11. Tag – Donnerstag, 30.09. -Sturmtag-Architektur und DüneIn der Nacht bin ich immer wieder aufgewacht, das ist wohl der stärkste Sturm, den ich je erlebt habt. Durchgängig war ein Rauschen vor den Fenstern zu hören, dazu dann immer wieder noch lautere Böen. Gegen Morgen wird es etwas ruhiger.
Gegen neun Uhr gehe ich den «Falm» auf dem Oberland entlang, von dieser Straße hat man direkten Blick auf das Unterland und die Düne. Oh ja, die Wellen sind hoch, an der Kaimauer und den Tetrapoden am äußeren Hafen und am «Kringelstrand» schießt das Wasser immer wieder in die Höhe. Zu schade, dass dieser gesamte Abschnitt wegen Bauarbeiten gesperrt ist.
Noch deutlicher sichtbar werden die hohen Wellen beim Blick rüber zur Düne. Ich überlege kurz, die Fähre zur Nachbarinsel zu nehmen, weiss aber nicht, ob sie wegen der Wellen überhaupt fährt und wenn ja, wäre mir das zu «schaukelig».
Ich spaziere daher vom «Falm» ein Stück hinunter ins Mittelland von wo man einen besseren Blick auf die Kaimauer am Hafen hat, vor allem nachdem ich auf das Teleobjektiv wechsle, kann ich auch aus der Entfernung über längere Zeit den Blick auf die Wellen genießen. Ich beobachte ein paar Leute, die über die Wiesen zum «Kringelstrand» absteigen, es ist kein Verbotsschild zu sehen, aber das ist mir zu heikel.
Ich gehe wieder zurück aufs Oberland und schaue mir noch einige architektonisch interessante Punkte aus dem Flyer zur Architektur Helgolands an, den ich mir in der Touristinfo mitgenommen habe.
Ich hätte gerne eine Architekturführung mitgemacht, es finden aber leider keine während meiner Zeit auf der Insel statt, so dass mir nur die Infos des Bunkerführers gestern und die aus dem Flyer bleiben.
Auf den (oder jedenfalls meinen) ersten kurzen Blick auf den bebauten Teil von Helgoland sieht das wie eine typische 50iger/60iger Jahre Siedlung wie es sie in Deutschland vielfach gibt, aus (ausgenommen natürlich die Hummerbuden), außergewöhnlich ist nur, dass es (fast) keine «modernen» Gebäude gibt.
Tatsächlich wurden die meisten der Gebäude, die sich heute auf Helgoland befinden, in den 1950iger und 1960iger Jahre erbaut, nach Zweitem Weltkrieg, Big Bang und Übungsbombenabwürfen, gab es keine intakten Gebäude mehr auf der Insel als sie 1952 an Deutschland zurückgegeben wurde. Viele der ehemaligen Bewohner wollten Helgoland genauso wieder aufbauen, wie es vor dem Krieg gewesen war, die Verantwortlichen schrieben aber einen Architekturwettbewerb aus, die Zerstörung sollte als Chance für Verbesserung genutzt werden. (Das nachfolgende Bild ist aus dem Bunker gestern abfotografiert, leider das einzige Bild, das ich aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg habe)
Zur Erinnerung an die Geschichte wurde beschlossen, die geographischen Auswirkungen der Bombardierungen nicht zu beseitigen, d.h. das Mittelland blieb bestehen und auch die vielen Bombenkrater auf dem unbebauten Teil des Oberlands. Ebenso erhalten wurde das unter Hitler künstlich aufgespülte Nord-Ost-Land (wo sich jetzt z.B. die Jugendherberge und der Sportplatz befinden).
Architektonisch entschied man sich für Gebäude in Anlehnung sowohl an die Bauhaus Architektur als auch an den skandinavischen, insbesondere dänischen Stil. Das heißt schnörkellos, mit ausgeprägten Ecken und Kanten und unter Verwendung von kräftigen Farben (letztere sind nicht irgendwie zufällig gewählt, sondern von einem Hamburger Künstler speziell für Helgoland entwickelt worden, insgesamt sind es 14 verschiedene Farben).
Die Anordnung der Häuser folgte hauptsächlich den klimatischen Bedingungen auf der Insel: eine dichte Bebauung mit vielen versetzt gebauten Vorsprüngen, verschachtelte Gassen, verwinkelte Dächer, um den häufigen Nordseewind innerhalb des Orts abzuschwächen.
