12. Tag, Freitag, 19.09.
Heute steht die letzte Bergwanderung des Urlaubs an und obwohl der Urlaub noch einige Tage andauert, bin ich deshalb ein bisschen wehmütig.
Allerdings bin ich oder besser gesagt muss ich deswegen auch froh sein, denn ich würde wohl gar keine weiteren größeren Wanderungen machen können, nicht wegen meines Rückens, der hat sich inzwischen wieder beruhigt und ich kann die Anzahl der Schmerztabletten schon reduzieren, auch mein Fersensporn macht kaum mehr Probleme, nein, es geht um mein rechtes Knie.
Die OP war ja Anfang Juni und nach der vierwöchigen Ruhezeit war es sehr mühsam und vor allem langwierig, bis ich wieder schmerzfrei auch längere Strecken gehen konnte. Dass ich immer mal wieder Schmerzen habe würde, gerade gegen Ende von längeren Wanderungen war klar, eine große Enttäuschung ist für mich aber, dass es im Laufe der Urlaubstage immer schlechter geht und zwar durchgängig, auch an Tagen ohne Wanderung.
Nach dem wieder leckeren Frühstück vom Hotelbuffet fahre ich gegen 9 Uhr in den südlichen Teil des Pallas-Yllästunturi Nationalpark zum Parkplatz beim Besucherzentrum Kellokas in der Nähe des Ortes Ylläs gelegen.
Für heute ist Sonne vorhergesagt und die scheint auch schon während der einstündigen Fahrt, aber als ich mich dem Parkplatz nähere, er liegt einige Höhenmeter oberhalb des Ortes und eine Serpentinenstraße führt dorthin, wird es trüber und je höher ich komme, umso nebliger, das kann jetzt doch nicht wahr sein. Leider aber doch, am Parkplatz bin ich von Nebel umgeben, die Berge sind nicht zu sehen. Ich bleibe erstmal im Auto und überlege, ob hier eine Wanderung überhaupt sinnvoll ist, ich möchte schließlich nicht nur durch den Nebel laufen, die Frage ist aber, wo ist kein Nebel, welche Wanderung ist statt der hier geplanten sinnvoll?
Der Parkplatz füllt sich nach und nach, ich steige also auch mal aus und gehe ins Besucherzentrum, schaue mir die Ausstellung an und finde sogar den gewünschten Aufkleber mit Nationalparkemblem, den ich gestern im Hotel Pallas nicht bekommen habe. Ich frage das Mädel am Tresen, ob sie mehr Infos zum Wetter hat, hat sie aber nicht, sie sagt nur, was ich schon weiß, dass nämlich Sonne vorhergesagt sei und sie hoffe, dass sich der Nebel später noch lichte.

Neben der Ausstellung im Besucherzentrum zur Natur des Nationalparks gibt es in einem kleinen Nebengebäude eine kostenlose Ausstellung zum Leben der Holzfäller in früheren Zeiten, ein Beruf, der in Finnland mit seinen endlosen Wäldern eine große Bedeutung hatte (und auch noch hat, heute machen aber natürlich Maschinen die schwere Arbeit). Das Ausstellungsgebäude ist eine ehemalige Unterkunft der Holzfäller, eine Art Pension, die Holzfäller arbeiteten in den Wintermonaten und lebten auf eigene Kosten in solchen Unterkünften, die neben einem Bett auch Verpflegung anboten – was für ein hartes Leben und das bis in die sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts.
Gegen halb elf wandere ich dann los, ein kleines bisschen heller ist es inzwischen geworden am Himmel.
Zunächst führt mich der Weg leicht bergab durch den Wald und geht dann in eine herrlich grüne Schlucht über, die zum Schutz der Natur komplett mit Holz- und Metallbohlenwegen ausgebaut ist. Auch ohne Sonne ist es toll hier, überall plätschert es, Farne, Moos und Pilze wachsen in Massen und überwuchern jegliches Totholz. Sogar „Spanish Moss“, das ich aus den amerikanischen Südstaaten kenne, hängt hier an einigen Zweigen.
Gegen Ende der Schlucht gibt es noch einen doppelten Wasserfall zu bewundern,
dann führt der Wanderweg bergauf und schon bald ist die Baumgrenze erreicht.
Der Weg (und zwar die gesamte Runde) ist mal ausnahmsweise richtig einfach zu gehen, denn er wird nicht nur zum Wandern, sondern auch zum Mountainbiken genutzt. Zum Glück hält sich die Anzahl der Fahrradfahrer sehr in Grenzen, das kann sonst schnell sehr nervig werden. Bei den Fahrrädern handelt es sich überwiegend um Fatbikes, mit diesen scheint es einfacher zu sein über unebenen Untergrund zu fahren, als mit normalen Mountainbikes.
Zum Glück lichtet sich der Nebel nach und nach, die Umgebung nicht sehen zu können, wäre doch richtig schade. Denn der Pfad führt nun mitten durch eine Steinschlucht, links und rechts ragen geröllbedeckte Berghänge auf und in der Ferne ist der Blick in die weite Ebene schon zu erahnen.
Blick zurück:
Am Ende der Schlucht geht es wieder leicht bergauf auf einem weiterhin gut zu gehenden Erdpfad, der nun durch die herbstlich bunte Vegetation führt. Immer wieder kommt die Sonne heraus und man kann den Blick von den benachbarten Berggipfeln bis über die wald- und seenreiche Ebene mit weiteren Bergen in der Ferne schweifen lassen – wunderschön.







