Habe ich eigentlich mal erzählt, wie alles losging? Das mit den USA und damit, dass einem das Land nicht loslässt? Nein? Ok, dann hier die Story. Die Photos sind zwar nicht die besten - alte Diapositive - aber das gehört einfach zur Zeit von 1981.
Nun, jedenfalls nicht geplant, sondern fremdbestimmt und überraschend. 1979 hatte ich mein Studium mit Verzögerung durch familiäre Geschehnisse - mein Vater war früh verstorben - beendet und eine Stelle als Entwicklungsingenieur bei einer Firma angetreten, die in der damals boomenden Logikanalyse zu den weltweit führenden Unternehmen gehörte. Gross war der Laden nicht, bestand aus einem Haufen Individualisten und expandierte gerade in die USA. In Deutschland waren wir ca. 25, in den USA noch bestenfalls 5. Klein und überschaubar. Sehr schnell spezialisierte ich mich auf Hardware-Entwicklung, Kenntnisse der Signalaufzeichnung an Mikroprozessoren kamen hinzu. Engagement war keine Frage, das brauchte und hatte man und ein 8 Stunden - Tag war eher die Ausnahme. Logikanalyse war zu der Zeit so etwas wie Goldgräberei - Heydays eben.
Und dann geschah es. 1981 im April. Unsere US-Kollegen - inzwischen einige 30 - hatten mit der Produktion der Geräte begonnen. Das waren damals noch richtige IC-Gräber mit Hunderten diskreter digitaler Bausteinen. TTL und ECL (nach heutigen Begriffen so energieoptimiert wie ein amerikanischer V8-Motor der 50er Jahre!). Einige der Geräte verhielten sich merkwürdig, sie arbeiteten normal, zeigten aber die Ergebnisse und Einstellungen nur im Zeitlupentempo an. Man konnte auf dem Bildschirm wirklich jedes Character einzeln begrüssen. Die Kollegen kamen nicht weiter, ungewöhnlich verhaltende Geräte stapelten sich, - sie konnten in diesem Zustand unmöglich ausgeliefert werden. Es war zum Haareausreissen!
Mein Chef und Besitzer des Unternehmens sah, das etwas geschehen musste, fragte mich, ob ich nicht nach Californien gehen wolle um das und ein anderes Problem in den Griff zu kriegen. Dabei könnte ich noch die NCC (National Computer Conference) in Chicago besuchen und auf der Ausstellung unsere (meine) neueste Entwicklung vorstellen. Zwei Wochen Zeit zur Vorbereitung! Als erstes organisierte mir mein Chef, der Jahre in den USA gelebt hatte, eine American Express Card, für die das Unternehmen bürgte. Sonst wäre das damals nicht so schnell gegangen - wer hatte 1981 in Deutschland schon eine Kreditkarte? Ein Visum musste her, das war vorgeschrieben und ich sollte in den USA arbeiten. Also gabs Schreiben des Unternehmens und ganz schnell ein Visum für Business und Travel. Mein Chef erklärte mir noch die zwei aus seiner Sicht wichtigsten Dinge der Nahrungsaufnahme in den USA: Erstens - bei der Kette "Wiener Schnitzel" gibts keine solchen und zweitens - bestelle nie die grösste Ausführung einer Pizza, wenn du alleine speist!
Am Sonntag, den 3. Mai 1981 gings von Frankfurt an Bord einer TWA - 747 nach New York. Unser Finanzchef war auch dabei, aber durch kurzfristige Buchung sassen wir nicht zusammen. Er wollte in N.Y. nach San Francisco umsteigen, ich sollte erst mal weiter nach Chicago fliegen. Das Beste - mein Platz war auf dem Oberdeck! Da gabs damals noch die Business Class! Klasse! Eine eigene Stewardess für vielleicht 12 Leute.Und eine eigene Toilette. Dafür keine Filme.
Boeing 747 der TWA auf dem Frankfurter FlughafenNicht mein erster Flug, aber der erste mit solch einem grossen Flugzeug und der erste Transatlantikflug.
