Autor Thema: RUMkommen statt einfach nur Liming: Das Gold der Karibik und mehr...  (Gelesen 59573 mal)

Birgit

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Re: RUMkommen statt einfach nur Liming: Das Gold der Karibik und mehr...
« Antwort #90 am: 19. November 2014, 20:02:19 »
Dienstag, 04.11.2014: St. Lucia - Grenada

Die Nacht ist um 4 Uhr herum, denn um 7 Uhr geht der Flieger, und so cool, dann bis 5 Uhr zu schlafen um um 6 Uhr einzuchecken, bin ich leider immer noch nicht. Es wäre aber sicher durchaus möglich gewesen.

Es geht im Grunde alles reibungslos und superpünktlich mit LIAT. Beim Umsteigen auf Barbados geht man am für LIAT reservierten Gate Nr. 9 zur einen Tür rein und sozusagen gleich zur anderen wieder raus. Die Zeit zwischen Landung und Boarding reicht so gerade eben um einen Kaffee zu trinken.

St. Lucia, Barbados und Grenada von oben:







Superpünktlich lande ich auf Grenada und stehe nur etwa 10 Minuten später gegen 9.30 Uhr mit meinem Koffer vor dem Flughafen.

Der Empfang hier ist herzlich, ein strahlender Officer begrüßt mich mit 'welcome to Grenada', und ich muss ihn einfach zurück anstrahlen, so liebenswert und liebenswürdig wirkt er. In Deutschland muss man ja schon froh sein, wenn ein Gruß erwidert wird bei der Passkontrolle.

Taxi? Nein, danke, ich bekomme gleich ein Auto. Ein paar Minuten später kommt der Taxifahrer hinter mir her, fragt mich nach der Nummer des Vermieters und ruft an um zu sagen, dass ich schon da bin. Wow, ich kann es nicht fassen, wie fürsorglich und lieb auch er ist!

Die nette, aber etwas verpeilte Mitarbeiterin von Archie Cars steht pünktlich um 10 Uhr am Flughafen. Erst müssen wir zur Polizei, denn ich brauche auch hier eine heimische Fahrerlaubnis. Ziemliche Abzocke für 40 USD! Immerhin bekomme ich mit, dass der Officer sich bei einem Anruf für den Anruf bedankt und mindestens so höflich ist wie ein Rezeptionist in einem Hotel. Auch das nur schwer vorstellbar in den Mauern der Staatsgewalt in Deutschland.

Sehr, sehr liebenswürdige Menschen hier. Sie wirken oftmal sehr warmherzig, mitfühlend, empathisch und mitdenkend. Aber es gibt auch das andere Extrem, wie mir hier mehrfach vorgeführt wird. Aber dazu kommen wir später.

Dann fahren wir zum Hotel. Ich soll schon mal einchecken, sie muss erst den Mietvertrag holen. Warum hat sie den nicht gleich mitgebracht? Das Einchecken ist zum Glück schon möglich, und ein weiterer netter und warmherzig wirkender Mensch bringt mich im Golfcart zu meinem Zimmer. Hier beginnen mir seine fürsorglichen Erklärungen und Ratschläge schon fast auf den Geist zu gehen, zumal er bei jedem Satz, den er sagt, mich gerne auch ansehen will und daher immer wieder anhält, denn Fahren und nach hinten sehen gleichzeitig, das bekommt er verständlicherweise nicht hin.

Aber die Dame von Archie Car Rental lässt auf sich warten. Dann kommt sie wieder, erklärt mir mit fester Stimme, der fast leere Tank sei noch ein Viertel voll, übergibt mir den uralten SUV mit 220.000 km auf dem Buckel (nein, da steht nicht aus Versehen eine Null oder Zwei zu viel) und das Spielchen mit der Unterschrift auf dem Kreditkartenabzug beginnt wieder. Mir ist es heute auch wurscht. Ich bin müde, mir ist heiß, ich habe zu wenig geschlafen und irgendwie gerade auch keine Lust mich schon wieder in eine andere Insel einzufuchsen.

Die Mitarbeiterin fährt noch mit nach St. George's, was ich mir heute ansehen will und zeigt mir, wo wir uns am Fähranleger treffen, wo ich am Freitag das Auto zurückgeben will.

