Autor Thema: Alltag in Corona-Zeiten  (Gelesen 63434 mal)

wilma61

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Re: Alltag in Corona-Zeiten
« Antwort #75 am: 22. April 2020, 09:41:48 »
Zitat
Eine Beatmung mit Atemgerät wird aber mit 20.000,-€(!) pro Tag verrechnet.

Sorry Rainer, aber die Zahl ist utopisch. 20000 pro Monat wäre realistisch.
Sorry, aber da kennst du die deutschen Krankenhauspreise nicht. 20000 am Tag halte ich auch für zu viel, aber ein Tag Intensivstation lag schon vor einigen Jahren im vierstelligen Bereich.
Doch die kenne ich. Ich war letztes Jahr 2 x im Krankenhaus, hatte 2 sehr schwierige Operationen und lag insgesamt 5 Tage auf Intensiv. Da ich Privatpatient bin, sehe ich alle Rechnungen und weiß demnach was es kostet. Heute wird ja nur noch nach Fallpauschalen gezahlt und fast jeder Intensivpatient ist ein Minusgeschäft für die Krankenhäuser.

Hier ein interessanter Artikel dazu. Ist zwar von 2004, hat aber noch immer seine Berechtigung.

https://www.aerzteblatt.de/archiv/43690/Krankenhaus-Management-Kompetenzzentren-sind-zukunftstraechtig
Es grüßt der Willi

Birgit

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Re: Alltag in Corona-Zeiten
« Antwort #76 am: 22. April 2020, 10:51:42 »
Diesen Artikel z.B.

https://rp-online.de/panorama/coronavirus/corona-drosten-warnt-vor-wuchtiger-zweiter-welle-von-infektionen_aid-50142351?output=amp

finde ich weder sehr seriös noch frei von persönlicher Meinung.

Warum denkst du das? An welchen Textstellen machst du das genau fest?

Zum einen werden hier in wenigen Zeilen von einer Zeitung Auszüge aus dem Podcast zitiert. Es handelt sich nicht um das Transkript des Podcast.

Das Transkript findest du hier:

https://www.ndr.de/nachrichten/info/coronaskript180.pdf

Wichtig ist - in egal welcher Wissenschaft - Beobachtungen von Interpretationen zu trennen. Das macht Drosten deutlich sauberer als seine Kollegen. Er weist auf Grenzen von Studien hin und auf Besonderheiten und liefert das, was das Ergebnis seiner Arbeit ist und verweist immer wieder darauf, wenn er aus fachlicher Sicht etwas nicht einschätzen kann.

Horst

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Re: Alltag in Corona-Zeiten
« Antwort #77 am: 22. April 2020, 11:13:03 »
Noch schlimmer als die Prediger sind die Denunzianten. Und es wurde ja explizit dazu aufgerufen.
Das finde ich auch als das Schlimmste.
Ich hätte nicht gedacht, dass ich es noch erlebe, dass ein deutscher Landes-Innenminister (Herrmann) uns Bürger auffordert, andere zu denunzieren und der Polizei zu melden. Ich bin davon ausgegangen, dieses dunkle Kapitel hätten wir vor 75 Jahren für laaaange Zeit geschlossen. Was mich fast noch mehr schockiert ist, dass niemand in der Öffentlichkeit deswegen den Rücktritt des Ministers gefordert hat. Soweit sind wir also schon so etwas hinzunehmen oder gar zu unterstützen.




Als Maske kannst du ja einen Schal oder ein Tuch nehmen. Bei ebay gibt es genug.
Das dürfte also nicht das Problem sein.



Das Problem liegt scheinbar eher in der Tragetechnik.  ;)
Btw - darf man die Maske jetzt eigentlich im Auto tragen (wegen der Infektionsgefahr soll man ja nicht ständig dran rum fummeln) oder muss man die kurz vor dem Blitzgerät abnehmen?



