15. Tag, Montag, 22.09.Heute steht noch ein letztes Urlaubshighlight auf dem Programm, das UNESCO Weltnaturerbe Kvarken (Merenkurkku auf Finnisch). Zunächst wache ich aber mit Halsschmerzen auf, echt jetzt, zu Knie und Rücken auch noch eine Erkältung

? Zum Glück habe ich einen Wasserkocher auf dem Zimmer, da kann ich heute Abend mit ganz viel Tee das Halsweh vielleicht etwas lindern.
Tee gibt es dann aber auch schon zum Frühstück, denn die zwei kleinen Tetrapak Milch, die ich gestern Abend im Lidl gekauft habe, entpuppen sich als Sahne

, da hätte ich mal besser schon im Laden Google Lens bemüht, denn bei Joghurt und Milch hatte ich schon einige Fehlkäufe hier in Finnland im Laufe der Urlaube, aber im Geschäft ist mir das mit Google Lens immer zu umständlich.
Aus dem eigentlich geplanten Müsli wird also nichts, wenigstens habe ich noch Brötchen und Käse da, zusammen mit ein paar Tassen Tee auch ein gutes Frühstück.
Auch heute reduzieren Knie und Wetter das eigentlich Geplante, so dass es keinen Grund zur Eile gibt und ich mich erst gegen 10 Uhr auf den Weg zur Insel Replot (finnisch: Raippaluoto) mache. Die Insel ist mit Brücken und Dämmen mit dem Festland verbunden und liegt nur 20 km vom Hotel entfernt.
Es gibt einige Haltemöglichkeiten, um einen Blick auf die imposante Brücke zu werfen. Vor dem Überqueren der Brücke stoppe ich links von ihr an einem schön angelegten Badeplatz mit Sandstrand, Grillmöglichkeiten und Toiletten und werfe einen ersten Blick auf die längste Hängebrücke Finnlands (1045 m, Höhe der Pylonen 82 m).
Direkt nach der Brücken - Überquerung biege ich nach rechts ab, dort befinden sich ein Restaurant und das Besucherzentrum zum Weltnaturerbe Kvarken mit einer kleinen Ausstellung und Souvenirshop. Beides kann auch mit dem Boot erreicht werden, Liegeplätze gibt es auf der Wasserseite direkt davor.
Ich gehe auf dem Pier ganz nach vorne und schaue mir die Brücke auch von dieser Seite an.
Dann schlendere ich noch durch Ausstellung und Souvenirshop. Kvarken wurde erst 2006 ins Weltnaturerbe aufgenommen, es handelt sich um das insel- und steinreichste Schärengebiet der Welt und bildet eine erdgeschichtliche Einheit mit dem gegenüberliegenden schwedischen Küstengebiet; die Höga Kusten (Hohe Küste) ist schon seit 2000 Weltnaturerbe. Über die Eiszeit und die durch ihr Verschwinden verursachte Landhebung werde ich an anderer Stelle noch mehr erfahren.
Nächster Stopp etwa zwanzig Fahrminuten vom Besucherzentrum entfernt ist der Hafen von Replot (sowohl der Ort als auch die Insel heißen Replot). Sehr idyllisch ist es hier mit den roten Bootshäusern und Hütten und den Segelbooten und kleinen Jachten, die hier ankern. Ich bin ganz alleine hier, im Sommer ist das aber durchaus ein beliebtes Touristenziel, dann haben auch diverse kleine Geschäfte in den ehemaligen Bootsgaragen geöffnet.
Weiter geht die Fahrt über einen Damm zur Insel Björkö an deren Ende der Hafen Svedjehamn liegt, ab hier kommt man nur noch per Boot weiter. An dieser Stelle im Schärenmeer wird das Phänomen der Landhebung am deutlichsten, deshalb gibt es einen Naturlehrpfad, der an einem Aussichtsturm endet und mit vielen Informationstafeln versehen ist.
Wie auch der Hafen von Replot ist das im Sommer ein Touristenanziehungspunkt, das zeigt der große Parkplatz und die Tatsache, dass man hier tatsächlich Parkgebühren entrichten muss (das ist glaube ich das erste Mal, dass ich in Finnland außerhalb einer der größeren Städte etwas fürs Parken zahlen muss). Es gibt einen Parkautomaten mit der Auswahl Pkw oder Womo, 4 h oder 24 h. Die Auswahl Kartenzahlung oder Bargeld gibt es schon seit einigen Jahren nicht mehr, wie ich schon vorab gelesen hatte. Man kann nur bar bezahlen. Ich werfe 2 EUR für 4 Stunden ein und spaziere los. Auch hier bin ich scheinbar der einzige Tourist, es stehen nur ein paar ältere Autos am Rand des Parkplatzes, die sicher Einheimischen gehören, die in den Bootshäusern tätig sind.
Ich gehe den Rundweg so, dass ich den Aussichtsturm erst am Ende erreichen werde. Wie auch im Hafen von Replot gibt es hier idyllisch aussehende rote Bootshäuser und Boote unterschiedlicher Art an denen mich der Weg vorbeiführt. Im Sommer hat in einem der größeren Häuser ein Restaurant geöffnet. In der Ferne kann ich schon den Aussichtsturm sehen. Wirklich schön ist es hier.
Nach Verlassen des Hafengebiets wird der bisher breite, geschotterte Naturlehrpfad zu einem stein- und wurzelreichen Erdpfad, der von der Küste wegführt.
Bald kommen die ersten Hütten des ehemaligen Hafens Bodvattnet / Bodback in Sicht. Ungefähr 130 Bootsschuppen standen hier bis zur ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Dann mussten sich die Inselbewohner einen neuen Platz zum Anlegen ihrer Boote suchen, denn die Landhebung führte dazu, dass das Wasser nicht mehr tief genug für Boote war. Das Wasser, das man heute hier noch sieht, wird künstlich auf diesem Level gehalten (warum das gemacht wird, konnte ich leider nicht herausfinden), ohne ein Eingreifen wäre vermutlich alles komplett trocken.



