15. Tag: Freitag, der 19.7.2019 - Ein Traumtag - 2. TeilAlso eigentlich möchte ich lesen, aber mein Blick wandert immer wieder aufs Meer und die Stacks gehen mir nicht wirklich aus dem Kopf. Meine Straßenkarte und das winzige Googlemaps-Bild auf dem Handy helfen mir jedoch nicht wirklich weiter.
Da der Tag aber viel zu schön ist, um mir wegen fehlender Stacks die Laune verhageln zu lassen, fahren ich schließlich wieder zurück. Es ist kein Verkehr auf der Single Track Road und ich genieße jeden Meter - es ist herrlich hier. Plötzlich sehe ich auf der Wiese links von mir ein kleines Schild, ein wirklich kleines Schild (ca. 30 x 15 cm) fast am Boden und darauf steht eindeutig "Stacks" und ein Pfeil zeigt Richtung Küste. Unfassbar!
Ich brauche jedoch einige Zeit bis ich einen geeigneten Platz zum Parken finde, denn ich möchte keinen Passing Place zuparken.
Ich schnappe mir die Kamera und wandere über eine klatschnasse Wiese Richtung Steilküste. Mein Blick ist dabei immer auf den Boden gerichtet, denn es gibt große Wasserlöcher und viel Schafkacke
Und dann sehe ich sie, die Objekte meiner Begierde. Leider von der falschen Seite, aber das ist mir in diesem Moment sowas von egal.
Es ist so bewegend für mich, diese grandiose Landschaft, ich ganz alleine, bis auf ein paar Schafe - ich setze mich auf einen Stein und ein paar Tränen kullern. Ich bin so dankbar, das erleben zu dürfen.
Anschließend checke ich die Möglichkeiten auf die andere Seite der Stacks zu kommen, ein Zaun versperrt mir zumindest von meinem jetzigen Standpunkt den Weg und so beschließe ich, es einfach hinzunehmen.
Auf meinem Rückweg gibt es immer noch einige schöne Blicke auf die Küste.
Aber auch rechts und links der engen Straße gefällt es mir richtig gut:
Ein etwas längeren Halt mache ich oberhalb eines Strandes. Hier steht ein weiteres Auto: ein Ehepaar mit einem kleinen Hund. Ich habe meinen Spaß, das Ehepaar eher nicht. Sie lassen ihren Hund frei laufen, aber der hört wirklich gar nicht. Sie versuchen ihn immer zu zweit "einzukreisen" und kurz bevor sie bei ihm sind, ist er schon wieder ganz woanders. Langsam wird es den beiden sichtlich peinlich und ich halte mir grinsend die Kamera vors Gesicht und tue so, als wäre ich auf die tollen Ausblicke konzentriert. In diesem Moment reift der Entschluss mit Muffin die Hundeschule zu besuchen, wenn er sich bei uns eingelebt hat
Irgendwann haben sie das kleine, liebenswerte "Miststück" aber eingefangen, Zeit für ein paar Blümchen:
Und den Überlegungen, was ich mit dem Rest des Tages noch anfange.
Eigentlich hätte ich Lust auf einen Kaffee und in Uig sollte es das Cafe at the End geben. Hört sich spannend an und so mache ich mich auf den Weg, der jedoch immer wieder von Fotostopps unterbrochen ist.
Uig ist ein mehr als merkwürdiger kleiner Ort. Viele Häuser scheinen verlassen, andere bewohnt, aber in sehr desolatem Zustand. Ich sehe weder Menschen noch Tiere und wenn mir nun eine Gruppe Zombies entgegen kommen würde, würde es mich nicht wundern. Ich fühle mich so etwas von unwohl, wie noch nie in Schottland. Das Cafe at the End existiert, hat aber geschlossen und wirkt überhaupt wenig einladend. Ich vergesse bis auf ein Schild sogar das Fotografieren.
Mit Gänsehaut an den Armen fahre ich "so unauffällig" wir möglich zurück durch diesen gruseligen Ort.
Kurz danach halte ich an einem kleinen Hafen, der ebenfalls zu Uig gehört - hier ist die gruselige Atmosphäre aber nicht zu spüren. Ich atme spürbar durch
Hier lässt es sich wunderbar noch einmal die Füße vertreten - wieder bin ich allein an diesem schönen Ort.