Etwas entfernt von mir sehe ich ein Paar, das am Rande des Wanderwegs steht und dauernd in Richtung der Ebene schaut, hm, ist die Aussicht von dort so viel besser als bisher, das kann ich mir gar nicht vorstellen. Aber ich blicke natürlich dann auch dorthin und kann erst nichts Besonderes erkennen – bis ich den Blick von der Ferne abwende und auf die Fläche direkt vor mir schaue- das was ich beim flüchtigen Darüberschauen für Felsbrocken und Holzstämme gehalten habe, sind nämlich sitzende und liegende Rentiere, perfekt getarnt, ohne das Paar hätte ich sie vielleicht übersehen, obwohl sie nur etwa 20 Meter entfernt vom Weg liegen. Ach wie toll, ich bin begeistert und beobachte die Tiere eine ganze Zeit lang, interessant wie manche den Kopf samt Geweih ganz auf den Boden senken, kann ich verstehen, so ein Geweih wiegt sicher so einiges. Im Allgäu /den deutschen Alpen gibt es den Spruch „wenn die Kühe liegen ist und bleibt das Wetter schlecht“, das gilt wohl auch für Rentiere in Finnland

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Zur Mittagszeit erreiche ich eine Rasthütte mit Grillplatz. Die Hütte ist schon voll, aber an der großen Feuerstelle ist noch ein Plätzchen frei. Ich habe zwar keine Bratwurst oder sonstiges zum Grillen dabei, aber das Feuer wärmt mich beim Essen von meinem belegten Brötchen, heute ist es kälter als noch gestern und die Wärme tut richtig gut.
Nach der Pause
komme ich bald an eine Wegkreuzung, ab hier führt der Wanderweg steil nach oben durch ein Geröllfeld, aber weiterhin auf gut begehbarem und gut sichtbarem Pfad.
Leider zieht nun eine Regenwolke oder Nebelbank herein, um mich herum ist nur noch grau zu sehen und dann fängt es auch noch an zu regnen, dazu ein kalter Wind. Ich ziehe alle verfügbaren Kleidungsstücke an, Mütze, darüber die Kapuze und Handschuhe und gehe so schnell wie möglich nach oben – das ist so richtig unangenehm.
Eine halbe Stunde dauert der Spuk, dann habe ich den höchsten Punkt erreicht und es wird wieder trocken, man sieht wieder was von der Umgebung und die Handschuhe können wieder in den Rucksack.
Der Wanderweg führt nun auf der steilen Skipiste nach unten, immerhin besteht der Weg aus Erde, die weder rutschig noch matschig ist und die Ausblicke entschädigen für die Steigung.
Zum Schluss geht es nochmal durch den Wald oberhalb der Schlucht, durch die ich am Beginn der Wanderung gelaufen bin.
Gegen halb drei bin ich dann wieder am Auto. Etwas Warmes zu trinken und essen wäre jetzt nett, im Gebäude des Besucherzentrums gibt es ein Restaurant/Café, ich habe aber gelesen, dass es seit einiger Zeit geschlossen ist. Ich schaue trotzdem mal nach (und mit mir ein paar andere Wanderer), aber tatsächlich, es stehen zwar noch Tische und Stühle und sogar die Theke mit Glasvitrinen herum, diese sind aber leer, der große Raum wird nun zum Unterstellen von Mountainbikes, die man hier mieten kann, genutzt. Schade, aber ich bin ja vorbereitet und habe mir ein anderes Restaurant für diesen Fall schon mal zu Hause rausgesucht.
Ich fahre in den Ort Ylläsjärvi bzw. zu dessen Gondelstation Ylläs Ski Resort, wo es Hotels, Apartments, Geschäfte und ein paar Restaurants gibt. In einem davon („Ylläs Kota“) esse ich nochmal einen Rentierburger mit Pommes, dazu einen Eistee und danach einen Kaffee (EUR 23,00).
Danach fahre ich zurück ins Hotel. Weder das Wetter (auch hier inzwischen die Sonne verschwunden und Hochnebel bedeckt den Himmel) noch mein Knie verleiten mich zu einem nochmaligen Stadtbummel in Levi, ich bleibe im gemütlichen Zimmer.
Wetter: neblig, bewölkt, kurz mal sonnig, ca. 7° - 10°C
Wanderung: Keskisenlän kierros (entspricht Rother Lappland Nr. 40) 12,55 km, 483 m Anstieg
Unterkunft: 3 Nächte Hotel Hullu Poro in Levi, mit Frühstück, EUR 205,00, gebucht über die Hotelwebsite