St. George's wird als die hübscheste Hauptstadt der karibischen Inseln gelobt, zumindest der kleinen Antillen, aber ehrlich gesagt: Hübsch finde ich vor allem die Lage, ansonsten fand ich beispielsweise San Juan auf Puerto Rico deutlich netter.

















Ich schleppe mich durch die Gassen. Mir war doch eigentlich klar, dass ich eher Ruhe als Sightseeing gebraucht hätte, aber nein, ich konnte es wieder einmal nicht lassen. Irgendwann sitze ich KO und mit Loch im Bauch vor der Mall am Kreuzfahrtanleger und bin genervt von den vielen Menschen: Ein heftiger Streit auf offener Straße zwischen zwei einheimischen Frauen, die vielen verpeilten Touristen vom Kreuzfahrtschiff, die durch die langweilige Mall schlendern, die etwas aufdringlichen Verkäufer, die durch Alkohol und Drogen abgewrackten Typen, die ich zu anderer Zeit vielleicht malerisch gefunden hätte. Ich beschließe, dass ich dann eben nicht zu denen gehöre, die immer überall die authentischen und günstigen Geheimtipps entdecken und gehe zum Subway, schließlich bestand mein Frühstück nur aus einem Muffin und Luchtime ist schon so ziemlich überschritten.

Mir geht es nach einem Footlong wieder ein bisschen besser, aber nur ein bisschen, denn müde bin ich immer noch. Ich mache mich auf den Rückweg. Wieder mal wird mir unaufgefordert und herzerwärmend lieb der Weg gewiesen, andererseits aber finde ich, dass man hier etwas ungeduldiger ist als auf den letzten beiden Inseln. Kaum weiß ich mal nicht, wo es lang geht, startet hinter mir ein Hupkonzert.

Mir ist alles ziemlich egal. Ich habe Kreislauf, mir ist kodderig, jeder Schritt ist mir zu viel. Im Supermarkt bin ich dankbar, dass es hier so gemächlich zugeht wie an den Kassen in den USA und dass mir eine freundliche Schöne die Einkäufe einpackt.

Nun ja, ich bin wieder im Hotel, und gegen 15 Uhr mache ich mich über die vielen Stufen auf den etwas beschwerlichen Weg zum Strand.





Soll ich es schreiben? ich tu es einfach, denn mit so etwas habe ich nicht gerechnet. Also: Ich liege so auf meiner Liege und gucke dumm in der Gegend herum, da fällt mir auf, dass an dem Picknicktisch einige Meter vor mir ein Einheimischer sitzt, ein junger Typ. Eine Hand hat er locker im Schoß hängen, er starrt immer wieder zu mir rüber, so weit ich das angesichts seiner riesigen Sonnenbrille erkennen kann. Aus meiner Froschperspektive bekomme ich mit, dass er sein bestes Stück ausgepackt hat und in der Hand hält. Aber ich muss echt mehrfach hinsehen um das zu glauben, ist ja auch schattig unter dem Tisch, na ja, und schwarz auf schwarz schluckt halt auch viel Licht. OK, jedem Tierchen sein Plaisirchen. Ich schlafe ein. Als ich wach werde, ist der Exhibitionist weg, mein Geld noch da zum Glück.

Ich gehe nun auch, wieder etwas ausgeruhter. Ganz schön weit, der Weg zum Zimmer, aber weniger anstrengend als ich so dachte.

Mein Tatendrang kommt wieder nach dem Schläfchen am Strand. Ich brauche einen einfachen, aber gelungenen Abschluss des Tages und mache mich auf zur Morne Rouge Bay.

Der Sicherheitsposten am Hotelausgang begrüßt mich wie eine liebe, lange nicht gesehene Bekannte und weist mir den Weg. Ich könne beide Straßen nehmen, in 5 Minuten sei ich da.

Die Morne Rouge Bay ist eine Wohltat, herrlich friedlich, idyllisch, malerisch mit ein paar kleinen Hotels, einer bunten Strandbar. Am liebsten würde ich hier auch mit einem Drink auf einem Liegestuhl versacken, vielleicht morgen. Es sind nur etwa zwei Handvoll anderer Menschen hier, die mit mir den Sonnenuntergang genießen. Ich finde meinen Frieden wieder.















