Wir lassen uns zum Hotel fahren und einigen uns auf eine Abfahrtszeit um 9 Uhr in Richtung Agra.
In der Lobby plaudern wir ein bisschen mit dem Concierge, der uns gestern das Kino klar gemacht hat, über den gesehenen Film.
Er erzählt uns, dass eine Veranstaltung, zu Ehren des Gründers der Lalit Hotelkette, für die Hotelangestellten stattfindet.
Ob wir ein bisschen zusehen wollen? Na klar!
Und so schauen wir bei einer Modeschau zu, bei der die Angestellten die Models sind an und noch eine paar Programmpunkte wie singende und tanzende Kinder der Angestellten.
Das Volk johlt und ist ganz aus dem Häuschen.
Wieder im Hotelzimmer pflegt Harald seinen Durchfall mit Bananen und Imodium.
Bei mir sind alle Körperfunktionen normal und so beschließe ich, etwas ganz dekadentes zu tun und bestelle eine Pizza Primavera beim Zimmerservice.
LECKER! Ob ich jemals wieder zu unserem Marionetten-Inder nach Baden-Baden zum essen gehen werde?
Mittwoch: Wir haben gestern schon vom Hotel Bescheid bekommen, dass heute eine Privatfeier im Hotelstattfinden wird.
Deshalb wird das Frühstück kurzerhand in ein anderes Restaurant im ersten Stock umgelegt.
Heute Morgen wird klar, es ist eine Hochzeit!
Alles ist und wird noch aufwendig geschmückt.
So ein PECH! Einen Tag zu spät. Wie gerne hätte ich das Spektakel gesehen.
Das Frühstück ist heute aufgrund der Hochzeitsgäste rein indisch.
Harald schlägt, seine aus den Fugen geratenen Körperfunktionen zum Trotz, genussvoll zu. Ich halte mich ans Gebäck- und Süßigkeitenbuffet.
Wir erfahren, dass die Hochzeit heute Vormittag stattfinden wird. Wir sollen uns ruhig unter die Gäste mischen und können gerne auch Fotos machen. Das wäre kein Problem.
Um Nichts auf der Welt würden wir uns diese Gelegenheit entgehen lassen!!
Wir packen schnell, ich sause hinunter um Rakesh mitzuteilen, dass sich unsere Abfahrt verschieben wird.
Dann mische ich mich mit meinem Fotoapparat unter die bunte Hochzeitsgäste.
In der Lobby sind Tuchhändler, die den ankommenden männlichen Gästen alle dieselben bunten Turbane wickeln.
Ich wage mich an einen älteren Herren heran und frage ihn, ob es in Ordnung wäre, wenn ich ein Foto von ihm und der Wickelei mache.
Er nickt lächelnd und setzt sich in Position.
Die Lobby und das ganze Erdgeschoß sind dekoriert in der Farbe Gelb. Es müssen hunderte Gäste erwarte werden!!
Wir stellen uns mit anderen Zuschauern in den breiten Zufahrtsbereich des Hotel und da kommen sie auch schon:
Ein reich geschmückter Elefant, Kamele und weiße Pferde.
Musiker spielen auf und es werden Böller und Konfettikanonen abgefeuert.
Es treibt uns spontan die Tränen in die Augen, dass wir das erleben dürfen. Wir können unser Glück kaum fassen!
Das Ende der Prozession bildet ein fahrbarer Pavillon in dem ich das Brautpaar vermute.
Aber ich sehe nur den Bräutigam, beeindruckend geschmückt auf einem weißen Pferd.
Hier heißt es wohl nicht „hier kommt die Braut“ sondern „hier kommt der Bräutigam“.
Von der Braut keine Spur. Harald fragt seinen Nebensteher, wo denn die Braut sei und erfährt, sie ist doch schon längst da, um auf ihren zukünftigen Mann zu warten.
Die Verwandten tanzen auf der Straße und werfen Geldscheine in die Luft, die die Musiker fangen.
Als der Bräutigam vor dem geschmückten Torbogen zum stehen kommt, wartet er mit dem absteigen, bis die Braut ihn zu Fuß abholen kommt.
Er steigt ab und lässt sich von ihr segnen.
Anschließen schreitet er alleine über den roten, mit Blumen übersäten Teppich. Wo ist die Braut abgeblieben?
Sie entschwindet inmitten ihrer Damen zurück ins Hotelgebäude.
Wieder finden wir, das ist jetzt aber wirklich der Höhepunkt unserer Reise.
Eine Stunde nach Zeitplan kommen wir los.
Auf dem Weg nach Agra hält Rakesh an der ältesten Stufen-Zisterne Rajasthans.
Sie wurde im 9ten Jahrhundert erbaut und ich bin ganz angetan, weil ich sie als Filmkulisse des Films Paheli wiedererkenne.
Die Zisterne ist sehr tief und beeindruckend mit den 1000den Stufen die hinunter zum Wasser führen.
Allerdings darf man als Tourist leider nicht hinuntersteigen.
Rakesh ist heute wie ausgewechselt und gibt sich extra viel Mühe mit uns.
