3. Tag – Donnerstag, 02.03.
Heute soll es den ganzen Tag bewölkt sein und immer mal wieder regnen, da bietet es sich an, diesen Tag in Turku zu verbringen.
Ins Stadtzentrum kann ich den Bus nehmen, die Haltestelle ist nur ein paar Minuten zu Fuß von meiner Unterkunft entfernt. Wie auf Mallorca kann im Turkuer Nahverkehr auch einfach mit Kredit- oder EC Karte bezahlt werden, ein Ticket muss nicht gekauft werden. Besser gelöst als auf Mallorca ist hier, dass man nur beim Einsteigen die Karte scannen muss, aber nicht mehr beim Aussteigen, Strafgebühren wegen Vergessens oder Nichtfunktionierens des Geräts sind so ausgeschlossen, funktioniert aber nur, weil alle Strecken, egal wie weit, dasselbe kosten (EUR 3,00).
Nach ungefähr zwanzigminütiger Fahrt erreiche ich gegen 8.40 Uhr den Marktplatz von Turku. Dieser wurde gerade neugestaltet, einiges ist noch nicht ganz fertig, insgesamt ein schöner Platz umgeben von sowohl historischen Häusern, als auch modernen. Auffällig ist die Orthodoxe Kirche von 1846, deren Architekt C.L. Engel war, der auch für das Zentrum von Helsinki verantwortlich ist, die Ähnlichkeit ist deutlich – Pastellfarbe, Kuppel, Säulen (rund um die Kirche wird noch gebaut, daher kann ich sie nicht von innen besichtigen).
Turku war in der Zeit als Finnland zu Schweden gehörte, die Hauptstadt des Landes, ist heute mit 194.000 Einwohnern nur die sechstgrößte Stadt Finnlands, hat aber immer noch einige Bedeutung als Sitz von zwei Universitäten und einem großen Fähr- und Industriehafen, die Meyer Werft habe ich schon erwähnt.
Südlich vom Marktplatz stehen einige hübsche historische Gebäude, darunter auch die Kaupahalli (Markthalle, die es in jeder etwas größeren finnischen Stadt gibt), es gibt aber auch einige leerstehende und verwahrlost aussehende Gebäude.
Modern ist die Bibliothek der Stadt (von 2007),
dahinter erreiche ich den Aurajoki mit schöner Promenade, der man am Fluss entlang bis zum Hafen folgen kann. Sie ist gesäumt von teils historischen Häusern und vielen Cafés, Restaurants, Bars, auch Restaurantschiffen.
Ich gehe zunächst flussaufwärts zum Dom. Dieser ist die größte und wichtigste mittelalterliche Kirche Finnlands und Sitz des evangelischen Erzbischofs, dem Oberhaupt der Lutherischen Kirche des Landes. Auf dem großen Vorplatz ist zurzeit eine Art Sommerbiergarten aufgebaut, mehrere Cafés und, im unteren Bereich zum Fluss hin, Bühnen mit Sitzplätzen befinden sich hier, am frühen Vormittag hat das meiste noch geschlossen, eine sehr nette Idee finde ich, um den Platz zu beleben.
Natürlich schaue ich mir den Dom, der von 1229 bis 1300 erbaut wurde, auch von innen an. Hier ist es ziemlich düster, bemerkenswert ist die neugotische Kanzel von C.L. Engel entworfen und das Grab von Karin Måndotter (kein Foto gemacht, zu dunkel), der einzigen schwedischen Königin, die in Finnland begraben ist.
Nach der Innenbesichtigung spaziere ich einmal rund um den Dom. Hier stehen viele alte Holzhäuser, einige davon waren Teil der Schwedischen Universität, ein modernes Gebäude gibt es auch, das ist das Sibelius Museum, in dem es um den berühmten finnischen Komponisten geht (in Helsinki war ich letztes Jahr beim Sibelius Monument, mit den Orgelpfeifen aus Metall, die eher an Baumstämme erinnern) und um Musikinstrumente im Allgemeinen.
Angrenzend an den Domplatz befindet sich der Alte Markt, der besonders im Winter eine Rolle spielt, hier findet ein Weihnachtsmarkt statt und vom orangefarbenen Haus mit dem Balkon wird an Heiligabend der Weihnachtsfrieden verkündet, übertragen vom Fernsehen in ganz Finnland.
Vom Alten Markt gehe ich ein Stückchen am Fluss entlang flussabwärts und dann weg vom Fluss den Vartiovuori (Wachtberg) hinauf, ein Park mit von C.L. Engel entworfener Sternwarte und einem Punpenhaus im Jugendstil, beides hinter Felsen, Büschen und Bäumen kaum zu sehen.