Meiner Meinung nach wird uns die Virus-Problematik begleiten bis es einen Impfstoff gibt (und dieser in großen Umfang verteilt werden kann). Also geht es darum vorrausschauend und clever möglichst geschickt durch diese Zeit zu kommen.
Das ist auch der Ansatz der Politik. Wohlgemerkt Ansatz, den Geschicklichkeit stelle ich mir anders vor.
Jedenfalls nicht diesen Bundes-Länder-Flickenteppich an sich ständig änderden Maßnahmen und Vorschriften für die ich inzwischen Informationen im Vergleich zu einem Telefonbuch brauche.
Das stärkt auch nicht gerade den "Chorgeist" der Bürger wenn es überall anders gehandhabt wird. Mit Exzessen wie dem Bußgeld, wegen alleine auf der Wiese mit einem Buch sitzen, wie in Bayern.
Versuche den Chorgeist mit der Bundesliga zu stärken sind durchschaubar ("Brot und Spiele").
Man stelle sich vor, Netflix müsste abgeschalten werden ... dann hätten wir Tummulte und Feuer in den Straßen.
Statt über die Bundesliga sollte man sich eher mal mit Konzepten anderer Wirtschaftszweige beschäftigen, z.B. den Gaststättengewerbe. Ich sähe überhaupt kein Problem, die Leute in Biergärten (im Freien) zu bewirten. Dank Klimaerwärmung haben wir ja neuerdings sowieso Dauersommer. Selbst in Gaststätten kann man mit Plexiglas Abtrennungen schaffen. Kommt halt auf ein Konzept an. Natürlich wird man durch viele Lockerungen wieder höhere Ansteckungszahlen haben aber nicht mehr in der Form wie Anfang März, als wir gar nichts unternommen hatten und völlig unbedarft (war ja laut Politik alles kein Problem) Fasching und Großveranstaltungen laufen ließen.
Auch wie heute gehört, noch eine weitere App (diesmal Quarantäne-Überwachung) anzukündigen (Spahn), die dann aber doch wieder auf sich warten lässt, keine Sau mehr durchblickt für was welche App gut sein soll und sowieso nichts fertig wird (Fertigstellung mit Berliner FLughafen?) fördert nicht gerade die Zustimmung der Bevölkerung.

Ich sehe auch die ungenutzten Kapazitäten des Gesundheits-Systems (vor allem Intensivmedizin). Wenn wir den Wohlstand der in 75 Jahren geschaffen wurde nicht in wenigen Monaten vernichten wollen, werden wir sowieso nicht darum herum kommen mehr hochzufahren. Geht eben darum Konzepte zu erarbeiten.
Vielen Existenzen sind bedroht, vor allem die der Kleinunternehmer, die außer einer einmaligen milden Gabe mit leeren Händen dastehen und deren Durchhaltevermögen bereits die Grenze erreicht hat. Dazu gehören auch die vielen Jobs, die dauerhaft damit verloren gehen. Selbst mit 60% Kurzarbeitergeld kann nicht jeder lange durchhalten (sofern man überhaupt welches bekommt).



Zitat
Ich kann selbst die Parolen von dem Dr. Drosten nicht mehr lesen, obwohl er mir lange sympathisch war. Aber auch er tutet immer nur ins gleiche Horn, sieht nur die virologische Komponente, aber nie die ethnische Komponente.

Genau das macht ihn seriös. Er macht das, was er am besten kann und vermischt es - im Gegensatz zu Kekulé und Streeck - nicht mit persönlichen Ansichten. Er sagt auch immer wieder, dass er nur aus wissenschaftlicher Sicht spricht, kein Politiker sei, und dass es richtig sei verschiedene Disziplinen aus der jeweiligen Perspektive zu hören.
Ich denke, damit nicht noch mehr Unfug in den Medien verbreitet wird, braucht man jemand, der bestimmte Meldungen auch fachkundig ins Reich der Fabel verweist und dem Bürger Sachverhalte erklärt. Das machte Drosten bisher meist relativ sachkundig und gelassen. Ob man jetzt täglich einen Podcast abhalten muss und die Virologen generell zu Popstars hochjubeln muss.... na ja.
Das die Virologenszene ihre aktuelle Popularität genießt, ist menschlich verständlich.