Er riskiert sogar mal ein Späßle. So ist das doch viel netter!
Wir fahren weiter und beschießen heute ausnahmsweise zu Mittag zu essen.
Wir halten an der typischen „Autobahnraststätte“ für Weißnasen mit integriertem Souveniershop, die es überall an den Straßen gibt.
Die sind zwar nicht so günstig, aber man kann sicher sein, dass man sich den Magen nicht verdirbt.
Ich esse einfaches Nan-Brot.
Ich bin immer noch im Indischen-Essen-Streik.
Gegen 15 Uhr kommen wir in Fathembur Sikri an, der alten, verlassenen Königsstadt vor Agra, aus dem 16. Jahrhundert.
Bis wir von Parkplatz endlich in der Anlage sind, sind wir schweißgebadet!
Die Händler, Guides und sonstige Schlepper stürzen sich mit aller Energie auf alles was sich bewegt.
Die Anlage ist sehr groß und gut erhalten. Aber irgendwie fehlt uns so recht die Muse, sie zu genießen.
In Gedanken sind wir schon wieder auf dem Rückweg bzw. Spießrutenlauf.
Dieser ist fast noch schlimmer als der Hinweg. Ganz knapp entgeht ein ganz schlauer, sehr penetranter Kerl, der unsere entwerteten Eintrittskarten (zum Wiederverkauf an eine dumme Weißnase) von uns geschenkt haben will, einer Rasur durch meinen genervten Mann.
Wir möchten gerne zum Sonnenuntergang im Taj Mahal sein (das übrigens laut einem Shopbesitzer schon läääängst geschlossen hat, wir sollen lieber seinen Shop besuchen).
Es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, den wir leider verlieren, als am Bahnübergang ein Zug kommt und wir unser Auto nicht unter den Schranken durchschieben können, wie die Rad- und Motoradfahrer das tun.
Es dauert daher eine halbe Ewigkeit, bis der Zug im Schritttempo den letzten Fußgänger von den Gleisen „geschoben“ hat.
Also morgen zum Sonnenaufgang! 5.30 Abfahrt zum Taj Mahal. Ich stöhne!
Als wir durch Agra fahren, sind wir geschockt.
Da Agra immerhin eine Bundeslandhauptstadt ist, haben wir dieses armselige, heruntergekommene Nest nicht erwartet.
Und die Luft ist so versmokt, ich bekomme es sofort an den Bronchen. Das ist definitiv nichts für Asthmakranke. Und in diesem, äh, Loch soll eine der berühmtesten Bauten der Welt stehen?
Zwischendurch kam ein Anruf von der Agentur.
Bangahli und Anita von Anita-Tours sind zufällig auch in Agra und wollen uns zum Essen einladen.
Also holt uns Rakesh um 19 Uhr vom Hotel ab und bringt uns in ein kleines Lokal.
Bangahli ist ein lustiger, gesprächiger Geselle, seine Frau eher schweigsam.
Ich komme dieses Mal nicht um ein Thali herum, möchte es aber bitte unscharf (wehe wenn ich wieder Sodbrennen bekomme). Während des Essens wird geplaudert und Bangahli läd uns für morgen zum Essen zu sich nach Hause ein.
Wir möchten höflich ablehnen, da wir morgen Abend erst in Dehli ankommen und Übermorgen unser Flug frühmorgens geht.
Aber er akzeptiert kein noch so höflich formuliertes nein.
Also sagen wir zu und meinen, das Vergnügen sei ganz unsererseits.
Wir machen noch die Rahmenbedingungen für die Restzahlung aus und verabschieden uns, da wir ja so früh aufstehen müssen. Bangali rät uns, lieber gegen 8 Uhr zum Taj zu fahren, das Wetter sei nebelig und morgens würde man nichts sehe.
Das ist uns sehr recht und Rakesh wird über den Beschluss seines Chefs umgehend von ihm informiert.
Ich bekomme kein Sodbrennen. Dafür aber Durchfall, das nur am Rande.
Donnerstag: Kurzes Wort zum Zimmer(5 Sternehotel ITC): Man kann nicht immer upgegrated werden.
Es ist klein, dunkel, abgewohnt und etwas muffig.
Das Frühstücksbuffet ist dafür aber sehr umfangreich und vor allen auf Japaner, die Hordenweise hier sind, ausgerichtet.
Japaner haben wir bisher so gut wie nicht gesehen, ich glaube, die machen Indien in 3 Tagen: Delhi, Jaipur (Palast der Winde), Agra (Taj Mahal) und schnell wieder zurück nach Japan.
Das Taj ist 2 Kilometer von unserem Hotel weg und von der Dachterrasse könnte man es gut sehen, wenn die Luft nicht so, sagen wir es mal „nebelig“ wäre.
Und so erahnen wir das Taj eher, als dass wir es sehen und sind weiterhin gespannt auf das berühmte Gebäude.
Nach dem Frühstück sehen wir zu, dass wir die Japaner hinter uns lassen, die Busse stehen schon bereit.
Wir sind schneller!
Das Taj ist nicht weit und vom Parkplatz geht ein Transferbus zum Eingang, wo man 20 Minuten beim Security-Check (Männer und Frauen in getrennten Reihen) anstehen muss.
