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Deutschland - Behindertenfeindliches Land und TUI ist tapfer mit dabei...

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Rainer:

--- Zitat von: Andreas am 03. August 2014, 00:57:08 ---Das mit den Flusskreuzfahrtschiffen ist aber kein Geheimnis:

--- Ende Zitat ---

Ein Geheimnis ist es sicher nicht, aber dennoch überraschend, wenn man sich sonst nicht damit befasst hat. Glücklicherweise habe ich es ja auch noch nachgeschaut, obwohl ich eigentlich nicht wirklich angenommen habe, es gäbe nicht einmal Aufzüge.

Und peinlich ist es so oder oder so.

Horst:
 
--- Zitat von: Rainer am 02. August 2014, 11:58:10 ---"Brainstorming" wurde das in der Firma immer genannt.
--- Ende Zitat ---
Na dann mal los...




--- Zitat von: Rainer am 02. August 2014, 11:58:10 --- Das ist einfach in der Materie begründet, man kann sich als gesunder Mensch selbst bei gutem Vorstellungsvermögen nicht in die Lage eines Behinderten versetzen. Und entsprechend geht man auch mit einer anderen Wahrnehmung durch das Leben. Das ist kein Vorwurf, ich war ja selbst bis zum 38. Lebensjahr gesund und munter und habe selbst sicher auch nichts bemerkt.
--- Ende Zitat ---
Das ist so - aber die Wahrnehmnung kann man versuchen zu ändern.
Als vor Jahren Bilderrätsel sehr beliebt und ein großes Thema waren haben die Leute auf Reisen plötzlich die Augen offen gehalten wo man denn zu dem Thema ein Foto machen könnte.
Also warum nicht dadurch daß wir hier thematisieren ein Bewusstsein dafür schaffen, daß wir zukünftig unterwegs auf solche Details beginnen zu achten und es hier im Forum besprechen.




--- Zitat von: Rainer am 02. August 2014, 11:58:10 ---Erst wenn man selbst betroffen ist, dann gehen einem buchstäblich die Augen auf. Man sieht und registriert Dinge, wo gesunde Menschen nachher sagen würden, ne, das war so nicht. Und selbst wenn man sich einen gewissen Blick dafür antrainiert hat - man muss sich sicherlich extrem bemühen und konzentrieren, um nicht doch irgendein blödes Detail übersehen zu haben. Wer behindert ist, nimmt das unmittelbar sofort wahr. Der sieht seine Umwelt in einem ganz anderen Licht.
Von daher stellt sich mir die praktische Frage, wie können wie diese im Moment noch sehr abstrakte Idee in Taten umsetzen?

--- Ende Zitat ---
In dem wir uns mit dem Thema befassen werden auch Nicht-Behinderte Dinge lernen, über die sie vorher noch nie nachgedacht haben.
Ich glaube zwar nicht, daß wir mit eumerika soviel Druck aufbauen können, daß wir deutsche Gesetze ändern werden, aber vielleicht kann zumindest ein Info-Portal entstehen, daß Orte, Locations, Parks, Restaurants, Hotels...ect. auf Behindertentauglichkeit hin bespricht.
Und wenn es nur die Info ist daß es einen Aufzug und eine Behindertentoilette gibt oder wie die Beschaffenheit der Wege ist.




--- Zitat von: Rainer am 02. August 2014, 11:58:10 ---Was die Behinderung und die Behinderten an sich betrifft: es liegt ja schon in der Materie begründet, man spricht von "den Behinderten". Das ist irgendwie eine fest definierte Gruppe innerhalb unserer Gesellschaft. So ist es in den Köpfen und genau das ist das Problem. Es gibt keine Gruppe "die Behinderten".
--- Ende Zitat ---
Welcher Gruppe der Behinderten würden denn Informationen in einem Forum am meisten nützen?
Ich selbst wäre jetzt von Geh-Behinderten ausgegangen.
Andere Behinderungen können wir über dieses Forum wahrscheinlich nicht erreichen.