Ich bin mit dem, was Du sagst, nicht einverstanden, aber ich werde bis zum Tod Dein Recht verteidigen, es zu sagen. Voltaire.

Rainer

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Re: Alltag in Corona-Zeiten
« Antwort #78 am: 22. April 2020, 12:18:59 »
Sorry Rainer, aber die Zahl ist utopisch. 20000 pro Monat wäre realistisch.

Hast Du Recht - ich habe die Zahl unreflektiert aus einem Videobeitrag übernommen. Wobei allerdings 20000 pro Monat auch zu wenig ist. Aber was ist realistisch und wo kommen die 20000 her (die der Autor genannt hat)?

Ich habe mal recherchiert, also 20000 pro Monat(!) gibt es in der Tat, allerdings in einem etwas anderen Kontext: seit 2017 zahlt die Pflegekasse auch die "Heimversorgung" von Patienten, die zu Hause(!) beatmet werden können. Das können Pflegedienste übernehmen und diese Pflegeleistung wird pauschal mit 20000€ pro Monat vergütet. Das hat der Autor sicherlich irgendwo falsch hergeleitet.

Was aber kostet es auf Intensivstation? Da habe ich auch ein paar Zahlen gefunden, etwas älter schon (von 2008), aber das wird jetzt nicht um Welten mehr kosten. Im Jahr 2008 wurde ein Tag Intensivstation inkl. "mechanischer Beatmung" mit ca. 1.500€ pro Tag verrechnet. Das würde dann ca. 45.000,-€ pro Monat kosten, heute vielleicht 50.000,-€, ist aber geraten.

Das erscheint mir auch plausibel, ich habe nämlich auch vor 1,5 Jahren mal eine entsprechende Rechnung gesehen. Als Andrea hier so tragisch gestorben ist, ist absolut zeitgleich (ein unglaublicher Zufall) die Frau eines Freundes ebenso fast am gleichen Tag zur gleichen Zeit auch mit Herzstillstand vom Frühstückstisch gefallen. Der Freund ist aber sehr sportlich und hatte außerdem zufällig wenige Wochen vor diesem Ereignis einen Auffrischungskurs für erste Hilfe besucht. Und da wußte er genau, was er zu machen hat und hat seiner Frau eine 30-minütige(!) Herzmassage verabreicht (was für eine gewaltige Anstrengung), bis endlich Sanitäter eintrafen, Das Unglaubliche ist geschehen, seine Frau hat den Herzstillstand ohne Folgeschäden überlebt. Dafür war sie aber 10 Tage auf Intensivstation (und noch ein paar Tage normaler Station) und weil der Freund Lehrer ist, ist er auch Privatpatient und hat mir die Rechnung (auf meinen Wunsch, ich wollte es mal wissen) gezeigt. Die belief sich auf knapp 32.000 Euro. Nun war das natürlich wieder ein anderer Fall, Herzstillstand mit Koma, das muss nicht zwingend das gleiche kosten wie eine invasive Beatmung, aber pi mal Daumen wird das schon hinkommen.

Also 20000 pro Tag sind natürlich Quatsch, ich muss zugeben, dass ich das auch ziemlich viel fand, aber weil ich auch keine Ahnung habe, was ein neumodischer Beatmungsapparat kostet, habe ich da nicht weiter nachgeforscht. Aber so teuer sind deutsche Krankenhäuser nicht, dann würde unsere Krankenversicherung deutlich mehr kosten.

Rainer

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Re: Alltag in Corona-Zeiten
« Antwort #79 am: 22. April 2020, 12:41:07 »
Ich finde schon, dass das ein Problem mit der Verfügbarkeit ist. Bis Oktober eine halbe Million, weltweit. Was glaubst du, was in einigen Ländern, wo die Abstands- und Hygieneregeln nicht eingehalten werden können, los sein wird?
Das Medikament wird ja nicht in Deutschland produziert. Ich befürchte daher, wir werden davon nicht viel abbekommen.