Nach ruhigem Flug die Skyline von New York. Interessant, aber nicht überwältigend. Dann ein Absturz! Der Jumbo muss aus mehreren Metern Höhe auf die Landebahn gefallen sein. Die Stewardess sah, dass es in der Bordküche krachte, schrie auf und dann fiel das Gerät zum zweiten Mal zur Erde. So heftig, dass Teile aus der Küche brachen, die Trümmer auf dem Boden lagen. Trotzdem stiegen wir alle heil aus. Zwei- und etwas Stunden Zeit bis zum Weiterflug. Mein Kollege und ich kamen gut durch die Immigration, warteten aufs Gepäck. Das kam nicht. Ob es mit der "Landung" zusammenhing? Info gabs auch nicht. Wir wurden langsam nervös. Nach eineinhalb Stunden dann das Gepäck! ImTiefflug durch Customs und wieder einchecken. Kollege zuerst! Rennt weiter, lässt die Tickets liegen. Die Lady hinterher und ich steh wieder dumm herum! Dann klappts doch noch und wundersamerweise erreiche ich den Flieger im letzten Moment. Sie wollten gerade die Türen schliessen.
Nassgeschwitzt! Dann etwas Ruhe auf dem relativ kurzen Flug nach Chicago. Raus ohne Kontrollen weil Inland. Das Gepäck war auch schnell da. Ziemlich müde ein Taxi genommen - so schlau, mir ein Auto für Chicago zu reservieren, war ich noch nicht - und dem Driver die Hoteladresse gegeben. $ 34 bezahlt. Verdammt, was heisst nun gleich “Quittung”? Hundemüde im Hotel! Und dann der nächste Schock! Ich hatte elektronische Equipment für die Messe mit. Auf Carnet, das am Ankunftsflughafen vom Zoll hätte abgestempelt werden müssen. Hatte ich natürlich in der Hektik vergessen. Was tun? Taxi geordert, zurück zum Airport, zu Customs und dort mit meinem Schulenglisch erklärt, was passiert war. Der Officer grinste breit und stempelte mir das Carnet ohne jede Prüfung ab. Mann, war ich froh! Das wartende Taxi brachte mich zurück zum Hotel. Preis: $20 für die doppelte Strecke plus Warterei. Da war ich also vom Ersten als Greenhorn erkannt und abgezockt worden - wahrscheinlich dreimal im Kreis gefahren. Danach nur noch Schlafen.....und natürlich nachts um 2 aufwachen und hellwach. Hello jetlag, here I am!
Am nächsten Morgen holten mich Kollegen ab und fuhren mit mir zum McCormic Place, dem Messegelände direkt am Seeufer. Da stand ich nun in der Booth (Messestand) und sollte mein neues Produkt erklären! Meine Güte, war das holprig. Beeindruckend die Toleranz der Amerikaner. Die fragten einfach dreimal, wenn mein Englisch unverständlich war. Noch beeindruckender war, dass die Leute von Hewlett Packard und Tektronix kamen um die Neuheiten des kleineren Mitbewerbers zu begutachten. Hey - die betrachteten uns als erstzunehmend. Und das war mein Produkt! Abends dann zum Presseempfang eines Verlags und gelernt, dass man Weisswein mit Eiswürfels servierte. Drei Tage hab ich Messe gemacht, die fremde Sprache wurde flüssiger. So, dass ich mich getraute, meinen Flug selbst umzubuchen und einen Tag früher zu fliegen. In San Jose, CA wartete noch genug Arbeit!
Lake Shore Drive und McCormick Convention Center - Sears Tower im Hintergrund. Die bulligen Fronten amerikanischer Pkw´s sind inzwischen Geschichte Einen Direktflug konnte ich nicht mehr ergattern, also Umsteigen in Phoenix. Ein ruhiger Flug mit einer 707. Anflug auf den alten Airport von Phoenix. Die Maschine geht runter, unten nur Wüste. Immer tiefer, knapp vor dem Aufsetzen ein Drahtzaun und unten waren wir. Der ging vielleicht in die Eisen! Und bog noch mit einger Geschwindigkeit von der Bahn ab. War auch gut so, die war nämlich zuende! Umsteigen, weiter nach SFO! Unterwegs das erste Mal aus dem Flieger Wüstengebiete gesehen - mit einsamen Wegen! Was würde es da zu entdecken geben? Die Infektion begann. Unmerklich!