Auf dem Weg liegt eine nette Bar bzw. Restaurant. Hier will ich essen mit Blick aufs Wasser. Es gibt hier zwar nichts Einheimisches, sondern das Lokal scheint von Spaniern geführt zu sein, sodass die Küche einen entsprechenden Touch hat, aber Seafood mit Salat und Knoblauchbrot ist sicher an allen Wassern dieser Welt universell dazu gehörend.

Früh bin ich wieder am Hotel, wieder mal gerade noch rechtzeitig, bevor vom eben noch sternenklaren Himmel ein heftiger Schauer klatscht.

Die Erkenntnis des Tages: Ein Paradigmenwechsel ist bei mir fällig - Fischerdorf statt Hauptstadt! St. George's ist die dritte und letzte Hauptstadt dieser Inselparadiese, die mich nicht vom Hocker gehauen hat.

Andrea

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Re: RUMkommen statt einfach nur Liming: Das Gold der Karibik und mehr...
« Antwort #91 am: 19. November 2014, 22:57:16 »
Dass du einfach einschlafen kanst, wenn ein Typ sich da an seinem Ding... Ich seh schon, ich muss lockerer werden. Oder bist du einfach zu cool?
Liebe Grüße, Andrea



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Birgit

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Re: RUMkommen statt einfach nur Liming: Das Gold der Karibik und mehr...
« Antwort #92 am: 19. November 2014, 23:01:22 »
Zu müde?

Andrea

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Re: RUMkommen statt einfach nur Liming: Das Gold der Karibik und mehr...
« Antwort #93 am: 19. November 2014, 23:06:43 »
Okay, das lasse ich gelten  ;)
Liebe Grüße, Andrea



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Birgit

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Re: RUMkommen statt einfach nur Liming: Das Gold der Karibik und mehr...
« Antwort #94 am: 19. November 2014, 23:28:18 »
Tja, hoffe, die Begegnung war krass genug und konnte die bisherigen toppen?

Andrea

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Re: RUMkommen statt einfach nur Liming: Das Gold der Karibik und mehr...
« Antwort #95 am: 19. November 2014, 23:39:39 »
Ziemlich krass, da war spontan das Liming bei mir vorbei. Nix Entspannung, nur achtsamens Ummichschauen... Aber du bist anschließend ohne irgendwelche weißlichen Flecken aufgewacht, hoffe ich. Boah, widerlich!

Andererseits: Mitte 40  und du wirst all den hübschen Mädels dort und dem Playboy Mittelteil vorgezogen. Respekt!
Liebe Grüße, Andrea



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Birgit

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Re: RUMkommen statt einfach nur Liming: Das Gold der Karibik und mehr...
« Antwort #96 am: 19. November 2014, 23:49:02 »
Ich nehme das nicht persönlich. Ich denke, ich war halt zufällig dort, wo er eben abgehangen (böses Wortspiel ;)?) hat.

Das war nicht gefährlich oder so. In dem Hotelrestaurant dort war bisschen was los. Da hätte ich nur ein bisschen laut losschimpfen müssen bei einer Annäherung. Ich dachte erst, das wäre seine Werbung gewisse Dienste anzubieten, aber mittlerweile glaube ich, der war einfach nur ein bisschen gaga...


Horst

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Re: RUMkommen statt einfach nur Liming: Das Gold der Karibik und mehr...
« Antwort #97 am: 19. November 2014, 23:56:11 »
Zitat von: Birgit
schwarz auf schwarz schluckt halt auch viel Licht
Sehr schön.  :))
Ich bin mit dem, was Du sagst, nicht einverstanden, aber ich werde bis zum Tod Dein Recht verteidigen, es zu sagen. Voltaire.

Michael

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Re: RUMkommen statt einfach nur Liming: Das Gold der Karibik und mehr...
« Antwort #98 am: 20. November 2014, 07:44:36 »
Hi Birgit, Grenada finde ich, jetzt nach den Eindrücken des ersten Tages, sehr interessant. Es wirkt entspannter, so wie ich Deine Erzählungen vertsehe, sehr entspannt. Keine Ahnung, woran das liegt, aber dieses Bild transportiert eine unglaubliche Ruhe. Danke!



