Autor Thema: Unglücke so fern und doch so nah  (Gelesen 6080 mal)

Andrea

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Unglücke so fern und doch so nah
« am: 28. August 2016, 09:17:29 »
Kennt ihr das auch? Ein Flugzeug stürzt ab, viele Menschen sterben. Eine schreckliche Sache. Es waren Deutsche an Bord. Wie furchtbar! Einige der Opfer kommen aus dem eigenen Wohnort, ach du schei--e! Unglücke scheinen einen immer mehr zu treffen, je näher die Opfer an einem dran sind (wohnen), obwohl man weder sie noch ihre Angehörigen kennt.

Mir passiert das nun zum dritten Mal so extrem., jedes Mal die USA, zweimal an Orten, die ich selbst besucht habe.

Da war 2010 die Lehrerin aus Minden (ich wohne von Minden etwa 15km entfernt), die in San Francisco von einem Querschläger bei einer Bandenschießerei getroffen wurde. Sie starb. http://www.sn-online.de/Schaumburg/Bueckeburg/Bueckeburg-Stadt/Querschlaeger-toetet-Mindenerin-in-San-Francisco

Dann war es, glaube ich, dieses Jahr, als 3 Wissenschaftler sich ohne ausreichend Wasser zu einer Wanderung in Arizona aufmachten. Nur einer kehrte lebend zurück. Mindestens einer von ihnen kam aus Hannover, wo ich aufgewachsen bin. Mit dem Fachbereich Physik der Uni Hannover hatte ich eine ganze Weile mal viel zu tun (ist aber ewig her), kannte die Opfer aber nicht

Aktuell beschäftigt mich ein Autounfall im Yosemite bzw. dort in der Nähe. Dort sind letzte Woche drei Frauen mit ihrem Wagen einen Abhang hinunter gestürzt. Der Rest der Reisegruppe (Motorradfahrer) meldete sie abends als vermisst, gefunden hat man sie aber erst einen Tag später. Eine Frau starb. Die anderen beiden überlebten. Sie stammen aus Bad Oeynhausen. http://www.nw.de/lokal/kreis_minden_luebbecke/bad_oeynhausen/bad_oeynhausen/20897878_Unfall-in-den-USA-15-Meter-in-die-Tiefe-gestuerzt.html

Man kennt die Gegend, wir hatten dort sogar das gleiche Fahrzeug (GMC Yukon) und die Vorstellung, da mal einen Abhang hinunter zu rutschen und dann ewig nicht gefunden zu werden ist grauenvoll. Und ich weiß, dass es da seeeehr viele gefährliche Kurven gibt. Ich habe nämlich dort immer Heiko angesagt, wenn gleich eine sehr enge Kurve kommt (ich konnte das Navi genau im Auge behalten), um die man wirklich herumschleichen musste. Nur etwas schneller und dann...

Andererseits freut man sich auch irgendwie mehr über positive Geschehnisse, je näher "die Helden" an einem dran sind. Im Moment feiert der Nachbarort Löhne (wo ich arbeite) Lena Goeßling, die gerade Frauenfussballolympiasiegerin geworden ist. Herzlichen Glückwunsch! Schon vor einigen Jahren wurde sie hier als junges Talent gefeiert und man war stolz, als sie in das Nationalteam aufgenommen wurde...
Liebe Grüße, Andrea



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Flicka

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Re: Unglücke so fern und doch so nah
« Antwort #1 am: 28. August 2016, 11:23:25 »
Ich kann mich jetzt zwar im Moment an keinen solchen Unglücksfall erinnern, bei dem Menschen aus meiner Umgebung betroffen gewesen wären, auch wenn es sicher welche gab.

Aber allgemein muss ich dir recht geben, dass ich mich stärker betroffen fühle, wenn Menschen verletzt werden oder umkommen, zu denen ich irgendeinen Bezug habe, und sei es nur, dass Verunglückte aus Deutschland kommen.