Auch die Schule, die Jugendherberge und die Hummerbuden wurden entsprechend dieses Plans in den 1950iger Jahren gebaut. (Interessant – das Schulgebäude wurde nach dem Vorbild der dänischen Munkegaard Schule des Architekten Arne Jacobsen gestaltet, von ihm sollte ich einige Wochen später auf meinem Kopenhagen Trip noch einiges sehen – davon wusste ich aber während meines Aufenthalts auf Helgoland noch gar nichts.)
Auf der Ostseite des Klippenrandwegs entlang gehe ich bis zum Jägerstieg, den ich zum Nordstrand hinabsteige. Der Sturm hat eine riesige Menge Algen bzw, Seetang herangespült, optisch weniger schön, für die Vögel scheinbar eine ergiebige Futterquelle.
In der Ferne kann ich einen schönen Regenbogen sehen, hier bleibt es zum Glück trocken.
Ich spaziere weiter in Richtung Hafenanlagen, wo man weiterhin das hochspritzende Meer beobachten kann.
Am Strand der Promenade ist deutlich brauner Sand und/oder Sedimente im Wasser zu sehen, das durch den Sturm aufgewühlt wird.
Bei wunderbarem Sonnenschein gehe ich weiter zu den Hummerbuden, hier wie auch schon an der Strandpromenade ist und bleibt es heute sehr ruhig, kein Schiff vom Festland legt an, für eine Überfahrt ist es viel zu stürmisch, daher bleiben die Tagestouristen aus, viele Geschäfte und kleinere Restaurants insbesondere in den Hummerbuden bleiben deshalb geschlossen.
Mittagessen gibt es gegen 12 Uhr im «Flamingo» in der Fußgängerzone, das Dorschfilet mit Bratkartoffeln und Salat ist sehr lecker, dazu trinke ich einen Rhabarbersaft (EUR 22,00).
Auch nach dem Essen scheint noch die Sonne, so dass ich mich doch noch für einen Ausflug auf die Düne entscheide. Leider fährt die Fähre heute wegen der Wetterbedingungen (bzw. vermutlich wegen der dadurch geringen Zahl an Fahrgästen) nicht halbstündlich, sondern nur stündlich und ich muss eine dreiviertel Stunde auf die nächste Abfahrt um 14 Uhr warten. Die Zeit nutze ich für ein paar weitere Fotos der Inselbebauung auf dem Unterland.
Bis ich dann die nur zehnminütige Überfahrt auf der schaukelnden Fähre (EUR 6 Hin- und Rückfahrt) hinter mich gebracht habe, sind schon wieder viele Wolken im Anzug. Zunächst kann ich aber meinen Strandspaziergang genießen, die Düne ist landschaftlich nicht mit der Hauptinsel zu vergleichen, hier gibt es weißen Sand und grün bewachsene Dünen.
Am Südstrand mit dem hübschen rot-weiß gestreiften Leuchtturm
holen mich die Wolken dann ein, es fängt an zu schütten, zusammen mit dem heftigen Sturm, der den Sand quer über die Insel treibt, ist ein weiterkommen fast unmöglich, irgendwie kämpfe ich mich zum Dünenrestaurant durch. Hier kann ich mich bei Himbeerkuchen und Milchkaffee wieder aufwärmen und trocknen. Der Regen lässt bald etwas nach, sonnig wird es aber nicht mehr, so dass ich vom Restaurant den direkten Weg zum Fähranleger nehme, hoffentlich kann ich morgen die Düne bei besserem Wetter nochmal besuchen.
Zurück auf der Hauptinsel mache ich noch einen Versuch den Klippenrandweg entlang zu spazieren. Nach einem Blick auf die Lange Anna breche ich ab, der Sturm ist so stark, dass ich kaum die Kamera gerade halten kann und wenn ich den Wind im Rücken habe, muss ich extrem aufpassen, nicht hinzufallen, der Sturm drückt gegen die Beine, so etwas habe ich noch nie erlebt.
Den stürmischen und trotzdem sehr abwechslungsreichen und über längere Zeit sonnigen Tag beende ich daher recht früh und hoffe auf weniger Sturm morgen.
Wetter: sehr stürmisch, längere sonnige Abschnitte, dazwischen kräftige Regenschauer, ca. 16 °C