Tja, hoffe, die Begegnung war krass genug und konnte die bisherigen toppen?

 :o Unglaublich!


Zu müde?

Alternativ noch 'Kopfweh'? :verpiss:


Freche Grüße aus der Pfalz,
Michael
...nach der Reise ist vor der Reise...

Birgit

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Re: RUMkommen statt einfach nur Liming: Das Gold der Karibik und mehr...
« Antwort #99 am: 20. November 2014, 08:11:52 »
Ich sehe schon, du kennst dich aus, Michael ;)

Auf Grenada war ich irgendwie permanent hin- und hergerissen, ob ich es entspannt finde oder nervig, in erster Linie wegen des Typen, aber auch wegen noch 2 bis 3 anderer unliebsamer Begegnungen. Auch fand ich das Fahren dort äußerst nervig.

Das kann aber alles auch daran liegen, dass ich dort irgendwie einen Durchhänger gehabt habe.

Andererseits hatte ich dort aber auch absolute Highlights. Na ja, vielleicht muss ich noch einmal hin um es herauszufinden ;)

Birgit

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Re: RUMkommen statt einfach nur Liming: Das Gold der Karibik und mehr...
« Antwort #100 am: 20. November 2014, 08:34:23 »
Und weil ich heute Abend nicht zu Hause bin, gleich noch ein Tag...

Mittwoch, 5.11.2014: Grenada

Ich stehe früh auf, habe vor die Insel zu erkunden und noch keinen echten Plan. Ich fahre nach einem selbst gemachten Frühstück auf dem Balkon los, bekomme in St. George's wieder mal einen kleinen Anfall, weil die Navi mit dem Berechnen wieder mal nicht nachkommt, werde geduldig von einem Polizisten erst an den Rand der Straße bugsiert, auf dass er mir den Weg erklären kann und finde mich dann zum Glück wohlbehalten auf der Straße Richtung Grand Etang wieder, einem Nationalpark, in dem es um den Regenwald und einen Kratersee in einem erloschenen Vulkan geht.

Der Regenwald ist düster verhangen, die Luftfeuchtigkeit so hoch, dass meine Straßenkarte labbrig wird und fast zerfällt, und kühl ist es hier auf fast 800 Metern Höhe, sodass die Einheimischen, die mir etwas später begegnen, langärmlige Pullover übergezogen haben.

Ich blicke auf den Regenwald, in dem viele alte Baumriesen durch den Orkan Ivan 2004 zerstört wurden, auf den im Nebel etwas duster wirkenden See, der, als sich die Wolkendecke etwas lichtet, ein wenig freundlicher wirkt, fahre zum See selbst und mache mich,dann auf den Weg quer über die Insel.







Hatte ich bereits erwähnt, dass ich heute den Durchhänger habe, den ich auf jeder Reise für 1 bis 2 Tage habe?

Es beginnt mit dem Fahren auf der Insel, das ich,als ausgesprochen anstrengend empfinde. Die Straßen sind steil und eng und kurvig, und an einigen Stellen ist direkt neben der Straße ein im 90-Grad-Winkel abfallender offener Graben, sodass ich Angst habe zu weit nach links zu kommen. Permanent bin ich jemandem im Weg. Die Buslinien werden mit privaten Minibussen bedient. Etwa jede Minute habe ich einen hinter mir. Alle hupen und wollen vorbei. OK, ergebe ich mich in mein Schicksal: Wann immer mir auf den engen, schmalen und teilweise schlechten Straßen jemand an einer Engstelle entgegen kommt oder hinter mir ist, bin ich diejenige, die links ran fährt, ergibt ja sonst nur Stress. Spaß macht es aber nicht, das Fahren hier, und als ich auch noch den Abzweig zu einem Wasserfall verpasse, den ich ansehen wollte, überlege ich überzeugte Selbstfahrerin angesichts der Mietwagenpreise und des anstrengenden Fahrens hier, ob es nicht besser gewesen wäre sich auf der Insel herumfahren zu lassen.

Ich sehe einen Hinweis zu den Seven Sisters Waterfalls, und da ich gerade schon versehentlich den Abzweig zum Annandale Waterfall übersehen habe, soll nun dieser dran glauben.