Da kommt eher noch Bin Laden in die USA, als unsereins ins Taj Mahal.
Endlich drinnen, laufen wir zum Haupttor, hinter dem sich das Taj befindet.
Was soll ich sagen? Ist das Taj Mahal eine Reise wert? Definitiv!
Man sagt immer es sein schöner als auf allen Fotos und das ist wahr.
Ein unglaublich schönes Riesengebäude aus weißem Marmor.
Nie hätte ich erwartet, dass es so schön und beeindruckend ist.
Wir haben Glück, es ist noch nicht so viel los (für Indien) und der Himmel ist blau.
Wir bleiben, bis es uns zu voll wird.
Der Rückweg soll durch die Händlergasse führen, wir umrunden diese aber geschickt und kommen nahezu unbehelligt bei Rakesh an.
Auf dem Rückweg, schon in Richtung Delhi, taufen wir Agra liebevoll von „Loch“ in „Dreckloch“ um.
Rakesh bringt es auf den Punkt: Agra is not good for health. Dem stimme ich zu.
Wir beschließen den Express Highway zu nehmen.
So können wir die Fahrtzeit reduzieren und evtl. noch ein bisschen was von Delhi sehen.
Wieder fährt er nur 60 km/h. Ich sage er soll schneller fahren, immerhin haben wir dafür die Gebühren bezahlt und es kommt raus, der Wagen braucht bei dieser Geschwindigkeit halt am wenigsten Sprit….
Na, ein wenig schneller fährt er dann aber doch, auch weil ich ihn nicht in Ruhe lasse. 3,5 Stunden sind wir auf dem Highway unterwegs bis wir nach Delhi kommen.
Dehli ist (für Indien) recht Modern und im Innenstadtbereich stehen an den Straßen viele Bäume.
Gefällt mir.
Wir besuchen das Gate of India, den Regierungspalast und das Wohnhaus von Mahadma Gandhi.
Wie vermutet, haut das mit der Einladung nicht so ganz hin.
Es ist inzwischen Spätnachmittag und Banghalis Wohnung liegt auf der entgegengesetzten Seite der Stadt. Rakesh scheint von der Aussicht, nochmal quer durch die Stadt zu fahren, nicht begeistert zu sein.
Wir möchten noch indischen Rum einkaufen, deshalb wird auch die Zeit knapp.
Rakesh ruft seinen Chef übers Handy an. Wir einigen uns darauf, dass wir den Restbetrag an Rakesh bezahlen und Bangahli wünscht uns eine gute Reise.
Rakesh hat was vor….
Immer wieder hält er am Straßenrand und weißt uns bestimmt an, im Auto zu bleiben.
Offensichtlich sucht er was….
Nach etlichen solcher Stopps, läd er uns in einem Einkaufszentrum ab und sagt, er käme in einer Stunde wieder….
Wir gehen was essen (nein, nicht indisch!) und als wir uns wieder treffen präsentiert er uns voller Stolz zwei edle Flaschen „old monk“ Rum in kunstvollen Zierflaschen.
Wir freuen uns, er auch.
Er fährt uns ins Hotel, wo wir auf dem Parkplatz das Finanzielle erledigen.
Er wird so ein bisschen sentimental, und als ich sage, sollte er mal nach Deutschland kommen, soll er uns besuchen, fragt er, ob ich ihm auch unsere Adresse aufgeschrieben habe.
Im Hotel verschwindet ein Angestellter gleich mit meinen „monk“ Flaschen ins Foyer.
Alle versammeln sich und begutachten sie von allen Seiten. Offensichtlich sind sie wirklich schwer zu bekommen.
Als ich sie dann wieder an mich nehme, sagen alle was von good quality und nice bottles.
So und nun zu unserer Reisediätbilanz:
Harald hat wieder mal gewonnen mit 5 Kilo Gewichtsverlust im Vergleich zu meinen guten 3 Kilo.
Gefällt ihm natürlich. Und so geht unsere Indienreise langsam dem Ende zu. Morgen fliegen wir nach Hause.
Ende des ReiseberichtsAnmerkung:Bitte beachtet, dass ich diesen Reisebericht eigentlich nur für meine Freunde und die Familie geschrieben habe.
Diese kennen mich und meinen trockenen, sarkastischen Humor und nehmen nicht alles wörtlich.
Wenn ich gewusst hätte, dass ich den Bericht in ein Forum einstellen würde, für Leute die mich nicht kennen, hätte ich ihn sicher etwas moderater, sachlicher geschrieben.
Indien ist ein faszinierendes, buntes Land voller krasser Gegensätze.
Ich wollte schon immer nach Indien und bin glücklich, diese Reise gemacht zu haben.
Indien ist für mich eine Reise wert weil:
Es anders ist als alle Länder, die ich bisher bereist habe.
Nichts so ist, wie es in ersten Moment scheint – das macht die Reise spannend.
Es wichtig ist, diese krassen Gegensätze mal mit eigenen Augen gesehen (und gerochen) zu haben.
Ich werde Indien sicher wieder besuchen!