--- Zitat von: Rainer am 02. August 2014, 11:58:10 --- Denn (und das ist das Tückische) es kann jeden treffen - sofort und mit endgültiger Wirkung. Mit einem Schlag ist man nicht mehr Teil der Gruppe der normalen Menschen, man ist ein Mitglied der Gruppe der Behinderten. Auf einmal ist man in der Gesellschaft nicht mehr der gleiche Mensch (obwohl man es eigentlich ist). Und jeder denkt tief in seinem Inneren: das trifft nur andere, das sind halt "die Behinderten". Niemand kann sich vorstellen, dass es ihn selbst auch trifft.

Und dieses getrennte Gruppendenken, das bekommen wir nicht aus den Köpfen heraus. Eigentlich müssen wir versuchen, eine Behinderung als etwas Selbstverständliches und normales und Teil unserer Gesellschaft anzuerkennen und mit diesen Menschen genauso leben und umgehen, wie mit nicht behinderten Menschen.

--- Ende Zitat ---
Im Moment sperren wir das Thema ja genauso aus wie alle anderen.
Ich würde dafür ein Board spendieren und unsere Mitglieder können dort Infos sammeln und Fragen stellen.
Das Board könnte z.B. durch gepinnte Themen eine kleine Struktur bekommen.
Ein Thread sollte sich mit dem Board an sich beschäftigen - also was man damit bezwecken will und worum es geht.
Ich denke alleine mit Deinen Statements hier und auch mit Deinen Reiseberichten ist schon der eine oder andere Gedankengang, ein anderer Blick ausgelöst worden.
Auf dem Weg sollten wir weiter gehen.

 

Andrea:
Ich finde die Idee sehr gut. Beispielsweise war mir 2011 am Grand Canyon North Rim aufgefallen, dass ein Weg, der als "accessible" deklariert war, mit einer riesigen Steigung verbunden war, bei dem der Rollifahrer gute Bremsen benötigt hätte bzw auf dem Rückweg jemanden, der (wirklich) kräftig schieben helfen kann... Ich glaube, ich hatte das sogar im Bericht erwähnt. Das war mir vorallem auch deswegen aufgefallen, weil ich ja hätte beide Wege gehen können und der mit den Treppen (immer mal wieder ein paar Stufen) erschien mir deutlich leichter  :(

Silke:

--- Zitat von: Rainer am 03. August 2014, 00:56:11 ---

--- Zitat von: Paula am 02. August 2014, 23:55:02 ---Ich finde das solltest du nicht einfach so hinnehmen, gibt es keine Beschwerdestelle?
--- Ende Zitat ---

"Beschwerdestelle"? Ne - wo denn, bei wem denn? Behindere haben keine Lobby in "Dunkeldeutschland".

--- Ende Zitat ---

Z.B. dort: http://www.behindertenbeauftragte.de/DE/Home/home_node.html ?


--- Zitat ---
Ich habe das ernst gemeint mit "Behindertenfeindlich". Deutschland ist ein behindertenfeindliches Land, was in Gesetzgebung und entsprechenden Vorschriften weit hinten liegt. Selbst in Spanien gibt es Gesetze, dass Hotel bestimmte Auflagen erfüllen ermüssen. In Deutschland gibt es nichts dergleichen. Und zwar gar nichts.


--- Ende Zitat ---

Das stimmt zum Glück nicht so ganz. Es gibt das BGG (Behindertengleichstellungsgesetz).


--- Zitat ---
Eine passende Schote dazu: bei uns in Mönchengladbach ist die Stadtverwaltung auf verschiedene Gebäude und Bereiche aufgeteilt. Das Amt für Schwerbehindertenangelegenheiten (Ausgabe des blauen Parkausweises gegen Vorlage eines mit den notwendigen Merkmalen versehenen Behindertenausweis) befindet sich in einem Gebäude, welches explizit NICHT für Rollstuhlfahrer geeignet ist... (kein Scherz!).


