Autor Thema: Griechenland und die Eurokrise  (Gelesen 4726 mal)

Rainer

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Griechenland und die Eurokrise
« am: 04. Juni 2015, 14:58:01 »
Wie denkt Ihr eigentlich über dieses Dauerthema?

Ich stelle bei mir selbst fest, dass ich hin und hergerissen bin. Zum einen denkt man natürlich immer, das ist ein Unding, wenn da so viele Steuergelder versenkt werden, nur weil die griechische Politik es nicht schafft, eine funktionierende Volkswirtschaft auf die Beine zu stellen, wieso sollen deutsche Steuerzahler dafür herhalten? Zum anderen denke ich, was kann der arme Durchschnittsgrieche dafür, dass seine Politiker seit vielen Jahren versagen, was kann er dafür, dass Korruption und Steuerhinterziehung zu seiner persönlichen Verarmung geführt haben? Ist es die Pflicht Europas, Griechenland zu helfen? Und wenn ja, müssen wir dann nicht konsequenterweise auch den anderen Ländern helfen, die sich überschuldet haben? Nur wird das irgendwann solche Größenordnungen erreichen, dass das gar nicht mehr geht.

Im Moment könnte man natürlich einfach 320 Milliarden Euro drucken und den Griechen schenken. Nicht viel anders ist das Programm gestrickt, welches Draghi seit ein paar Monaten betreibt, jeden Monat werden ca. 60 Milliarden frische Euros unters Volk gebracht.

Manchmal denke ich, es gibt eigentlich nur die eine Lösung, die alle für die ganz falsche Lösung halten: dass nämlich Deutschland die Eurozone verläßt. Deutschland profitiert überdurchschnittlich vom Euro, auch die neuesten Maßnahmen von Draghi kommen meiner Meinung nach keinesfalls den südlichen Ländern zu Gute, sondern erneut Deutschland. Der schwache Euro läßt die ohnehin schon starke deutsche Exportwirtschaft noch stärker werden, der Effekt ist bereits jetzt schon zu sehen, die Arbeitslosenzahlen sind noch einmal unerwartet gesunken. Aber die schwachen Länder, die ohnehin kaum für den Export produzieren, die haben überhaupt nichts vom schwachen Euro. Dabei sollten genau diese Länder gefördert werden, aber es wird ganz sicher erneut Deutschland am meisten gefördert. Die künstliche Schwäche des Euros (für uns Touristen etwas ärgerlich, aber für die Volkswirtschaft sehr nützlich) stärkt wieder einmal die ohnehin Starken.

Würde Deutschland auf die D-Mark zurückgehen, würde diese sich mit einiger Sicherheit sehr verteuern, der Euro würde auf natürliche Weise geschwächt und endlich könnte eine normale Zins- und Inflationspolitik die schwächeren Staaten bei der Entschuldung unterstützen. Aber im Moment wird mit solchen Maßnahmen am meisten Deutschland entschuldet, nicht aus Versehen haben Bundesanleihen inzwischen Nullzinsniveau und nicht aus Versehen schreibt Deutschland seit vielen Jahren zum ersten Mal wieder schwarze Zahlen. Draghi vetreibt den Pleiteteufel mit Hilfe des Belzebuben - ich glaube nicht, dass das auf Dauer funktioniert.

Griechenland bekommt jedenfalls immer noch Geld, um es gleich wieder an andere zurückzuzahlen. Völlig kaputtes System.

Paula

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Re: Griechenland und die Eurokrise
« Antwort #1 am: 04. Juni 2015, 18:24:56 »
Mir geht es genauso wie dir Rainer, ich bin hin und her gerissen. Eigentlich möchte ich den Euro behalten, aber er funktioniert einfach nicht. Das Problem ist auch nicht nur Deutschland, es gibt noch andere starke Länder z.B. Holland und Österreich. Die Lösung wäre vielleicht eher dass die starken Länder den Euro behalten und alle anderen austreten. Aber es weiß doch keiner was dann passiert. Ich glaube es traut sich niemand zu handeln weil eben niemand ( ich meine keine Regierung) überblicken kann was die Folgen sind.