Boeing 707 Cabin. Luggage Bins mit Deckel gabs noch nicht.Erstmals der Anblick von Wüste. Heute sehe ich die Road - damals? Aber auch ohne Erfahrung graphisch eindrucksvoll.Am Airport in San Francisco holte mich ein (deutscher) Kollege mit dem Firmentransporter ab. Einem VW Dasher Diesel mit diesen merkwürdigen, selbstanlegenden Gurten! 55 mph auch auf dem Freeway 101! Hey, der Wagen hatte den Firmennamen auf der License Plate! Als ersten Leihwagen gabs dann in San Jose ein Toyota Celica Coupe. Nett! Das Hotel bestand aus kleinen Holzhäusern rund um einen Pool. So etwas kannte ich auch noch nicht. Nur - dass die da noch keine Fernbedienung fürs TV hatten war schon irgendwie rückständig. (damals normal, wie ich später lernte). Und das ständige Ändern der Farben nervte - NTSC = “Never the same color” eben!
Solche Nummernschilder kannte das Greenhorn natürlich nicht!Komfortable Unterkunft La Hacienda Inn in Los Gatos, CALos Gatos, La Hacienda Inn: Die kleinen Bungalows gruppieren sich um einen Pool. Die technischen Probleme im Unternehmen waren schnell lösbar. Aber ich trampelte erst mal bis zu den Achseln in diversen Fettnäpfchen herum. Amerikaner sind doch so locker! Von wegen - nicht unbedingt im Business. Da stand nun der junge ausländische Ingenieur in Jeans und Tshirt. Napf Nr.1. In der Position war Hemd und Schlips angesagt, um sich vom handarbeitenden Fussvolk abzugrenzen. Gab es nicht in meinem Gepäck, also mussten sich die amerikanischen Kollegen an meine saloppe Aufmachung erst mal gewöhnen. Fettnapf Nr.2 - ich ging ins Prüffeld und fragte einen Prüfer, wo ein Arbeitsplatz frei wäre. Lötkolben, Oszilloskop und ein paar Tools wären gut. Und natürlich ein Gerät mit dem sagenhaften Fehler. Hat er alles in kürzester Zeit organisiert und sein Boss war sauer! Der fühlte sich übergangen! Wie konnte ich nur! Naja, wir rauften uns zusammen - dass die Kollegen ihre technische Probleme vom Tisch bekamen half schon ein bischen. Einem Moonshiner ohne wirkliche technische Ahnung nahm ich das Projekt ab und stand in Napf Nr. 3. Das war ein Kumpel des Bosses der US - Dependance. Zum Glück hatte mir der Owner dazu ausreichend Kompetenzen übertragen. Cultural clash eben!
Jeden Abend ging es los, um was vom Land zu sehen. Bis es dunkel wurde und dann im Dunkeln zurück nach Los Gatos ins Hotel. San Francisco musste sein, ich war ja noch fast 69er - Generation und hatte meinen Scott McKenzie, Janis Joplin, Jefferson Airplane, Eric Burdon ("This following program is dedicated to the people of San Francisco....."; San Francisco Nights) im Ohr. Hab Haight/Ashbury gesucht und gefunden, war furchtbar enttäuscht. Aber Mann, du bist in San Francisco! Da war der Pazifik und dort drüben lag Japan! Eigentlich nicht zu begreifen, denn zu der Zeit, als ich aufwuchs, war USA für Leute meiner Herkunft noch genauso gut erreichbar wie der Mond! Die Golden Gate Bridge hat mich sehr beeindruckt! Die Cable Car fuhr wegen eines grossen Revisonsprogramms nicht. Schade, aber man kann nicht alles haben!
Streets of San Francisco. Die Ampeln auf der anderen Seite der Kreuzung lernte man sehr schnell schätzen.
China TownTransamerica BuildingGolden Gate - what a bridge! Farbige Bordsteinmarkierungen waren Zeichen aus einer anderen Welt!Bei den Autos fühlte man sich gelegentlich recht heimisch.Vieles war neu - die Läden hatten immer auf, es gab sogar Drive - In Pharmacies. Nur nach 9 Uhr abends was zu essen zu bekommen, wenn man kein Fast Food wollte, das war schwierig! Zum Glück gabs Hannagan`s und da kriegte man noch bis 12 eine Pizza! Die kleine natürlich. Und die Tankstellen waren sowas von rückständig! Da musste man noch händisch mit Hebel das Zählwerk auf Null setzen!