Das weiß natürlich im Moment niemand, der Hersteller ist Gilead in den USA. Aber man muss auch berücksichtigen, dass bei weitem nicht jeder das Medikament nehmen muss, die allermeisten Verläufe sind ja sehr mild, teilweise werden sie nicht einmal bemerkt. Es ist ja auch jetzt schon so, dass bestimmte Medikamente nur für bestimmte Risikopatienten vorbehalten sind, so ist beispielsweise seit einiger Zeit die prophylaktische Pneumokokkenimpfung (bakterielle Lungenentzündung) nur noch für einen ganz klar definierten Kreis von Hochrisikopatienten verfügbar, die Kriterien dafür erfülle nicht einmal ich selbst. Und das wird sicherlich mit Remdesivir auch so sein, das bekommt nicht jeder Hinz und Kunz, nur weil er es haben will.

Das andere Problem, dass in manchen Ländern möglicherweise die Fallzahlen hoffnungslos zu hoch sind, da gehe ich davon aus, dass diese Länder das selbst lösen müssen. Wenn es überhaupt irgendeinen Verteilungsschlüssel geben wird, dann wird der sicherlich eher von der Einwohnerzahl als von den Erkrankten abhängen, mindestens für die Industrieländer. Ob Länder aus der dritten Welt überhaupt etwas bekommen, ist noch eine ganz andere Frage. Ich weiß, das klingt jetzt arschig, aber wir müssen ja ehrlich sein, wahrscheinlich teilen sich die mächtigen Nationen erst einmal die wichtigsten Ressourcen, so ist die Welt leider.

Und last not least will Gilead sicherlich auch Geld verdienen (die haben sich ja auch in der Vergangenheit keinen Namen als Samariter gemacht), die lassen sich das Medikament sicherlich fürstlich bezahlen. Und dann fällt vielen USA Bürgern erneut ihr verkorkstes Krankenversicherungssystem in den Nacken, weil ein großer Teil der Bürger Versicherungen mit relativ hohen Zuzahlungen abgeschlossen haben. Deswegen gehen Amerikaner auch weniger zum Arzt, weil sie per se für den Arztbesuch 80$ auf den Tisch legen müssen, was es ihnen nicht wert ist. Viele sind es auch gewohnt, "leichte" Erkrankungen auszutragen. Auf der anderen Seite hätte ich selbst kein Problem damit, einen ordentlichen Betrag auf den Tisch zu legen, wenn ich dafür ein lebensrettendes Medikament bekomme, falls ich selbst schwer erkrankt sein sollte.

Da spielen also sehr viele Faktoren eine Rolle und eine Million sind schon mal mehr als gar nichts. Das sind ja eine Millionen vollständige Therapien, nicht nur Ampullen. Und Indien und China werden mit absoluter Sicherheit in kürzester Zeit Generika herausbringen, auch wenn in der Tat die Herstellung ein paar Monate in Anspruch nimmt. Aber nach einer gewissen Wartezeit kann man davon ausgehen, dass diese beide Staaten sowieso eine Eigenversorgung haben. Das war noch nie anders, mit Patentrechten usw. haben insbesondere Chinesen ja überhaupt keine Probleme.


wilma61

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Re: Alltag in Corona-Zeiten
« Antwort #80 am: 22. April 2020, 12:52:11 »

Die belief sich auf knapp 32.000 Euro. Nun war das natürlich wieder ein anderer Fall, Herzstillstand mit Koma, das muss nicht zwingend das gleiche kosten wie eine invasive Beatmung, aber pi mal Daumen wird das schon hinkommen.

Das wird ja alles nur noch nach den DRG Fallpauschalen berechnet, die auch die Intensivbehandlung beinhalten. Sehr komplexes Thema. Hab mal hiermit ein wenig gespielt, sehr interessant.

https://www.derprivatpatient.de/krankenhaus/abrechnung/drg-suche

Bei 32000 € müsste auch ein Eingriff erfolgt sein, sonst ließe sich die Höhe nicht erklären.
Es grüßt der Willi

Rainer

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Re: Alltag in Corona-Zeiten
« Antwort #81 am: 22. April 2020, 12:56:40 »
Genau das macht ihn seriös.