Vielleicht liegt es daran, dass man unwillkürlich überlegt, ob es einen selbst hätte treffen können, und dann sind solche Überlegungen, dass jemand, der verunglückt ist, aus der näheren Umgebung kommt und man selbst auch schon mal am Unglücksort war, doppelte Anknüpfungspunkte für so ein Was-wäre-wenn-Gedankenspiel. Oder man kann sich durch dieses Gefühl der Nähe mehr in die Verunglückten hineinversetzen und erlebt das Unglück deshalb intensiver.

Mich hat der Copiloten-Selbstmord letztes Jahr ganz schön beschäftigt, und da hat sicher auch die Tatsache eine Rolle gespielt, dass wir auch ein paar Tage vorher von Spanien zurück nach Deutschland geflogen sind.


Paula

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Re: Unglücke so fern und doch so nah
« Antwort #2 am: 28. August 2016, 18:22:52 »
Ich kann mich noch an das schreckliche Bahnunglück von Eschede erinnern. Meine Mutter war genau eine Woche vorher mit dem gleichen Zug gefahren, ich hatte einen Schock als ich davon hörte.

Ich glaube das ist ganz normal dass man Unglücke stärker wahrnimmt wenn es Orte oder Menschen betrifft die man kennt. Ob es aber Deutsche sind die ich nicht kenne oder Franzosen oder Spanier etc macht für mich keinen Unterschied.
Viele Grüße Paula

Andrea

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Re: Unglücke so fern und doch so nah
« Antwort #3 am: 28. August 2016, 18:40:50 »
Oh, ja, Eschede - ein Freund von mir fuhr zu der Zeit wöchentlich diese Strecke, aber zum Glück nicht an diesem Tag. Von demselben Freund bekam ich im September 2001 ein Postkarte aus New York mit dem WTC mit einem aufgemalten Pfeil drüber: "Disco, in der wir waren"  Am 11. September waren sie aber wieder in D.
Liebe Grüße, Andrea



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Rainer

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Re: Unglücke so fern und doch so nah
« Antwort #4 am: 28. August 2016, 19:26:39 »
Ich bin ehrlich, ich tue mir immer sehr schwer, die medial hoffnungslos überladenen Unglücke auch entsprechend einzusortieren. Dazu gehört so ein Bahnunglück wie in Eschede genauso dazu wie der Germanwings Absturz vor einem Jahr, wo vermeintlich viele Personen ums Leben kommen.

Gleichzeitig sterben resp. verhungern(!) auf elendste Art und Weise jeden(!) Tag alleine in Afrika über 25.000(!) Menschen, davon weit mehr als die Hälfte Kinder. Jeden Tag. Gestern, heute, morgen. Und so weiter. Und diese Menschen kenne ich keinesfalls schlechter oder besser als alle anderen Menschen, die bei spektakulären Unfällen ums Leben kommen. Ich habe da definitiv Probleme, die Aufarbeitung solcher Unfälle in unseren Medien nachzuvollziehen. Es scheint verschiedene Wertungen zu geben, was ein Menschenleben wert ist.

Birgit

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Re: Unglücke so fern und doch so nah
« Antwort #5 am: 28. August 2016, 20:59:11 »
Ich kann es absolut nicht nachvollziehen, wenn man dann plötzlich kein Profilbild nach einem Unglück oder Anschlag etc. in Foren oder bei Facebook mehr erkennt und nicht mehr eines vom anderen unterscheiden kann, weil es mit den Farben irgendeiner gerade getroffenen Nation hinterlegt ist oder weil alle plötzlich nur noch den stilisierten Eiffelturm als Profilbild haben.

Ich kann diese pauschalen und phrasenhaften "RIP"-Mitteilungen und "einfach nur schrecklich" nicht einordnen, weil ich nicht weiß, was dahinter steckt an echtem Gefühl oder ob es ebenso schnell gedacht war, wie eine solche Phrase von oft nicht mehr als 5 Worten dahingetippt wurde.

Aber als vor einigen Wochen bei dem Amoklauf in München gleich 5 Personen aus meinem Umfeld vor Ort waren, die ich schon mindestens einige Zeit kenne, beispielsweise Paula, da hatte ich wirklich richtig Sorge. Und ich muss sagen, dass ich da tatsächlich mit deutlich mehr persönlicher Betroffenheit vor dem TV gesessen habe als ich andere Nachrichten wahrgenommen habe.