Einmal nach dem Dunkelwerden war ich auf dem Rückweg. Ein kleines Landstädchen, mein Auto wollte Benzin, mein Magen Kalorien. Da gabs Gas Station und Pizzaladen. Ok, das war die Lösung. Erst Tanken, dann Pizza. Im Wilden Westen kam das Pferd auch zuerst! Bestellt wurde am Counter. Drüber ein Sign "Löwenbräu". Klasse! Ich orderte meine Pizza - klein natürlich! - und "a Löwenbräu!" Antwort: "A what?" - "A Löwenbräu!" - "What?" Ok, die Lady verstand mich nicht, also hab ich aufs Sign gedeutet. Ein Grinsen konnte sie sich nicht verkneifen "Ok, a Loowenbrau!". Mit ganz grossem "O"!
Samstags machte ich mich dann früh auf den Weg. Sequoia National Park. Weit wars und im kalifornischen Zentraltal kapierte ich, dass das Land viel grösser als Europa war. Weniger besiedelt vor allen Dingen, was man ja vom Silicon Valley nicht sagen konnte. Die Sequoias waren überwältigend, das begann schon am Big Stump Entrance. Obwohl man die wahre Grösse irgendwie nur dann realisieren konnte, wenn man zugleich Menschen oder ein Auto sah. Kings Canyon musste es auch noch sein! Immer in Eile, wie es USA - Anfänger zumeist sind. Und dort gabs den "Natural Trail" - ein Stück Waldweg, dass man befahren durfte. Sozusagen mein erstes off pavement - Erlebnis und in der Nachschau ziemlich prägend. Nebenbei, - die Berglandschaft der Sierra Nevada beeindruckte, stand aber hinter den Sequoias zurück, denn die Alpen kannte ich schon.
California Central Valley - erster Eindruck der wahren Dimensionen des Landes. Fahren, fahren, fahren! Mit 55 mph!Im grossen Wald - Sequoia National ParkGeneral Sherman Tree, - “the Nations Christmas Tree” - beeindruckend!Andere Dimensionen - Bäume und Autos!Kings Canyon - Sierra NevadaKings Canyon - Natural Trail Sonntags rüber nach Santa Cruz und Monterey, natürlich mit 17 Miles Drive und noch einem Stück Big Sur. Wunderschön. Das hätte meiner damaligen Freundin (und heutigen Lady!) gefallen! Nächstes Mal! Noch einmal nach San Franciso und Sausalito. Und hinauf zum Lick - Observatorium auf dem Mt. Hamilton östlich von San Jose, das man von der Firma aus sehen konnte. Ein wunderschöner Ausblick! Dass es dahinter richtig einsam wurde, hab ich erst später erfahren.
Sausalito, die Antithese zum Silicon ValleyDas Firmengebäude stand übrigens nur wenige hundert Meter von der San Andreas Fault entfernt.
Dann war die Zeit um, die Probleme gelöst, also kein Grund mehr zum Bleiben. Schliesslich war das ein Business-Trip und kein Urlaub! Flug von San Francisco nach New York. Die Maschine musste dann wegen Unwettern an der Ostküste in Washington landen, stand über 4 Stunden am Boden. In N.Y. war der Flieger nach Frankfurt natürlich längst weg. Über Warteliste auf einen Jumbo mit Destination London gelangt, dort nach Frankfurt umgestiegen und mit 10 Stunden Verspätung angekommen. Horror!
Meine Frau holte mich ab - man hatte ihr die Verspätung mitgeteilt. Und dann war viel zu erzählen - bis Mitternacht! Um die 50 Dias hatte ich mitgebracht - die gabs allerdings erst später.
So war das mit der Infektion! Das Virus wirkt noch heute, die Symptome haben sich immer weiter verstärkt. Ob mein Chef wusste, was er lostrat? Vermutlich nicht, aber vielleicht sieht er es heute von seiner Wolke - leider ist er viel zu früh in den USA verstorben - und erfreut sich ein bischen daran, was er angerichtet hat.
Gruss
Rolf