SO, 22.3.2015
Der Tag beginnt diesig und früher als gestern. Schon gegen 23 Uhr habe ich geschlafen und bin somit nun gegen 7.30 Uhr gut ausgeschlafen.
Nach dem Frühstück mache ich mich auf den Weg mit dem Taxi zum Victoria-Bahnhof, der Central Station, wo ich hoffe, die Dabbah Wallahs zu treffen. Der Taxi-Wallah, der mich vor dem Hotel als erstes anspricht, wird gleich von mehreren Kollegen lautstark in die Flucht geschlagen, was auch immer er wohl falsch gemacht haben mag, er springt panisch ins Auto und düst mit quietschenden Reifen davon. Ich nehme von den Kollegen trotzdem keinen. Sie wollen für die Fahrt zum Bahnhof einen Fixpreis von 150 Rupies. Der korrekte Preis betrage 50 Rupies, schätze ich, und liege genau richtig. Ich gehe einmal um die Ecke, und der erstbeste Taxifahrer fährt mich nach Taxameter für exakt den Preis.
Nun weiß ich auch wieder, warum ich für heute eigentlich bei Reality Tours die Dharavi-Tour gebucht habe. Ich wollte gerne unter der Woche in Mumbai unterwegs sein. Aber da die Company mich mangels Kundschaft für heute so nett gebeten hat mich der Tour morgen anzuschließen, stehe ich hier auf einem ziemlich leeren Bahnhof und kann wieder nicht die Dabbah Wallahs bewundern… Immerhin ist der Bahnhof World Heritage Site und verdient entsprechende Aufmerksamkeit.
Am Bahnhof vorbei mache ich mich auf den Weg zu den verschiedenen Märkten, die dahinter liegen und lande als erstes beim Crawford Market. Jemand erklärt mir, er sei staatlich verpflichtet mich über den Markt zu führen, das sei sein Job, “no money, Mam”. Ich gehe einfach weiter und er trollt sich, dann brauche ich ihn wohl doch nicht so dringend...
Es ist Mangosaison und einige der begehrenswerten Früchte landen in meiner Tasche, sicherlich immer noch zu teuer, aber egal. Nach zähen Verhandlungen zahle ich mindestens 50 Rupies mehr als ich zahlen wollte, aber immerhin auch 30 weniger als der “last price” des Mango-Wallahs ist. Im Nachhinein erfahre ich allerdings, dass ein Kilo Mangos derzeit noch 120 bis 150 Rupies kostet, also habe ich mich mit 150 Rupies wohl tapfer geschlagen.
Ich schlendere durch die bunte Markthalle mit Obst und Gemüse, in der leider auch bedauernswerte Tiere in der Hitze ohne Wasser in viel zu kleinen Käfigen auf einen Käufer warten. Am liebsten würde ich alle Katzen, Hunde, Tauben, Wellensittiche und Häschen kaufen und sie in Freiheit entlassen.
Knapp hinter der Markthalle liegt die Jama Masjid, die (noch?) verschlossen ist. Es schließen sich Marktgassen an.
Übrigens: Ich bin schon den zweiten Tag in Indien und bin noch nicht angegrabscht, übers Ohr gehauen oder übel angestarrt worden. Ich habe noch niemanden gesehen, der auf die Straße gep… hat und außer im Bahnhof bin ich noch nicht über so dreckigen Boden gegangen, dass ich befürchten musste mir Pest und Cholera bei einem Sturz zu holen, und auch der Bahnhof war nicht schlimmer als der meines Heimatortes in den 70ern.
Ich reagiere das eine oder andere Mal sicherlich etwas pampig, wenn jemand mir etwas aufschwatzen will, aber es überwiegen diejenigen, die einfach freundlich grüßen, Kinder, die “helloooooo” und “bye bye” sagen.
Es wird schon wieder verdammt heiß, sodass ich in einem Café den ersten Mangolassi dieses Urlaubs trinke. Ach, was sage ich, bei der Glasgröße nehme ich doch glatt gleich zwei! Leider sind die Dosas gerade nicht lieferbar, auf westliche Sandwiches oder Pizza habe ich keine Lust, also bleibt es dabei.
Ich lasse mich von einem Taxi zu den Hanging Gardens fahren. Diese liegen am Ende der Bucht, bzw. des Marine Drives, an dem auch mein Hotel steht, definitiv zu weit zum Laufen bei der Hitze! Das Viertel heißt Malabar Hill, eine der reichsten Gegenden Indiens.
Die Hanging Gardens sind mäßig spannend, so als Garten für sich betrachtet, aber auch hier liegt über allem ein indischer Sound und indisches Flair. Leute entspannen in Pavillons im Schatten.
Hinter den Hanging Gardens liegt die gruselige Bestattungsstätte der Parsen: Erde, Feuer, Wasser dürfen nicht mit Toten beschmutzt werden, und so werden hier in den Towers of Silence die Toten in Türme auf Gitter gelegt, sodass Aasgeier sie holen sollen. Die dann von der Sonne ausgetrockneten Knochen fallen dann durch das Gitter in den Turm. Da die Geier aber ausgestorben sind, was am Paracetamol liegt und ich nicht weiß, ob wieder welche angesiedelt wurden, wie 2012 geplant, weiß ich nicht, ob hier aktuell bestattet wird. Jedenfalls kreisen keine Geier hier und es liegen auch keine verlorenen Finger und Ohren zu meinen Füßen.
Ich gehe wieder den Malabar Hill hinunter, komme vorbei an ärmlichen Hütten der Obdachlosen aus einigen Latten und Planen und stehe plötzlich vor dem Hare Krishna Tempel.
Wow, hier geht die Post ab: Das Hare Krishna Mantra wird gesungen. Das ist ja ganz einfach, hat schließlich auch in die Popsongs meiner Jugend Einzug gefunden, und so singe ich mit, schwinge die Arme über dem Kopf, wenn es die anderen tun und klatsche mit, wenn es die anderen tun. Ebenso wie die Aussteiger in den 70ern sehen die Gläubigen hier sehr glücklich aus bei dem, was sie tun. Fotografieren ist erlaubt, ich werde von den Gläubigen angestrahlt und darf mich setzen, brav auf die Frauenseite rechts.
Ich höre ein wenig zu und gehe dann wieder. Hier hat es mir gefallen, sehr empfehlenswert!
Eher der Vollständigkeit halber gehe ich noch zum Chowpatty Beach, dem südlichen Stadtstrand von Mumbai. Im moderneren Norden gibt es noch einen anderen Strand, aber den werde ich wohl nicht zu sehen bekommen. Es sind einige Leute hier: Eisverkäufer, ein Mann schläft in der Gluthitze im Sand. In der trüben Brühe, die aus der Ferne so verlockend glitzert, badet niemand.
Ich will lieber am Pool schlafen und schnappe mir das nächste Taxi, das mich die letzten drei Kilometer für weniger als einen Euro zum Hotel bringt. Ich lasse mir die Mangos schmecken als Ersatz für das Mittagessen. Ansonsten endet der Tag wie der gestrige…