Ein Junge winkt mich auf den Parkplatz, hier sei ich richtig. Der Besitzer des Wasserfalls fragt mich, ob ich einen Guide will. Ach Quatsch, wenn ich den Weg finde, brauche ich den nicht. Er: Aber das ist eine Meile Weg und ich sei ganz allein. Ich: Das macht mir nichts. Er: OK! Er denke nur, ich als Frau allein, man wisse ja nie. Ich: Na, ist das denn gefährlich? Er: Er hat bisher nichts gesehen, aber das wisse man ja nie, schließlich sei ich als Frau allein, das könne jemanden auf dumme Gedanken bringen, ob ich nicht lieber wenigstens meine Tasche im Auto lassen wolle?

Nein, ich marschiere los. Nach wenigen Schritten begegnen mir die Insaßen des einzigen anderen Autos dort, ein weißes Paar mit Taxifahrer. Ob ich als Frau ganz allein zum Wasserfall wolle, fragt der Fahrer. Da sei aber niemand, ob ich keine Angst habe? Ich: Gibt es denn etwas, wovor ich Angst haben müsse? Na, das wisse er nicht, aber ich sei als Frau ganz allein, na, lass dich nicht von den Krokodilen fressen, ha ha ha.

Na, so schlimm kann das doch nicht sein, es sind doch immer Leute in Sichtweite. Ein paar Feldarbeiter und ein Bagger schaufelt etwas abseits vor sich hin.



Ich gehe auf die erste Kurve zu. Dort steht eine Gruppe Männer, trinken sich offenbar in Stimmung. Der eine kommt auf mich zu, und im Gegensatz zu den vielen anderen hier, die lediglich mit einem Gruß und einem netten belanglosen Satz an mir vorbeigehen in diesem Urlaub, kommt er von ferne grüßend mit ausgestreckter Hand auf mich zu, während die Kumpels etwas weiter sich den nächsten Rum genehmigen. Nee, das ist die Masche, die ich gar nicht leiden kann, die meistens von den sowieso schon unseriös wirkenden Typen kommt und meistens mindestens in einem Verkaufsgespräch endet. Er heiße Kenny (Zahnlücken, verdreckte, zerfetzte Klamotten und Trinkergesicht), könne mir auch seinen Ausweis zeigen, am Wasserfall sei niemand und...

OK, schon verstanden, du bist also einer der Typen, vor denen die anderen beiden gewarnt hatten.   Während der Hinweis der beiden anderen besorgt wirkte, empfinde ich dein Angebot auf mich aufzupassen fast schon als Schutzgelderpressung.

Nee, so habe ich keinen Spaß. Ich habe keine Lust von noch mehr dubiosen Typen angequatscht zu werden und mich fragen zu müssen, wie weit die wohl gehen, besonders wenn sie als 'Guide' abgewiesen werden. Und dein Ausweis hilft mir auch nicht, wenn ich ausgeraubt und geschändet tot unterm Wasserfall liege. Ich erinnere mich an den klugen Rat, den ich vor ein paar Tagen erst in einem Reiseforum gegeben habe (sei wachsam bei Warnungen vertrauenswürdiger Einheimischer und höre auf deine Intuition). Ist auch egal, ob da nur meine heute zarte Seele eine Rolle spielt, so schön kann kein Wasserfall sein, dass ich bei drei schlechten Zeichen auf den ersten 200 Metern unbedingt noch weiter gehen muss. Ich kehre um mit endloser Wut im Bauch.

Unterwegs ist es auch ganz nett...







Ich fahre weiter und lande ich Grenville. Hatte ich doch ein ähnlich nettes Dorf wie Anse La Raye erwartet, finde ich hier aber nicht einmal einen Parkplatz, und ewig das Gehupe hinter mir, und die beiden Betriebe, in denen ich mir Muskatnuss erklären lassen wollte, finde ich ebenso wenig wie das Kap mit dem Aussichtspunkt.

Unglücklich fahre ich weiter und folge aus Verzweiflung der Beschilderung zum Belmont Estate, einer Plantage, auf der man sich unter anderen die Kakaoproduktion erklären lassen kann.