Jain. Meiner Meinung nach beschäftigt auch er sich nicht genügend mit den Folgen der Epidemie, sondern betrachtet sie rein quantativ und wenn ein Artikel von "wuchtiger" Welle spricht, dann kotzt mich das schon an, das kann ich nicht mehr lesen. Das hätte man auch anders formulieren können, meinetwegen "erhöhte Infektionszahlen", aber die "wuchtige Welle" ist abschreckend und auch so gemeint. Das ist einfach zu subjektiv formuliert.

Und mich stört insgesamt (was ich ja schon oft geschrieben habe), dass so viele "Experten" so wenig auf die Toten an sich eingehen. Es gibt inzwischen mehrere Stimmen (u.a. auch Palliativmediziner), die es (zu Recht) kritisieren, wenn Palliativpatienten noch der invasiven Intensivbeatmung zugeführt werden, was nur Plätze kostet und Geld einbringt (boshaft gesagt). Statt diese Patienten in Ruhe sterben zu lassen (mangels Patientenverfügung).

Mich stört auch diese ewige Plattitüde "unser Gesundheitssytem bricht ein". Das ist völliger Quatsch, es bricht so oder so nicht unser ganzes Gesundheitssystem ein. Aber wir haben eine extreme Häufung eines bestimmten Krankheitsbildes (Lungenentzündung), die Krankenhäuser sind aber nur auf "normalverteilte" Patienten eingerichtet, d.h. es gibt einen (großen) Engpass bei der Betreuung von Lungenentzündungen. Ich habe noch keinen einzigen Vorschlag gelesen, diesem Problem mit der simplen und logischen Lösung beizukommen, in dem man genau diese Kapazitäten massiv erhöht. Man hat etwas erhöht, ist übrigens bis heute NIE in Anspruch genommen worden und das war es jetzt auch wieder. Wieso unternimmt man nicht mehr in diese Richtung?

Egal wie schwer und wie teuer es sein mag, die notwendigen Kapazitäten aufzubauen: was wir momentan alles kaputt machen, weil wir am falschen Ende anpacken, das kostet noch viel viel mehr und ist viel viel schwerer wieder aufzubauen. Was im Moment alles kaputt geht, das übersteigt die Vorstellungskraft von jedem. Und das stört mich gewaltig und mich stört es auch am Drosten, der auch nur in die Richtung argumentiert, man müsse die Anzahl Infektionen klein halten. Das ist NICHT die einzig mögliche Lösung, aber es ist mit Abstand die bequemste (muss man nicht lange nachdenken) und leider auch die teuerste. Aber sie ist auch gefährlich, sehr gefährlich. Wenn die globale Marktwirtschaft zusammenbricht, weil immer mehr Zulieferer einknicken, dann haben wir irgendwann ein Riesenproblem. Dann könnte auch die Medizinversorgung einknicken (die ohnehin labil ist) und welche Folgen das dann hat, das kann sich keiner ausmalen. Ich empfinde es jedenfalls so, dass wir russisch Roulette spielen und auf ein Event warten (Impfstoff), von dem niemand weiß, ob es kommt und wann es kommt. Da würde ich lieber anpacken und mehr Behandlungsplätze aufbauen, egal wie langwierig das ist. Aber das hat zumindest ein kalkulierbares Ziel. Das Warten auf den Impfstoff ist übles Zocken.

Rainer

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Re: Alltag in Corona-Zeiten
« Antwort #82 am: 22. April 2020, 12:59:57 »
Bei 32000 € müsste auch ein Eingriff erfolgt sein, sonst ließe sich die Höhe nicht erklären.

