6. Tag – Samstag, 13.09.Bewölkt soll es heute werden, auch Regenschauer sind möglich. Da passt eine Waldwanderung bei der es nicht um Ausblicke geht, gut. Eine solche gibt es hier in der Umgebung natürlich auch und zwar unter anderem im Oulanka Nationalpark.
Der dortige Trail „Pieni Karhunkierros“ („Kleine Bärenrunde“) ist eine der beliebtesten Wanderungen in ganz Finnland, dementsprechend voll wird es wohl werden, zumal heute auch noch Samstag ist. Aber auch am Wochenende möchte man ja im Urlaub was unternehmen und ich hoffe, dass das eher schlechte Wetter den Wochenendeffekt wieder etwas ausgleicht.
Um viertel nach acht starte ich am Hotel, 1,5 Stunden später bin ich am tatsächlich riesigen (für finnische Verhältnisse) Parkplatz. Er ist schon gut gefüllt, aber weit entfernt von voll, mal sehen, wie das bei meiner Rückkehr aussehen wird.
Um 10 Uhr laufe ich los, gleich zu Beginn geht es über eine Hängebrücke. Sie führt über die Stromschnellen Niskakoski, hier hat der Fluss Kitkajoki, dem die Wanderung in großen Teilen folgt, eine Schlucht durch die Felsen gegraben und breitet sich dann zum See aus.
Nach ein paar Treppenstufen bergauf beginnt ein für finnische Verhältnisse gut zu begehender Waldpfad, der sich auch mal mit einem Holzbohlenweg abwechselt.
Bald ist ein malerisch verfallender Bootssteg erreicht
und gleich danach folgt eines der Highlights der Wanderung: die Stromschnellen von Myllykoski.
An dieser Stelle wurde 1926 eine Mühle errichtet, die Getreide unter Nutzung der Wasserkraft gemahlen hat. Heute kann sie zur Übernachtung (im Schlafsack) genutzt werden, daneben gibt es mehrere Grillplätze und Trockentoiletten. Die Wassermassen, die hier herunterrauschen sind wirklich gewaltig und man kommt dank einer Holzplattform an der Mühle auch ganz nah heran. Ich genieße den Anblick und das laute Rauschen ausführlich, kann auch mal eine besondere Funktion meiner noch recht neuen Kamera ausprobieren, den digitalen ND Filter (wie ich später sehe, hätte ich sogar eine geringere Filterdichte wählen können, das hätte zum „Weichzeichnen“ des Wassers auch gereicht, das ist auf dem kleinen Kameramonitor immer schwer einzuschätzen).



Hinter der Mühle teilt sich der Weg, ab hier wird er zu einer Wanderrunde, den bis jetzt gegangenen Weg muss ich auf dem Rückweg auch wieder nehmen. Die Hängebrücke, die man von den Stromschnellen aus sieht, wird (wenn man der Empfehlung der Nationalparkverwaltung folgt, was die meisten machen, ich auch) erst am Ende der Wanderung überquert, ich gehe aber schon mal rüber und mache ein paar Fotos, wer weiß, wie voll es nachher ist.
Nun geht es ein Stück bergauf, dann folgt der Weg in leichtem auf und ab der Abbruchkante der Schlucht. Meist versperren Bäume den Blick nach unten, an einem ersten Aussichtspunkt blickt man zurück auf die Hängebrücke und die Stromschnellen von Myllykoski (die Mühle selbst ist nicht zu sehen), eine weitere Hütte ist ebenfalls zu sehen.
Zehn Minuten später erblickt man die trotz der Entfernung sehr beeindruckend aussehenden Stromschnellen Aallokkoski.
Weitere Ausblicke folgen: auf die Felsen der Schlucht, einen Wasserfall und eine Flussinsel (Kalliosaari).
Dann geht es ein Stück steil bergab bis auf Höhe des Flussufers, hier stehen zwei Rasthütten mit Grillplätzen.
Bald darauf wendet sich der Weg vom Fluss ab und führt durch den Wald.