Auf der anderen Seite des Parks erreiche ich das Freilichtmuseum Luostarinmäki. Ein Freilichtmuseum im eigentlichen Sinn, also mit aus einer ganzen Region zusammengetragenen und wiederaufgebauten Gebäuden, ist es nicht, sondern ein erhaltener bzw. in den ursprünglichen Zustand des 18. Jh. zurückgebauter Stadtteil von Turku.
Das Viertel blieb als einziges vom großen Feuer 1827 verschont und wurde, anders als ursprünglich geplant, nicht zusammen mit dem Rest der Stadt nach dem Brand völlig neu konzipiert.
Am Eingang bezahle ich EUR 10,00 Eintritt, dann bummle ich durch die Gassen und schaue mir auch einen Teil der Häuser von innen an. Es gibt sowohl alte Wohnungen als auch verschiedene Handwerksbetriebe zu sehen, z.T. arbeiten dort der Zeit entsprechend gekleidete Personen. In einem der Häuser wird die Geschichte des Viertels dargestellt, die vielen Diskussionen nach dem Brand, ob das Viertel erhalten werden soll oder nicht und dann die schon frühen Anfänge als Museum ab 1940, in dem noch sehr lange einige der Angestellten und ihre Familien tatsächlich wohnten. Diesen Teil finde ich besonders interessant.
Zum Mittagessen gehe ich wieder ins Stadtzentrum. Von den Lokalen am Fluss suche ich mir das „Tintå“ aus, hier gibt es verschiedene Lunchgerichte, ich bestelle die „Korean Steakpizza“, Wasser und danach Kaffee sowie Pralinen sind in den EUR 13,90 enthalten. Es ist warm genug, dass ich draußen am Fluss sitzen kann.
Nach dem Essen wechsle ich nochmal auf die andere Seite des Aurajoki
und schaue mir das vom großen finnischen Architekten Alvar Aalto entworfene Stadttheater an und nicht weit davon entfernt, das Wäinö-Aaltonen-Museum (nur von außen), in dem viele Werke dieses berühmten finnischen Bildhauers zu sehen sind.
Wieder geht’s danach auf die andere Flussseite und den Berg hinauf zur Michaelskirche. Dieses im Reiseführer mit knappen anderthalb Sätzen als neugotische Kirche, entworfen 1899-1905 vom Architekten Lars Sonck, der „ansonsten eindeutig den Jugendstil bevorzugt hat“ beschriebene Gebäude ist eine wunderschöne Überraschung für mich. Schon im Eingangsbereich ist klar, dass Lars Sonck nicht nur „ansonsten“ den Jugendstil mochte, sondern ihm auch hier, trotz der neugotischen Fassade, gefolgt ist. Im Kircheninneren wird das noch deutlicher, herrliche Jugendstilelemente finden sich überall – ich bin hin und weg. Das erinnert mich sehr an die Kallio Kirche in Helsinki, allerdings ist diese hier noch viel schöner.
Dem ausliegenden Flyer (sogar auch auf Deutsch) entnehme ich, dass Sonck mit dem neugotischen Kirchenäußeren einen Architekturwettbewerb gewonnen hat, vor Baubeginn seine Entwürfe gerne geändert und die Kirche auch von außen im Jugendstil gebaut hätte. Das wurde ihm verständlicherweise verwehrt, immerhin hatte er mit dem neugotischen Äußeren den Wettbewerb gewonnen. Aber im Inneren gab man ihm ziemlich freie Hand und so kam es zum Stilbruch, außen Neugotik, innen Jugendstil und Nationalromantik.
In den 1950iger Jahren wurde das dann aber geändert, das Kircheninnere nach und nach in einen neugotischen Kirchenraum umgewandelt. All die schönen Wandmalereien wurden übermalt. Zum Glück hat man bereits in den 1960igern dies als Fehler erkannt und zum Teil rückgängig gemacht, eine große Restauration fand dann in den 1980iger Jahren statt, heute entspricht der Kircheninnenraum wieder dem Original.
Nach Nutzung der Toilette in der Michaelskirche (in Finnland gibt es in fast allen Kirchen Toiletten, sehr praktisch) spaziere ich in das angrenzende Stadtviertel Port Arthur. Hier gibt es einige Straßenzüge mit gut erhaltenen bunten Holzhäusern. Diese Häuser wurden Anfang des letzten Jahrhunderts von den Russen gebaut (Finnland gehörte damals zu Russland), doch woher kommt der für Finnland oder Russland unpassende Name? Im Russisch-Japanischen Krieg (1904-05) verlor der Zar sein bisheriges Pachtgebiet Port Arthur in der Mandschurei an Japan (wobei Port Arthur eigentlich Lüshun hieß, den westlichen Namen Port Arthur von den Briten erhielt, die dort im 19. Jh. Kolonialmacht waren) und ließ dann als eine Art Ersatz diesen Stadtteil von Turku erbauen und entsprechend benennen.