Mir tut Griechenland Leid und die Tatsache dass da eine neue völlig unerfahrene Mannschsft an der Regierung ist macht es bestimmt nicht besser.
Ich würde die Hilfen erst mal ein Jahr verlängern wenn ich zu entscheiden hätte. Wenn Griechenland pleite geht droht da eine soziale Katastrophe, da muss Deutschland sowieso helfen. Also teuer wird es auf jeden Fall, aber den totalen Absturz eines Landes in der EU würde ich verhindern solange ich das könnte.
Ist aber nur meine Meinung  ;)
Viele Grüße Paula

Rainer

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Re: Griechenland und die Eurokrise
« Antwort #2 am: 04. Juni 2015, 20:47:56 »
Wenn Griechenland pleite geht droht da eine soziale Katastrophe, da muss Deutschland sowieso helfen. Also teuer wird es auf jeden Fall,

Eben nicht. Denn bei einer Pleite würden die Anleger (u.a. die deutschen Steuerzahler) leer ausgehen, aber diese Steuern sind ja schon bezahlt und dann gibt es das Geld eben nicht mehr zurück (daran glaube ich sowieso nicht mehr).

Aber die Kosten für eine soziale Rettung sind um Faktoren geringer als die Zinskosten und Rückzahlungskosten für die ganzen Kredite. Und dann würde das Geld auch wirklich dort ankommen (hoffentlich zumindest), wo es benötigt wird. Und nicht in irgendwelchen Finanztransaktionen verloren gehen. Das ist das Schlimme am momentanen Zustand: von dem vielen Geld kommt bei der Bevölkerung nichts an. Deswegen ist Deutschland ja auch so verhasst, obwohl wir soviel Geld zur Verfügung stellen. Es bekommen die Falschen das Geld.

DocHoliday

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Re: Griechenland und die Eurokrise
« Antwort #3 am: 04. Juni 2015, 23:55:56 »
Griechenland bekommt jedenfalls immer noch Geld, um es gleich wieder an andere zurückzuzahlen. Völlig kaputtes System.

Griechenland bekommt ja eben kein oder kaum Geld. Die "Griechenland-Hilfe" geht zum ganz überwiegenden Teil an französische, schweizer, englische und vor allem deutsche Banken.
Wir zahlen also vor allem für deutsche Banken. Die haben damit die Utopie aller Kapitalisten wahr gemacht. Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren!

Halfen würde nur ein genereller Schuldenerlass für Griechenland. Geht aber nicht, weil dann Spanien, Portugal, Irland, Itlaine, etc.,e tc. das gleiche fordern würden. Also wurschtelt man weiter und gräbt damit selbst das Loch immer tiefer. Und wir deutsche leben letztlich davon. Denn nur mit den ganzen Krediten könne die anderen EU-Staaten unseren Handelsüberschuss finanzieren.

Rainer

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Re: Griechenland und die Eurokrise
« Antwort #4 am: 05. Juni 2015, 11:43:25 »
und vor allem deutsche Banken.

Ne, das was einmal. Deutsche Banken (insb. Commerzbank und Deutsche Bank, sowie die Allianz) haben fast alle Anleihen inzwischen abgestoßen, schon im Januar 2015 war nur noch die KfW maßgeblich in öffentlichen Finanzierungen beteiligt. Nach dem ersten Schuldenschnitt 2012 haben die deutschen Banken ihre Anteile sukzessive abgebaut.

http://www.n-tv.de/wirtschaft/Das-haben-deutsche-Banken-im-Feuer-article14392711.html

Und ich habe irgendwo in noch einem aktuelleren Artikel gelesen (finde ich leider im Moment nicht mehr), wonach Commerzbank und Deutsche Bank nur noch wenige hundert Millionen in Griechenlandanleihen haben. Das ist selbst den deutschen Banken zu heiß geworden. Sehr stark investiert sind übrigens griechische Banken. Deswegen hatte ja die EZB noch vor wenigen Monaten griechische Anleihen als Sicherheit nicht mehr akzeptiert, um so zu verhindern, dass sich griechische Banken auf diesem Weg immer noch Geld bei der EZB besorgen können.