Zur Mittagzeit mache ich eine Pause auf einem Baumstamm und esse ein belegtes Brötchen. Die Gegend muss im Sommer ein Mückenparadies sein, ohne Kopfnetz und Handschuhe hat man wohl keine Chance, auch jetzt sind noch einige der Biester unterwegs, sie stechen allerdings nicht, bis auf ein paar Ausnahmen und ich hole mir tatsächlich noch einen Stich am Handgelenk (der mich den gesamten restlichen Urlaub begleiten wird).
Eine weitere Hängebrücke führt später über den an dieser Stelle ruhig und breit dahinfließenden Kitkajoki, diese wackelt extrem und mir wird tatsächlich etwas flau im Magen davon, echt schlimm wie wenig schaukeln inzwischen dafür ausreicht bei mir, ich könnte wohl nicht mal mehr im Kinderkarussell mitfahren, ohne dass mir schlecht werden würde

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Dann wird es sehr feucht und moorig, teilweise geht der Weg über Holzbohlen durch eine vom Fluss weitgehend abgeschnittene ruhige Bucht, diese ist ein wichtiger Laichplatz für Fische.
Schließlich kommt man nochmal an ein paar kleineren Stromschnellen vorbei, auch sehr hübsch anzusehen mit den bemoosten Steinen im Wasser.
Dann muss ich noch eine endlos lange Treppe hinauf klettern, hier staut sich der Verkehr etwas, das ermöglicht immerhin viele Verschnaufpausen, an Fotos denke ich aber leider gar nicht.
Der Kreis schließt sich mit Überquerung der Hängebrücke an den Stromschnellen von Myllykoski. Gut, dass ich die Fotos schon am Beginn der Wanderung gemacht habe, denn nun ist es richtig voll. Viele Wanderer, aber der Kleidung nach auch viele, vor allem junge Leute, die wohl nur vom Parkplatz bis zu den Stromschnellen gehen und hier an einem der Grillfeuer den Nachmittag verbringen.
Auf dem letzten Abschnitt, der mit dem Beginn der Wanderung identisch ist, gibt es die Möglichkeit einzukehren im (privat betriebenen, da gerade an der Grenze vom Nationalpark liegenden) Oulanka Base Camp mit Restaurant, Übernachtungshütten, Hotelzimmern und Campingplatz. Dorthin zweigen einige der anderen Wanderer ab, ich möchte aber vor einer Pause die Wanderung komplett beenden, meine Schuhe wechseln und den Rucksack ablegen.
Das Auto erreiche ich gegen 14.30 Uhr und fahre dann zum sich an anderer Stelle des Nationalparks befindlichen Besucherzentrum mit Restaurant, Souvenirshop und Ausstellung, das sind etwa 20 km, überwiegend auf einer unbefestigten Straße.
Anders als am Wanderweg der Kleinen Bärenrunde (der Parkplatz war jetzt tatsächlich zu etwa 90% belegt) ist hier nicht viel los, da tut es mir um das schön gestaltete Besucherzentrum bzw. das Personal dort fast leid. Im Restaurant bestelle ich einen Rentierburger mit Pommes, auch wenn die Mittagszeit schon lange vorbei ist, habe ich gerade so richtig Lust darauf (zusammen mit einem Kaffee EUR 21,70). Auch hier gibt es ein Lunch Buffet, aber eine reduzierte Version davon, als Suppen Buffet, da hat mich der Burger mehr gereizt.
Nach dem leckeren Essen schaue ich mich im Souvenirshop um, kaufe aber nichts, einen Aufkleber mit dem Nationalparklogo gibt es leider nicht.
Danach gehe ich noch durch die Ausstellung, sehr interessant ist der Teil über die hier zahlreich lebenden Bären (daher der Name Bärenrunde), da hier ganz anders mit ihnen umgegangen wird als in den nordamerikanischen Nationalparks, die für mich bisher die einzigen Orte mit möglicher Bärenbegegnung waren und deshalb für mich einen gewissen „Maßstab“ gesetzt haben (auf diese oder andere Gegenden mit möglicher Begegnung von Mensch und Bär wird in der Ausstellung aber nicht eingegangen, da geht es nur um die Bären hier).