Wie kommt es zur Landhebung? Während der letzten Eiszeit lag hier ein 3 km dicker Eispanzer, der die ja weiche Erdkruste mit seinem Gewicht ungefähr 1 km nach unten drückte. Seitdem das Eis geschmolzen ist, hebt sich die Erdkruste, auf der nun nicht mehr dieses Gewicht lastet, langsam wieder an. Langsam bedeutet etwa 8 – 10 mm pro Jahr. Das wie ich finde wirklich Erstaunliche ist dabei, dass diese wenigen Millimeter ausreichen, die Küstenlandschaft tatsächlich fürs Auge sichtbar zu verändern. Und nicht nur sichtbar fürs Auge, sondern eben auch mit spürbaren Auswirkungen für die Menschen hier. Sie fanden mit dem heutigen Hafen von Svedjehamn einen Ersatz für Bodvattnet. Das flacher werdende Wasser führte auch zu zahlreichen Schiffsunglücken, weil die Seekarten nicht mehr stimmten und Felsen „plötzlich“ viel weiter aus dem Wasser ragten.

Nicht geklärt werden konnte bis jetzt, wie sich die Erderwärmung und die dadurch ansteigenden Meeresspiegel auf die sich bis heute fortsetzende Landhebung auswirkt. Zumindest verlangsamt wird die Landhebung dadurch, vielleicht aber auch „ausgeglichen“ bzw. sogar „überholt“ vom steigenden Wasser.
Ein ganzes Stück führt der Pfad nun durch den Wald, die Sonne hat sich leider ziemlich zurückgezogen und der Wind ist stärker geworden, ständig ist das Rauschen der Baumkronen zu hören. Am Scheitelpunkt des Naturlehrpfads kann man diesen verlängern und auf einem one-way Weg zu einem Rastplatz am Meer wandern. Das hatte ich eigentlich vor, aber das Wetter (und natürlich mein Knie) halten mich davon ab. Ich folge also weiter dem Rundweg und erreiche nach einiger Zeit wieder den Meeressaum
und schließlich den Aussichtsturm Saltkaret.
Der Turm ist 20 m hoch, für so eine Strecke brauchte die Landhebung ca. 2000 Jahre. Das heißt vor 2000 Jahren lag das Land auf dem ich am Fuß des Turms stehe, 20 m tiefer, also unter Wasser. Und in weiteren 2000 Jahren wird man wohl an dieser Stelle von Finnland nach Schweden trockenen Fußes gehen können (dabei sind die Auswirkungen des Klimawandels nicht berücksichtigt).
Sehr spannend und beeindruckend, letzteres gilt auch für die Aussicht von der mittleren und oberen Plattform des Turms. Wie schon geschrieben liebe ich Ausblicke und das ist einer, den ich eine ganze Zeit lang genieße. Nur schade, dass sich die Sonne gar nicht mehr zeigen möchte.
Schließlich steige ich wieder hinunter und gehe Richtung Auto, dabei drehe ich eine unfreiwillige Runde durch einen weiteren Teil des Hafens, sehr hübsch, gut, dass ich nicht auf den Weg geachtet habe und deshalb hier gelandet bin.
