leichten Reisegepäck verstopfen wir noch den Mittelgang. Neugierig werden wir von ein paar Schulmädchen in Sailormoon-Uniformen beäugt, die dabei flüstern und  kichern. Ein Mädchen fasst Mut und spricht uns auf Englisch an. Drei Haltestellen weiter steigen wir aus und die Schülerinnen trauen sich uns aus dem Rückfenster des Busses hinterherzuwinken.
Nach dem Einchecken im Hotel wollen wir gleich unser heutiges Programm abspulen. Doch als wir vors Hotel treten, beginnt es zu regnen. Ich probiere meinen Billig-Knirps aus, den ich beinahe beim Packen zuhause vergessen hätte. Das Teil hat grade mal 12 Euro gekostet, ist ein bisschen wackelig, tut aber brav seinen Dienst.
Unter aufgespannten Regenschirmen beschießen wir erst einmal essen zu gehen. Im Kaufhaus gegenüber befindet sich im obersten Stock ein Restaurant.
Wir überqueren die Straße und machen am Eingang des Kaufhauses Bekanntschaft mit dem praktischen Denken der Japaner. Hier gibt es längliche, schmale Wegwerf-Plastikhüllen, in die man den regennassen Schirm stecken kann. So tropft er nicht, der Boden des Kaufhauses, die Waren und der Kunde selbst bleiben trocken.


Mein Mittagessen im Kaufhaus

Nach dem Essen regnet es immer noch. Trotzdem  geht es weiter zu eine kleinen Straße, in der sich noch alte Bausubstanz aus der Edozeit erhalten hat. Diese Straße könnte man sich gut als Kulisse für einen Samuraifilm vorstellen. Tatsächlich haben in den von hohen Holzmauern umgebenen kleinen Villen Samurai gewohnt. Alte Kiefern lugen über die Zäune. Geschwungene Dächer mit schwarzen Keramikziegeln, die regennass glänzen, ragen in den Himmel. Sie regen die Fantasie an und man malt sich aus, wie wohl der Garten und das Innere der Häuser gestalten sein mögen.



Es tröpfelt munter weiter. Aber nach ein paar Schritten sind wir im Trockenen. Wir besichtigen die kleine Samuraivilla Nomura. Nachdem wir unsere Schuhe ausgezogen haben, tappen wir nun auf Strümpfen durchs Haus. Es hat einen wunderschönen, kleinen Garten, der jetzt bei Regen verwunschen wirkt. Überall glitzern Regentropfen im Laub der Büsche und von der überdachten Veranda aus kann man große Koi beim Schwimmen in einem Teich zusehen. Im hinteren Teil des Gartens blühen Azaleen weiß und rosa, während neben einer großen Steinlaterne ein Wasserfall plätschert. Manche von uns sitzen einfach nur da und lassen sich von diesen Augen- und Ohrenschmaus verzaubern, während sich andere die Ausstellung im hinteren Teil des Hauses ansehen oder sich im oberen Stockwerk für 300 Yen eine Schale frischen Machatee servieren lassen.





Der Hausaltar








Gulliedeckel-Design auf japanisch

Danach regnet es immer noch, doch das bringt uns nicht aus dem Takt. Ein paar Meter und schon sind wir beim nächsten Besichtigungspunkt. Hier stehen noch zwei Wirtschaftsgebäude des Samuraihauses Takada mitten in einem schön angelegten kleinen Garten.


Schulausflügler, die uns in Kanazawa überall begegneten


Die kleine Gartennanlage des Hauses Takada


Ein Dachgiebel des Hauses Takada im Regen

Der Gebäudekomplex ist schnell besichtig und so zieht unsere »Schirmtruppe« weiter zum Ashigaru-Museum. Hier kann man sich Häuser ansehen, in denen die niedrigsten Samurai wohnten. Für heutige Verhältnisse sind die Räume sehr klein, wenn man bedenkt, dass in einem Raum mehr als vier Menschen untergebracht waren. Doch es ist alles da, was man zum Leben braucht. Man kann einen Blick in die Küche und das Schlafzimmer werfen, genauso wie in das stille Örtchen, das nicht mit einem hochgewachsenen Europäer kompatibel ist.
Draußen auf der Straße sehe ich, dass die Japaner auch Müll trennen. In einem großen Müllcontainer liegen nur Getränkedosen und Flaschenverschlüsse. Für mich ist die bunte Dosenwelt auf jeden Fall ein Fotomotiv.



Nach dieser Besichtigung steuern wir unseren letzten Programmpunkt für heute an, den Ournicho Ichiba Fischmarkt. In der überdachten Arkade ist manches Meeresgetier so frisch, dass es noch zuckt. Krabben, Riesengarnelen, Krebse, Oktopus, unterschiedlichste Fischarten, Seeigel, Austern, Muscheln, alles liegt appetitlich angeordnet auf Eis. Nebenan gibt es Gemüse. Bambusprossen, die so riesig sind als wären es die Zähne einer ausgestorbenen Dinosaurierart, liegen neben Wasabi, jungen Farnwedeln und grünem Spargel.




Essbarer Farn


Bambussprossen, so groß wie Dinozähne

Einzel eingepacktes Obst ist so lecker präsentiert, dass man am liebsten gleich hineinbeißen möchte. Aber bei den Preisen lasse ich es lieber mal liegen und beiße in zwei Wochen in einen Apfel zu hause.
Die Gruppe zerstreut sich nun, denn das war für heute der letzte Programmpunkt. Morgen beim Frühstück werden wir erfahren, wer was am Abend noch unternommen und erlebt hat.
Eigentlich wollte ich in der kleinen Gasse mit den Samuraihäusern noch ein paar Nachtaufnahmen machen, doch es regnet nun wirklich heftig. Der Wetterbericht hat für morgen besseres Wetter vorhergesagt. Es scheint, dass ich dann gute Voraussetzungen für Nachtaufnahmen habe. Allerdings soll es auch sehr windig werden.
Also schreibe diesen Reisebericht, sortiere meine Bilder, kaufe mir im Combini nebenan ein Gemüsesushi und Salat und beschließe damit den Tag.