Ist auch - die hat einen Herzschrittmacher bekommen, bzw. keinen Herzschrittmacher sondern einen kontrollierenden Mini-Defibrillator. Weil die ursächlich eine Rhythmusstörung hatte, die das Kammerflimmern auslöste. Das stimmt, das ist auch relativ teuer, das war sicher in der Rechnung drin, ich habe die Rechnung nicht durchgeschaut, mich interessierte nur die Summe. Ich weiß allerdings auch, dass diese neumodischen Schrittmacher und "Defis" ziemlich teuer sind.

wilma61

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Re: Alltag in Corona-Zeiten
« Antwort #83 am: 22. April 2020, 13:06:11 »
Die Rechnungen durchschaut man als Laie auf Grund des komplexen DRG-Fallpauschalen Systems sowieso niemals.
Es grüßt der Willi

Rainer

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Re: Alltag in Corona-Zeiten
« Antwort #84 am: 22. April 2020, 13:23:43 »
Meine Frau hat seit Jahren schon so eine Zusatzversicherung, dass sie im Krankenhaus von Chefarzt behandelt wird, den Status "Privatpatient" hat und max. auf ein 2-Bett-Zimmer kommt. Vor 3 Jahren war Sylvia dann zum ersten Mal wirklich richtig schrecklich krank (ich hatte schon vor, diese Zusatzversicherung zu kündigen.... jetzt lasse ich sie, die haben wir längst wieder heraus), sie bekam nach Pfingsten so einen eigenartigen Husten, der nicht weggehen wollte, das gipfelte dann im Sommerurlaub (AIDA Kreuzfahrt nach Grönland) darin, dass sie sich die Seele als dem Hals hustete und nachts so schrecklich schwitzte, dass sie immer mitten in der Nacht klatschnass das Nachthemd wechseln musste. Sie hatte dort schon 2 Päckchen Antibiotika geschluckt, die ihr vom Hausarzt verschrieben worden waren.

Nach Rückkehr aus dem Urlaub ergab eine Blutwertuntersuchung einen HB-Wert von 8,5 (starke Anämie, ab 7,0 droht Lebensgefahr), sie musste sofort ins Krankenhaus, dort wurde sie 3 Wochen auf den Kopf gestellt und behandelt. Resultat: diverse Entzündungen ("Multi Serositis") inkl. Lungenentzündung, Perikarderguss (Herzbeutel), Eierstöcke entzündet, Zyste im Bauchraum, Wasser im Bauch. Grauenhaft war das. Bis heute hat niemand herausgefunden, was sie damals hatte. Die Diagnosen gingen von Tuberkolose über Darmkrebs bis Lungenkrebs und so weiter - das war eine furchtbare Zeit.

Naja, auf jeden Fall hatte damals die Arag (die Versicherung der Zusatzversicherung) eine Umstellung im Rechnungswesen gehabt, deswegen hatten sie uns gebeten, die eintrudelnden Rechnungen der ganzen Fachabteilungen und Chefärzte (insgesamt über 10 Rechnungen!) vorzustrecken. Seit dem "kenne" ich solche Abrechnungen. Blickt kein Schwein durch, unten steht eine Zahl und die muss man überweisen....

wilma61

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Re: Alltag in Corona-Zeiten
« Antwort #85 am: 22. April 2020, 14:47:49 »
Das ist bitter. Trotz deutscher Hightech Medizin keine Diagnose?
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Silke

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Re: Alltag in Corona-Zeiten
« Antwort #86 am: 22. April 2020, 15:14:40 »
Diesen Artikel z.B.

https://rp-online.de/panorama/coronavirus/corona-drosten-warnt-vor-wuchtiger-zweiter-welle-von-infektionen_aid-50142351?output=amp

finde ich weder sehr seriös noch frei von persönlicher Meinung.

Warum denkst du das? An welchen Textstellen machst du das genau fest?


Dann nehme ich den Beitrag mal ein wenig auseinander. Aber bewußt den Beitrag und nicht den Podcast, weil der m.E. von wesentlich mehr Leuten gelesen wird.

"Der Berliner Virologe Christian Drosten hat sich besorgt über möglicherweise bisher unbemerkte Effekte bei der Ausbreitung des Coronavirus geäußert."
Er zeigt sich besorgt über etwas, was seiner Meinung nach möglicherweise eintritt. Das ist seine persönliche Meinung, die er an keiner Stelle mit Zahlen oder Tatsachen untermauert.