Ich beschließe nun die Standing Stones of Callanish zu besuchen, um schon einmal die Lage für meinen Abendausflug zu checken, denn diese liegen nur wenige Kilometer von meiner herrlichen Unterkunft entfernt.
Unterwegs wandern noch ein paar Landschaftseindrücke auf die Speicherkarte.
Das Visitorcenter der Standing Stones hat schon geschlossen - aber viel macht mir das nicht aus, ich will die Steine sehen.
Man kann vom Visitorcenter einen Fußweg hoch zu den Steinen machen oder man nimmt eine steile, sehr enge Straße nach oben. Das mache ich. Oben gibt es Parkplätze für ca. 15 Autos, es stehen um diese Uhrzeit jedoch nur vier Autos da und ich kann die Standing Stones fast alleine genießen:
Was für ein fantastischer Ort - ich bin gefesselt und freue mich schon auf die Steine bei Sonnenuntergang.
Mit einem fetten Grinsen im Gesicht fahre ich die wenigen Kilometer zur Hatchery - ich habe Hunger!
Ich mache mir Hamburger, die sehr, sehr lecker sind - ein Bier würde perfekt passen, aber ich will ja noch einmal los.
Um 20.45 Uhr sitze ich wieder im Auto Richtung Standing Stones. Ich bin voller Vorfreude, die allerdings vor Ort sehr schnell getrübt wird.
Ich bekomme den vorletzte Parkplatz hier oben und die Leute regen mich einfach nur auf. Es sind viele Menschen mit Kindern unterwegs und genau diese Kinder toben zwischen den Steinen mit einer Lautstärke, die mich stark an unseren Pausenhof erinnert
Auf einer Seite haben sich die Fotografen niedergelassen, dicke Stative und Objektive. Zwischen den Steinen lärmende Kinder, die jegliches Gefühl für diesen Ort kaputt machen. Dazwischen Mütter mit Handy, die ihre Kinder fotografieren wollen - bei Gegenlicht sehr sinnvoll
Argh!
Ich bin Lehrerin und ich liebe Kinder, aber genau deshalb versuche ich ihnen immer beizubringen, dass man Respekt haben muss: Respekt vor dem Gegenüber egal ob groß oder klein, jung oder alt, schwarz oder weiß, aber auch Respekt vor der Natur, Respekt vor dem Eigentum anderer, Respekt vor Orten wie z.B. einer Kirche. Neben Respekt ist mir Rücksichtnahme sehr wichtig - ich kann mich in der Gesellschaft nur respektvoll benehmen, wenn ich Rücksicht nehme, Empathie für andere habe und meine eigenen Bedürfnisse nicht als den Nabel der Welt betrachte. So schwierig ist das gar nicht und auch Kinder können das verstehen, wenn man es ihnen erklärt - manchmal auch mehrfach. Aaaaber, wenn ich es ihnen nicht erkläre, sie nicht dazu anhalte ihre Umwelt und andere mit ihren Bedürfnissen wahrzunehmen,wie sollen sie es lernen. Viele Kinder wachsen in dem Verständnis auf, nur ihre eigenen Bedürfnisse wären wichtig. Man darf in Restaurants lärmen und rennen, denn Kinder sind so. Man darf distanzlos sein, alles anfassen oder nehmen. Man darf an einem solchen Abend zwischen jahrtausendalten Steinen lärmen und fangen spielen, weil man eben das Bedürfnis hat - egal was andere darüber denken oder sich wünschen. Die Kinder können nichts dafür - aber wo bleiben die Eltern und deren Aufgabe, dies ihren Kindern zu vermitteln?
Sorry, das war nun ein Ausbruch. Aber genau diese Situation an diesem Abend hat mir wieder deutlich gemacht, was so schief läuft und ich sehe das in der Schule jeden Tag. Es ist keine gute Entwicklung und meine Aufgabe, die Kinder für die weitere Schullaufbahn und ihr Leben vorzubereiten wird immer schwieriger.
Zum Philosophieren oder Jammern bin ich aber nicht hier. So mache ich mit zusammengekniffenen Lippen meine 850 Fotos, um 845 dann auszusortieren, weil sich kleine Quälgeister zwischen den Steinen bewegen.
Auf dem Rückweg zur Hatchery gelingen mir noch diese Aufnahmen:
Was für ein toller Tag! Ich trinke noch ein Glas Wein auf diesen und gehen dann schnell schlafen, denn auch morgen habe viel vor!