Passend wie die Faust aufs Auge: ich habe gerade den Artikel der Virologin Ciesek gelesen, wo sie behauptet, die Angst vor den Impfnebenwirkungen wäre unbegründet, weil Covid-19 in jedem Fall das größere Risiko darstellt. Für Menschen meines Alters (>60) sehe ich das absolut genauso, aber sie muss ja wieder die ganz große Keule auspacken und bezieht sich explizit auf junge Menschen, resp. Personen unter 30 Jahren.
Dazu bemüht sie einen "Rechner aus Cambridge", also einen Gefahrenrechner in Sachen Covid-19, der von der Uni Cambridge entwickelt wurde und mit dessen Hilfe jeder "sein persönliches" Risiko ausrechnen soll. Dazu gibt es ein paar Dinge zu sagen, ich habe den Rechner nämlich gefunden und mal angeschaut:
1) Die zugrunde gelegten Zahlen und Annahmen beziehen sich ausnahmslos auf das englische Gesundheitssystem und das englische Infektionsgeschehen. Es ist absolut unseriös, länderspezifische Daten einfach auf andere Länder zu übertragen. Alleine schon deswegen sollte ihr das Geschreibsel peinlich sein.
2) Es kommt aber noch besser: der o.g. Rechner betrachtet die Personen in unterschiedlichen Altersgruppen - allerdings geht die jüngste Gruppe erst bei 30(!) Jahren los. D.h. für Personen unter 30 Jahre macht der Rechner ÜBERHAUPT KEINE AUSSAGE. Und schon gar nicht die Aussage (s.o.), dass auch für diese Personen eine Impfung das geringere Risiko wäre.
Trotzdem steht diese Meldung in ungefähr elfundneunzig Medien, sie ist jetzt das Maß der Dinge. Niemand hat sich die Mühe gegeben (außer mir) und mal nachgeschaut,, was denn da WIRKLICH gerechnet wird. Es ist völliger Mumpitz aus diesem Rechner herzuleiten, dass für Menschen unter 30 Jahren die Impfung weniger Risiken birgt als die Nicht-Impfung. Aber Frau Ciesek behauptet es einfach. Fertig, abgehakt.
Weil mich das Thema auch interessiert, habe ich mal versucht, mit deutschen Statistiken eine vergleichbare Aussage (aber wirklich für unter 30 Jährige) herzuleiten. Von Februar 2020 bis Februar 2021 sind in Deutschland ca. 60 Menschen unter 30 Jahren an Corona verstorben. Nehmen wir nur die Patienten ab 16 Jahren (darunter ist eine Impfung noch nicht möglich), muss ich leider schätzen, so filigran sind die Statistiken nicht. Nehmen wir an, ca. 40 Menschen waren zwischen 16 und 30 Jahre alt. Die restlichen 20 verteilen sich u.a. auch auf ausgesprochene Kinder im einstelligen Alter, da sind mehr verstorben, als ich überhaupt gedacht hätte. Sieht etwas eigenartig aus, aber ist natürlich trotzdem ein superkleiner Wert. Wie viele Menschen sind zwischen 16 und 30 Jahre alt? Ungefähr 10 Millionen, zwischen 1990 und 2005 sind ca. 700.000 Menschen pro Jahr lebend geboren worden. Also ist im letzten Jahr in dieser Gruppe pro 250.000 Menschen einer an/mit Corona verstorben. Wären die gleichen Menschen mit AstraZeneca geimpft worden, so wären mindestens 1 pro 100.000 an Hirnvenenthrombose gestorben (vielleicht auch mehr, denn hier sind besonders jüngere Menschen gefährdet), also 2,5 mal so viele Fälle als hätte sich keiner geimpft.
Natürlich bedeutet es in beiden Fällen ein ausgesprochen geringes Risiko, aber es ist keinesfalls so, dass für junge Menschen diese Impfung "ungefährlicher" ist als die Bedrohung durch Covid-19.