"Wenn die sogenannte Reproduktionszahl nach Lockerung der Maßnahmen wieder über 1 kommen sollte - also ein Infizierter wieder mehr als einen anderen Menschen ansteckt -, könne die Epidemietätigkeit in nicht erwarteter Wucht wieder losgehen, sagte Drosten."
Diese Zahl ist ja ganz nett, aber man muss sie auch immer im Zusammenhang mit den wirklichen Infektionszahlen sehen. Wir hatten bis vor kurzem am Tag ca. 5000 Neuinfizierte, über einen Zeitraum recht stabile Zahlen. Das war weder für unser Geundheitswesen überhaupt kein Problem. Jetzt ist die Zahl auf um die 2000 Neuinfizierte pro Tag gesunken. Wenn wir jetzt wieder um die 5000 Neuinfektionen am Tag hätten, würde die Reproduktionszahl erst mal wieder bei über 1 liegen. Es wäre aber nach wie vor kein Drama und kein Problem für unser Gesundheitssystem. Daraus müsste noch lange keine Wucht der Epidemie erwachsen. Und das sollte Drosten wissen. Die Formulierung ist in meinen Augen unseriös und macht nur den Leuten Angst.

"Drosten betonte auch, dass die Zahl der Infizierten in der Charité in Berlin seit Wochen zunehme. In den Intensivstationen werde es immer ein bisschen voller. Das sei ein Effekt, der ihn sorgenvoll stimme."
Die Auslastung der Intensivbetten in Berlin lag in der letzten Woche bei 30 %. Ich weiß das, weil ich bei meiner Arbeit im Katastrophenschutzbüro der Malteser täglich einen Lageplan der Berliner Feuerwehr bekomme. Wir sind also um Welten entfernt von einer Überlastung unseres Gesundheitssystems. Und das müsste oder könnte Drosten auch wissen. Warum also stimmt ihn das sorgenvoll? Warum nennt er nicht die wirklichen Zahlen, und sagt vielleicht dazu, dass ihm ein Anstieg auf eine Auslastung von 60 oder 70 % Bedenken bereiten würde?
Das ist unnötige Panikmache, weil die meisten Menschen natürlich nichts von dieser geringen Auslastung wissen.

Wenn der Artikel ihn falsch rübergebracht hat, muss er sich darum kümmern, dass das richtig wiedergegeben wird, was er sagt. Und wie schon gesagt wurde, warum muss er jeden Tag (oder gefühlt stündlich) etwas von sich geben?

Silke

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Re: Alltag in Corona-Zeiten
« Antwort #87 am: 22. April 2020, 15:20:54 »

Mich stört auch diese ewige Plattitüde "unser Gesundheitssytem bricht ein". Das ist völliger Quatsch, es bricht so oder so nicht unser ganzes Gesundheitssystem ein. Aber wir haben eine extreme Häufung eines bestimmten Krankheitsbildes (Lungenentzündung), die Krankenhäuser sind aber nur auf "normalverteilte" Patienten eingerichtet, d.h. es gibt einen (großen) Engpass bei der Betreuung von Lungenentzündungen. Ich habe noch keinen einzigen Vorschlag gelesen, diesem Problem mit der simplen und logischen Lösung beizukommen, in dem man genau diese Kapazitäten massiv erhöht. Man hat etwas erhöht, ist übrigens bis heute NIE in Anspruch genommen worden und das war es jetzt auch wieder. Wieso unternimmt man nicht mehr in diese Richtung?


Mehr Behandlungsplätze in dieser Hinsicht werden aufgebaut. In Berlin schafft man ja gerade in den Messehallen eine provisorische Klinik (die man vermutlich nie brauchen wird).