Um viertel nach eins bin ich zurück am Auto. Während der kleinen Wanderung habe ich ein belegtes Brötchen gegessen, da ich aber noch bzw. wieder Hunger habe und mich an das Restaurant an der Replot Brücke erinnere, beschließe ich mal dorthin zu fahren und zu schauen, ob und was es dort zu essen gibt. Auf dem Weg stoppe ich noch beim kleinen Inselsupermarkt um Nachschub an Teebeuteln zu besorgen. Dabei stelle ich fest, dass hier schwedisch gesprochen wird, völlig verblüfft bedanke ich mich trotzdem mit „kiitos“, obwohl ich eigentlich weiß, dass Danke auf Schwedisch „tack“ heißt. Na ja, da habe ich mich halt als Touristin geoutet

.
Erfreulicherweise bietet das „Berny’s“ an der Brücke ein Mittagsbuffet an (EUR 13,00) und es passt zeitlich gerade noch, ich komme gegen 14 Uhr an, das Buffet wird um 14.30 Uhr geschlossen. Man sitzt sehr schön im modernen Restaurant, die Glasfront bietet einen Blick aufs Wasser. Bei schönem Wetter könnte man auf der Terrasse draußen sitzen. Daran ist gerade aber nicht zu denken, während ich esse gibt es einen heftigen Regenschauer. Zum Glück bin ich nur den Rundweg gegangen und habe nicht verlängert, da wäre ich ordentlich nass geworden.
Nach dem Essen scheint wieder die Sonne und weil mein 4 Stunden Parkticket noch gültig ist, entscheide ich, einfach nochmal nach Svedjehamn zu fahren und mein Glück mit dem Aussichtsturm nochmal zu versuchen. Erst sieht es nicht gut aus, als ich auf dem Parkplatz ankomme, ist es wieder dicht bewölkt, dann reißt es aber doch wieder auf und ich laufe nochmal (natürlich auf direktem Weg, nicht die ganze Runde) zum Aussichtsturm.
Oben kann ich dann tatsächlich den Ausblick bei intensivem Licht genießen – so schön.
Auf dem Rückweg zum Auto sehe ich dann auch noch einen Regenbogen in der Ferne, wenn auch nur schwach.
Sehr zufrieden mit dem Tag trete ich gegen 16 Uhr die Rückfahrt an. Eine halbe Stunde später bin ich im Hotel, wo ich meinen Halsschmerzen mit vielen Tassen Tee zu Leibe rücke. Das Wetter bleibt regnerisch für den Rest des Tages, so dass ich auch nicht in die Versuchung komme, meine Knieschmerzen zu ignorieren und doch noch in die Innenstadt von Vaasa zu gehen.
Wetter: Wolken, Sonne, Regen im Wechsel, stürmisch, ca. 10° - 14°C.
Wanderung: Rother Finnland 33 (einen Teil davon) 4,76 km, 72,2 m Anstieg
Unterkunft: 2 Nächte GreenStar Hotel Vaasa in Vaasa, ohne Frühstück, EUR 169,20, gebucht über booking.com