Anders als in den nordamerikanischen Nationalparks gab es hier noch nie eine Begegnung zwischen Wanderer und Bär, die mit einer Verletzung oder gar dem Tod des Wanderers geendet hat, nur Jäger wurden schon angegriffen. Es gibt hier auch keine Bärenboxen oder irgendwelche Regeln hinsichtlich der Aufbewahrung von Lebensmitteln bei Wanderungen und Zeltübernachtungen im Park. Die Bären sind extrem scheu, man kann sie eigentlich nur auf geführten Touren (außerhalb des Nationalparks) sehen. Bären sollen einen Menschen (der sich ganz normal beim Wandern fortbewegt, irgendwelche Maßnahmen, wie laut reden oder singen braucht es nach dem Text hier nicht) schon von weitem hören und ihn dann meiden. Hier wird empfohlen, dass man sich erstens freuen soll, wenn man doch mal einen Bär sieht und sich dann zweitens langsam zurückziehen und dabei ruhig auf den Bären einreden soll.
Hinsichtlich der Anzahl der Bären hier und in nordamerikanischen Nationalparks habe ich leider keine Vergleichszahlen, vielleicht gibt es hier wesentlich weniger, ein großer Unterschied ist aber, dass die Bären hier gejagt werden. Die Grenze zu Russland ist ja ganz nah, auf der anderen Seite der Grenze ist wohl Wildnis, da wohnt in weitem Umkreis überhaupt niemand. Zur Jagdsaison ziehen sich die Bären daher nach Russland zurück, dort sind sie sicher vor den finnischen Jägern. Später kommen sie dann wieder nach Finnland, auch zum Überwintern, zurück.
Viertel nach vier fahre ich zurück nach Kemijärvi, eine sehr anstrengende Fahrt, immer wieder sind Rentiere auf der Fahrbahn und das bei schlechter werdender Sicht, es setzt dann sogar heftiger Regen ein, die vielen Spurrillen in den Straßen führen immer wieder zu Aquaplaning.
In Kemijärvi scheint dann wieder die Sonne, heftig geregnet hat es hier aber auch, immer wieder steht eine Hälfte der Fahrbahn völlig unter Wasser, man muss warten, bis kein Gegenverkehr kommt, um den „See“ auf der gegenüberliegenden Fahrspur zu umfahren.
Ich tanke noch und bin gegen viertel vor sechs zurück im Hotel.
Am späteren Abend bekomme ich urplötzlich Schmerzen im unteren linken Rückenbereich, ich kann mich fast nicht mehr bewegen, auch das Auftreten mit dem linken Fuß schmerzt höllisch – oh man, was ist das nur? Hexenschuss, Nierenprobleme, eine (an)gebrochene Hüfte (Osteoporose)? Ich bin tatsächlich am Überlegen, die finnische Notfallnummer 112 anzurufen, allerdings könnte ich ja nicht mal mein Zimmer verlassen und die Eingangstüre zum Hotel öffnen (und sonst ist ja niemand da im Hotel), da müsste ich den Sanitätern den Türcode mitteilen.
Ich schaffe es schließlich noch irgendwie meine Zähne zu putzen und mich ins Bett zu legen und beschließe, bis morgen abzuwarten, vielleicht wird es über Nacht ja wieder besser.
Wetter: bewölkt, vormittags hin und wieder leichter Nieselregen, spätnachmittags heftiger Regenschauer, dann sonnig, ca. 13° - 16°C
Wanderung: Pieni Karhunkierros = Kleine Bärenrunde im Oulanka Nationalpark, entspricht Rother Lappland Nr. 57, 12,66 km, 341 m Anstieg
Unterkunft: 5 Nächte Academy Hotel in Kemijärvi, ohne Frühstück, EUR 475,00, gebucht über die Hotelwebsite