Ich habe verschiedenes im Bauch, nämlich Hunger und Wut. Als Erstes bekämpfe ich den Hunger und weiß auch, dass mein Auftreten bei den wirklich ausgesprochen sanften, lieben und bemühten Mitarbeitern im Restaurant unwirsch wirkt. Aber ich habe keine Lust auf Smalltalk und weiß auch nicht, warum man für die Rechnung unbedingt meinen Namen braucht, zumal ich derzeit der einzige Gast hier bin. Aber ich werde liebevoll betreut und gebe fast reuevoll ein großzügiges Trinkgeld für das Buffet, das extra für mich als ersten Gast in aller Eile schnell fertig gestellt wird und für die wirklich aufmerksame Betreuung, das alles für weniger Geld als erwartet.

Eine nette junge Dame erklärt mir in einer individuellen Führung die Kakaoherstellung und ich komme ein wenig runter. Es ist sehr interessant, zumal ich normalerweise achtlos wirklich Unmengen an Schoki vertilge und hier sehe, wie aufwändig echte Bioschokolade ohne Pestizide und Koservierungsmittel immer noch in Handarbeit hier hergestellt wird.











Ich entscheide mich für die südliche Küstenstraße und bedaure, dass es so wenige Möglichkeiten zum Anhalten gibt.

Ich will St. George's noch eine Chance geben und finde auf Anhieb keinen Parkplatz. Ich weiß nicht, ob es nett oder geschäftstüchtig von dem jungen Mann ist, der vor dem Auto hersprintet um mich zu einem Parkplatz zu geleiten, zu dem ich eigentlich gar nicht will. Ich bin irgendwann in den engen steilen Straßen am Fort George gefangen und verfluche den Typen, der es vielleicht nur nett gemeint hatte. Irgendwie finde ich wieder raus und parke an der Carenage.

St. George's ist ohne Kreuzfahrttouristen sehr entspannt, als ob die ganzen Geschäftemacher Kraft schöpfen für den nächsten Ansturm, der irgendwann naht. Ich habe die Stadt für mich und söhne mich mit ihr aus.























Ich genieße das Nachmittagslicht, kaufe kurz vor der Abfahrt in einer Bakery noch ein Roti mit Hühnchen zum mitnehmen und zwei süße Teilchen und sitze eine halbe Stunde später zum täglichen Bad im Meer an der Morne Rouge Bay, 3 Minuten von meiner Zimmertür entfernt, wo ich im Wasser am so gut wie menschenleeren Strand den Sonnenuntergang erlebe.

Der Blick aus meinem Hotelzimmer nach der Rückkehr:



Aber das soll noch nicht alles gewesen sein. Da ich ja hier noch zwei Abende habe und im Vorbeifahren keine weiteren Restaurants gesehen habe und ich nicht einmal das Hotelrestaurant in Augenschein genommen habe, gehe ich nach meinem Roti im Zimmer noch spazieren, am dunklen, vom Vollmond beschienenen Grand Anse Beach entlang. Ich finde heraus, welche Strandbar nett erscheint und dass auch das Hotelrestaurant nett erscheint und setze mich vor dem Hotelrestaurant in einen bequemen Holzsessel um den Reisebericht zu schreiben.

In Minutenschnelle steht ein junger Mann neben mir, stellt die typischen Fragen nach dem Woher und Wohin und wie lange schon hier usw., und ich fresse 'nen Besen, wenn es nicht der Exhibitionist von gestern ist. Ich versuche nett zu bleiben und erkläre ihm, dass ich zu tun hätte und gerne allein sein würde. Er trollt sich an die bekannten Picknicktische einige Meter weiter.

Ein Raucher kommt aus der Bar und stellt sich neben mich, ein Wissenschaftler aus South Carolina, er lebt berufsbedingt seit vielen Jahren auf der Insel. Während ich mich mit ihm unterhalte, meine ich ziemlich sicher charakteristische Handbewegungen von besagtem Picknicktisch aus den Augenwinkeln beobachten zu können, dann geht der Typ.