--- Ende Zitat ---

Ich denke, dort muss man auch nicht zwangsläufig persönlich vorsprechen, oder? Das kann man sicher schriftlich erledigen.

Ich kann ja nur von dem Amt reden, in dem ich arbeite, dort wird schon großen Wert auf Barrierefreiheit gelegt. Das geht so weit, dass einige Merkblätter und Formulare lieber gar nicht im Internet eingestellt werden, bis sie barrierefrei gestaltet werden können (die Anforderungen sind so hoch und kompliziert, dass es im Amt nur Wenige können und das dauert). 

Rainer:

--- Zitat von: Silke am 03. August 2014, 10:12:50 ---Z.B. dort: http://www.behindertenbeauftragte.de/DE/Home/home_node.html ?

--- Ende Zitat ---

Witzig. Schreib doch mal rein aus Spass an den Beauftragten und beschwere Dich, dass das TUI Schiff keine Aufzüge hat. Dann bekommst Du ein mitleidvolles Antwortschreiben, dass man bedauerlicherweise nichts machen kann, weil das nicht geregelt ist. Das Porto kann man sich sparen.


--- Zitat von: Silke am 03. August 2014, 10:12:50 ---Das stimmt zum Glück nicht so ganz. Es gibt das BGG (Behindertengleichstellungsgesetz).
--- Ende Zitat ---

Das habe ich bewusst nicht genannt, das ist eines der schlimmsten "Alibi" Gesetze in unserem Bürgerlichen Gesetzbuch. Da wird nämlich gar nichts geregelt, da steht dann (beispielsweise):

"Die Dienststellen und sonstigen Einrichtungen der Bundesverwaltung, einschließlich der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sollen im Rahmen ihres jeweiligen Aufgabenbereichs die in § 1 genannten Ziele aktiv fördern und bei der Planung von Maßnahmen beachten"

Und was heißt das nun? "Gebt Euch Mühe oder nicht, wenn es nicht klappt, auch egal". Traurig aber wahr - gerade diese laschen "Gesetze" sind es ja Schuld, dass die Politiker ein ruhiges  Gewissen haben, auf der anderen Seite überhaupt kein Druck vorhanden ist, um beispielsweise die Barrierefreiheit in öffentlichen Bereichen, oder Hotels oder Gaststätten oder sonst wo zu erzwingen. Genau das IST ja das Problem - die Politik denkt, man habe doch Gesetze gemacht, aber die sind wirkungslos. Wieso nicht nach amerikanischem Vorbild, ohne Behindertentoilette bekommt nicht einmal eine McDonalds-Filiale seine Lizenz?


--- Zitat von: Silke am 03. August 2014, 10:12:50 ---Ich denke, dort muss man auch nicht zwangsläufig persönlich vorsprechen, oder? Das kann man sicher schriftlich erledigen.

--- Ende Zitat ---

Kann man natürlich, man muss allerdings dann seine Schwerbehindertenausweis per Post verschicken und es ist doch dennoch schizophren, wieso ist ausgerechnet dieses Amt nicht schwerbehindertengerecht? Ich habe das beispielsweise nicht gewusst und wir sind einfach hingefahren und dann schaut man doof aus der Wäsche, da rechnet man nicht mit (d.h. heute rechne ich damit, aber das ist eben der Lernprozess der stattfindet).


--- Zitat von: Silke am 03. August 2014, 10:12:50 ---Ich kann ja nur von dem Amt reden, in dem ich arbeite, dort wird schon großen Wert auf Barrierefreiheit gelegt.

--- Ende Zitat ---

So soll es ja auch sein, aber die Integration von Schwerbehinderten ist eine Katastrophe. Es fehlt der Zwang und ohne Zwang gibt man sich Mühe oder auch nicht. Weißt Du, wieviele Lokale es in der Düsseldorfer Altstadt gibt, wo die Toilette wenigstens ebenerdig erreichbar ist? Mir fällt auf Anhieb nur das Schlösser Alt ein und das Uerige - und ich kenne eine ganze Menge Lokale dort. So etwas ist in den USA unvorstellbar.