Einen kurzen aber kräftigen Regenschauer warte ich unter einem Baum ab, dann geht’s weiter auf den Hügel Kakolanmäki. Hier wurde vor ein paar Jahren ein ehemaliges Gefängnis zum Hotel umgebaut und daneben wird zurzeit ein modernes Wohnviertel errichtet mit Cafés, Restaurants und kleinen Geschäften.
Der nächste Regenschauer trifft mich, als ich den neu errichteten „Funicular“ anschaue, ein Schrägaufzug, der den Hügel Kakolanmäki mit der Flusspromenade verbindet. Die Fahrt ist kostenlos und automatisch, aber wohl eher eine Spielerei als echte Notwendigkeit, denn es sind nur wenige Höhenmeter zu überwinden.
Am Fluss angekommen hat der Regen aufgehört und es klart sogar auf. Ich folge der Promenade flussabwärts und komme an der Skulptur „Harmonia“ des deutschen Achim Kühn vorbei, errichtet 1996 im Rahmen des „Turku Environmental Art Project“. Ein Wasserbus fährt an mir vorbei, am gegenüberliegenden Ufer sehe ich das Restaurant „Nobi“ über dem ein „Stein“ von einem Kran gehalten, hängt.
Als nächstes komme ich am Forum Marinum vorbei, auf einem ehemaligen Werftgelände wird in mehreren Gebäuden zum Thema Schifffahrt und Hafenstadt Turku ausgestellt, dazu gehört eine Reihe von historischen Schiffen, die hier am Fluss verankert sind.
Auf eine Besichtigung des Museums habe ich keine Lust, genauso wenig wie auf die Innenbesichtigung der Turun Linna, der Burg von Turku, die etwas zurückversetzt vom Fluss an dessen Mündung ins Meer liegt. Ich schaue mir sie von außen an, soweit das möglich ist. Gerne wäre ich ins Burgcafé gegangen, dieses ist aber geschlossen, zumindest das, das ohne Burgeintritt zu bezahlen, zu erreichen ist.
Ich gehe daher zurück zum Forum Marinum und setze mich ins dortige Café. Das Schoko-Karamell-Törtchen und der Cappuccino sind lecker (EUR 9,50). Im Museumsshop schaue ich dann nach Postkarten, bisher habe ich noch nirgends welche gesehen, die mir gefallen hätten, leider gibt es hier nur welche mit historischen Schiffen als Motiv, ich möchte aber welche mit allgemein Turku oder auch Finnland als Motiv.
Dann spaziere ich die gesamte Promenade wieder flussaufwärts Richtung Stadtzentrum. Dabei sehe ich die „Föri“, eine kostenlose Fähre über den Fluss für Fußgänger und Fahrradfahrer, außerdem nochmal das Stadttheater, davor liegt eines der zahlreichen Restaurantschiffe.
Zurück am Marktplatz schlendere ich noch durch das dortige Einkaufszentrum, wieder auf der Suche nach Postkarten, wieder erfolglos. Sehr merkwürdig, letztes Jahr in Helsinki gab es „überall“ Postkarten.
Gegen 17 Uhr fahre ich mit dem Bus zurück nach Raisio. Nach einer kurzen Pause in der Wohnung gehe ich dann nochmal zum Supermarkt, meine Vorräte brauchen Auffrischung. Hier habe ich heute mal Zeit für einen etwas ausführlicheren Blick in die Regale und bin erstaunt, wie klein doch die Auswahl bei fast allem ist (das war schon in Helsinki so, da dachte ich aber, dass es daran lag, dass es kleine Supermärkte in der Innenstadt waren) mit der Ausnahme von Milch und Joghurt (Milch gibt es von zig verschiedenen Herstellern und in allen Größen und Fettstufen, bei Joghurt und Quark ist es ähnlich), Wasser wird dagegen von den Finnen wohl hauptsächlich dem Wasserhahn entnommen, es gibt fast gar keine Auswahl und das wenige das da ist, ist kohlensäurehaltiges Wasser (das war allerdings anders in Helsinki letztes Jahr).
Den Tag beende ich in der Wohnung mit Abendessen und den üblichen Abendbeschäftigungen.
Wetter: bewölkt, mehrere kurze Regenschauer, ab Spätnachmittag zunehmend sonnig, teils kalter Wind, ca. 15°C