Ein Kellner bringt mir meinen täglichen Rumpunsch. Als er den zweiten bringt, ruft er plötzlich, oh, da seien so viele Sea Turtles, ob ich die gesehen hätte? Booooaaaahaaaaa, wie toll! Der total nette Kellner und ich sammeln die Turtles in eine Plastikbox ein und noch ein Kellner kommt hinzu. Es sind sicher 20 Stück, sie sind frisch geschlüpft. Der Kellner: „Could you do me a favour…“ Von wegen, wer tut hier wem einen Gefallen, nichts lieber als das, ich darf den Turtles ins Wasser helfen. Und während ich das schreibe, muss ich fast ein bisschen weinen vor Glück ob der Überraschung, die Grenada mir hier bereitet, als ob die Insel sich für das ungebührliche Verhalten ihrer Bewohner bei mir entschuldigen will. Ich muss den einen oder anderen kleinen zum Restaurant ins Licht strebenden Dummkopf nochmal in die richtige Richtung Wasser stupsen. Have a safe Trip! Ach wie schöööööön!



Ich sitze wieder auf meinem Platz, der Raucher kommt wieder und weitere zwei Seaturtles krabbeln im Sand. Das findet auch der amerikanische Zeitgenosse spannend. Plötzlich kommen seine Kollegen hinzu und der Kellner, wir alle quatschen aufgeregt durcheinander.

Ich habe mit den Bürgern meines oft bereisten und inzwischen ein bisschen in den Hintergrund geratenen Lieblingslandes noch sicher eine Stunde gequatscht, auch völlig abseits der üblichen Sprüche. Die beiden, die übrig blieben, nachdem zwei weitere Kollegen sich verabschiedet hatten, hatten schon eine Menge von der Welt gesehen und ich kenne ja sowohl South Carolina ein wenig, wo der eine herkommt und auch Albuquerque, wo der andere viele Jahre lebt. Erst beim Auschecken aus dem Hotel bekomme ich mit, dass diese offenbar meine Rechnung für diesen Abend heimlich, still und leise mit beglichen hatten.

Die Erkenntnis des Tages: Grenada stürzt mich in ziemliche Höhen und Tiefen.

Silvia

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Re: RUMkommen statt einfach nur Liming: Das Gold der Karibik und mehr...
« Antwort #101 am: 20. November 2014, 09:13:18 »
 :beifall:  super, das mit den Schildkröten. Es freut mich das es so einen herrlichen Abschluss gegeben hat an einem Tag an dem augenscheinlich alles irgendwie schepps lief.

Ansonsten muss ich zugeben, das mich die Karibik jetzt nicht gerade vom Hocker haut - meines Erachtens viel zu viele Leute. Bei den Luftbildern sieht man ja auch wie verbaut die Inseln sind.

Birgit

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Re: RUMkommen statt einfach nur Liming: Das Gold der Karibik und mehr...
« Antwort #102 am: 20. November 2014, 09:33:52 »
Nun ja, die Flughäfen liegen halt auch nahe der Hauptstädte, in denen dann vielleicht mal 10.000 Einwohner leben (beispielsweise St. George's). Da ist man aber schnell raus.

Ich habe mich vielmehr darüber gewundert, wie leer die Strände und Sehenswürdigkeiten waren. Beispielsweise gab es auf Grenada nirgendwo einen Besucherparkplatz. Man parkt eben irgendwo, wo halt Platz ist - und meistens war außer mir keiner da oder nur eine Handvoll Menschen.

Paula

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Re: RUMkommen statt einfach nur Liming: Das Gold der Karibik und mehr...
« Antwort #103 am: 20. November 2014, 21:24:01 »
Also das ist nun schon oberkrass: ein Typ der sich am Strand einen runterholt und das nicht nur einmal  :o
Und weitere Typen die einen beim wandern belästigen, ich glaube ab da wäre ich ohne Guide nicht mehr aus dem Hotel gegangen. Ich glaube da hätten mich auch die Schildkröten nicht versöhnt, so hinreißend ich die Vorstellung auch finde für die Kleinen Hebamme zu spielen.
Und Autofahren auf solchen Straßen wäre für mich der Alptraum. Sollte ich mal nach Granada fahren muss ein Fahrer/Guide her.
Viele Grüße Paula

nordlicht

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Re: RUMkommen statt einfach nur Liming: Das Gold der Karibik und mehr...
« Antwort #104 am: 20. November 2014, 21:55:22 »
Auch wenn leider einige schlechte Erfahrungen dabei sind, aber Dein Bericht und ich vermute auch dein Urlaub wird durch die Begegnungen etwas Besonderes.