Jetzt wird man sagen, ja ok, das sind alte Gebäude. Sehe ich auch ein, aber dass so gar nichts geht, ist schon schlimm. Und am neuerbauten Bereich im Hafen (da hätte man ja wirklich darauf achten können) haben auch fast alle Restaurants die Toilette im Keller. Ohne Aufzug.

Typisch sind auch solche Sachen: das Kaarster Rathaus ist vor 15 Jahren neu gebaut, hochmoderne Architektur. Im Anschluss an ein Jubliäumskonzert sollte für unseren Chor dort eine Feier stattfinden. Im Vorfeld habe ich das mit Mitsängern besprochen, die auch Beziehungen zur Stadt haben, es wurde ausdrücklich eine Behindertentoilette angepriesen. Als ich an dem Abend dann auf Toilette musste (und damals habe ich noch im Rollstuhl gesessen), habe ich nachgefragt. Man ging zusammen mit mir zu einem Aufzug - der tat es aber nicht. War geblockt. Der (stinkige) hinzugerufene Hausmeister (der hatte eigentlich längst Dienstschluss) musste den Aufzug freischalten. Endlich an der Behindertentoilette angekommen, das gleiche Problem von vorne - die Toilette war abgeschlossen. Der Hausmeister musste nochmal losziehen, um auch diesen Schlüssel zu holen. Als er endlich zurück kam und die Toilette aufgeschlossen wurde, stellte sich heraus, dass die Toilette nicht benutzbar war, die Putzfrauen (oder wer auch immer) hatten die Toilette pickepacke voll zugerammelt mit Putzkrempel und sonstigem Sperrmüll.

Wir sind dann mit dem Aufzug zurück nach oben und dann sind wir nach Hause gefahren, weil ich mir sonst buchstäblich in die Hose gemacht hätte. Du kannst Dir mit absoluter Sicherheit nicht vorstellen wie erniedrigend es ist, wenn Du nicht auf Toilette gehen kannst, wenn Du es gerne möchtest.

Aber das ganze Szenario ist typisch und stellvertretend für Deutschland. Zugepackte und entartete Behindertentoiletten habe ich inzwischen schon oft gesehen.

Natürlich gibt es dennoch ein paar Gesetze und Regelungen in Deutschland, die Behinderten helfen sollen - aber genau da liegt das Problem. Manches geht (behinderte Berufstätige haben Anspruch auf 5 Tage mehr Urlaub, genießen besonderen Kündigungsschutz usw  - aber das trifft leider nur 5% der Schwerbehinderten, die anderen 95% sind gar nicht der Lage zu arbeiten), manches ist ein schlechter Witz, wie beispielsweise die ganzen Steuernachlässe. Von welcher Steuer soll etwas nachgelassen werden, wenn man sowieso nur eine lachhafte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erhält? Wieso bekommt man stattdessen nicht einfach eine fixe Summe als Mehraufwand ausbezahlt (weil man Hilfe im Haushalt benötigt o.ä.), ähnlich wie Kindergeld? Das kommt wenigstens an, die Steuererleichterung ist das Papier nicht wert, auf dem sie verfasst wurde.

Ich könnte wahrscheinlich inzwischen ein ganzes Buch schreiben, was so alles im Argen liegt und was einfach nicht funktioniert. Und da sind gerade unsere skandinavischen Nachbarn um Welten weiter. Aber ausgerechnet in Deutschland tut sich so gut wie nichts. Da haben Einkaufsläden hohe Einstiegsstufen, Restaurants die Toilette im Keller, öffentliche Gebäude haben keine Aufzüge (in MG ist das Amtsgericht nur in der Parterre erreichbar - ich musste vor ein paar Jahren in den 1. Stock: ging nicht) usw. etc. pp. - es ist ein Katzenjammer. Und dass auf Behindertenparkplätzen allenfalls geistig Behinderte parken, weil es sie es als Kavaliersdelikt verstehen, ist sowieso der normale Alltag.

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