Christina

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Re: Alltag in Corona-Zeiten
« Antwort #88 am: 22. April 2020, 18:21:45 »
Drosten oder andere Mediziner sehen sich vielleicht auch als Gegengewicht zu vielen Politikern, die ständig auf Lockerungen drängen. Die ganze Situation ist furchtbar für die Wirtschaft und auch bei mir und Peter sieht es inzwischen alles andere als rosig aus, ich sehe aber auch die Zahlen und Zustände in Spanien, Italien und Teilen Frankreichs, New York und wenn wir das nicht bei uns erleben müssen, dann lohnen sich auch wirtschaftliche Probleme. Und wenn ich sehe, wie strikt die Regeln in China waren und noch sind, in Peking wurde die Quarantäne für aus dem Ausland Einreisende nun auf sogar drei Wochen verlängert, dann bin ich mir sicher, dass das Virus nicht zu unterschätzen ist, da in China die Wirtschaft doch einen extrem hohen Stellenwert hat, während das Wohlergehen der Bürger relativ unbedeutend ist. Für einen "harmlosen" Virus hätte man dort sicherlich ein derartiges Absinken der Wirtschaftsleistung nicht in Kauf genommen.




LG Christina

Rainer

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Re: Alltag in Corona-Zeiten
« Antwort #89 am: 22. April 2020, 18:59:55 »
Ich konstruiere mal eine Zukunftssicht, die (vielleicht) die eigentliche Problematik zeigt:

das Virus ist anscheinend hochansteckend, es ist insbesondere für sehr alte Menschen mit vielen Vorerkrankungen tödlich. Das Durchschnittsalter der Verstorbenen beträgt in Deutschland 81 Jahre (das ist enorm!).

Jetzt gehe ich mal vom "Best-Case" aus, es steht bereits im Januar eine Impfung zur Verfügung. So wie es eine Impfung gegen Grippe gibt. Wie sicherlich jeder weiß, wird die Grippeimpfung jedes Jahr in Deutschland wie "sauer Bier" angeboten, aber sie wird von weniger als 40% der Bevölkerung angenommen. Jetzt wenden wir diese Erkenntnis auf das Corona Virus an. Wir haben eine Impfung, aber max. 40% lassen sich überhaupt impfen. Insbesondere lassen sich alte Leute oft überhaupt nicht mehr impfen, egal wogegen. Auch das ist bekannt.

Jetzt haben wir also alles getan und alles erreicht - und was wird passieren? Es werden immer noch die alten Menschen krank werden, es werden Tausende sterben. Denn das Virus ist nun einmal vorhanden, das wird nicht verschwinden. Es werden nur die Menschen nicht erkranken, die sich per Impfung schützen. D.h. aber im Klartext, wenn man es dann endlich "laufen läßt" (wo ja alle Welt drauf wartet), dann wird es wieder "eine wuchtige Infektionswelle" geben und es werden Tausende und Abertausende alter Menschen sterben. Schlicht und ergreifend, weil es ganz vielen von ihnen (bereits heute) vollkommen egal ist. Was ist denn dann? Es ist nämlich gar nichts gewonnen, wenn sich nicht ausnahmslos alle Menschen impfen lassen und diese Vorstellung ist vollkommen unrealistisch. Das machen viele Impfgegner nicht, egal was ist.

Sollen wir also bis in alle Ewigkeit vor dem Virus vor Schrecken erstarren, weil es unter den alten resp. immungeschwächten Menschen besonders viele Opfer gibt? Es wäre zumindest konsequent, wenn wir auch dann weiter unsere Wirtschaft zerstören und opfern. Ich halte es für Wahnsinn. Aber ich habe noch niemanden getroffen, der diese Dinge mal bis zu Ende gedacht hat. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass mit dem Impfstoff die Welt so ist, wie sie vorher war. Das wird nicht so sein und deswegen müssen wir JETZT schon anfangen zu begreifen, dass es so ist, wie es ist und nicht in panischer Angst unsere ganze Wirtschaft zerstören. Ich finde es wirklich schrecklich und auch da haben wir erst die allererste kleine "Welle" hinter uns. Es wird noch viel mehr Leid und Arbeitslose geben, viel mehr Insolvenzen, das wird alles noch um Faktoren schlimmer werden, bis wirklich gar nichts mehr geht. Wenn nicht endlich mehr Wirtschaftsexperten gehört werden, die eben NICHT nur mit dem Finger wedeln und vor "wuchtigen Infektionswellen" warnen.