6. Tag – Sonntag, 11.06.Trotz einiger zusätzlicher «Arbeiten» wie Abwasch und restliches Kofferpacken, alles ins Auto bringen wegen des Unterkunftswechsel bin ich wie geplant um 8 Uhr startklar. Heute stehen mir einige Stunden Autofahrt bevor, die durch zwei Wanderungen in zwei Nationalparks aufgelockert werden sollen.
Meine erste Etappe ist sehr kurz, der Kurjenrahka Nationalpark liegt nur ca. 40 km nördlich von Turku.
So erreiche ich gegen 8.30 Uhr den Kurjenpesä Parkplatz des Parks. Nach Nutzung der Trockentoilette starte ich den Savojärven kierros, also den Rundwanderweg um den See Savo. Auf dem Parkplatz stehen ein paar Autos, andere Wanderer treffe ich aber zunächst nicht.
Nach einem kurzen geteerten Wegabschnitt durch den Wald führt der Weg, der nun aus Holzbohlen besteht durch ein weites Moor bzw. Sumpfwiesen, vom See ist hier noch nichts zu sehen. Es ist wunderschön hier, die Sonne scheint, es ist noch morgendlich kühl, außer Vogelrufen ist nichts zu hören und der Holzbohlenweg leitet abwechslungsreich mal durch das offene Land, dann durch Nadelwald, dann durch Laubwald. Und dank der Holzbohlen muss man nur das Gleichgewicht bewahren, Wurzeln und Steine als Stolperfallen gibt es nicht.
Nach ca. einer dreiviertel Stunde Marsch wird aus den Holzbohlen ein schmaler Erdweg, dann ein breiter und ich erreiche den Park- und Zeltplatz Rantapiha. Hier gibt es Trockentoiletten, eine Schutzhütte, Grillmöglichkeiten und eine große Wiese, auf der einige Zelte stehen, die Bewohner sind überwiegend dabei zu frühstücken oder ihre Sachen zusammenzupacken, ein paar liegen scheinbar auch noch in den Zelten. Das ist wohl auch aufgrund der Nähe zu Turku ein beliebter Zeltplatz für das Wochenende.
Bald wird aus dem Erdweg wieder ein Holzbohlenweg, der nun immer in Sichtweite des Sees verläuft. Immer mal wieder kann man auch direkt ans Ufer, oft ist es aber zu matschig, um die Holzbohlen zu verlassen. Von den vielen Vögeln, die es im Nationalpark gibt, höre ich überwiegend nur Gezwitscher, einmal sehe ich 6 Schwäne (oder ist es eine andere Vogelart?) auf dem Wasser, allerdings sehr weit entfernt, hier wäre mein Teleobjektiv hilfreich (das ich in diesem Urlaub nicht dabeihabe).
Auf diesem Wegabschnitt begegne ich zum ersten und letzten Mal, abgesehen von den Leuten am Zeltplatz, einer anderen Wanderin. Wir grüßen uns, überholen uns gegenseitig ein paar Mal und jedes Mal sagt die Finnin mehr, weil es am Anfang nur ein, zwei Worte sind, lächle ich freundlich, ein Hinweis darauf, dass ich kein Finnisch verstehe lohnt sich da nicht und als sie dann bei jeder Begegnung mehr sagt, ist es zu spät, noch zu sagen, dass ich sie nicht verstehe – wirklich doof, wenn man eine Sprache so überhaupt nicht versteht. Na ja irgendwann überhole ich sie ein letztes Mal und treffe dann niemanden mehr bis zum Parkplatz, den ich gegen viertel vor elf nach 2 Stunden Wanderung wieder erreiche. Das war eine entspannte herrliche Wanderung.
Die nächsten gut drei Stunden sitze ich im Auto. Zuerst ein paar Kilometer auf kurviger Landstraße durch idyllische Wiesen mit vereinzelten Bauernhöfen, dann auf stärker befahrenen, teils autobahnähnlichen Schnellstraßen vorbei an der Großstadt Tampere weiter nach Norden. Höchstgeschwindigkeit ist meist 80 km/h, manchmal immerhin 100 km/h (auf Autobahnen sind oft 120 km/h erlaubt, aber eine Autobahn gibt es auf dieser Strecke nur mal kurz rund um Tampere).
Nun habe ich Zeit, mein Auto näher kennenzulernen, insbesondere die verschiedenen Töne, die es immer wieder von sich gibt: ich stelle fest, es gibt zwei unterschiedliche Töne, einer zur Warnung, wenn ich (angeblich) meine Fahrspur verlasse, einer zur Warnung vor den zahlreichen Radargeräten. Das ist richtig toll, das Auto hat tatsächlich einen Radarsensor, der mich schon bevor die Kamera in Sichtweite kommt, vor ihr warnt. In Finnland wird zwar auf bevorstehende Radarfallen durch Schilder hingewiesen, wann (und ob überhaupt) nach einem Schild dann die Kamera kommt, ist immer wieder anders und so ist der Radarsensor sehr hilfreich (bei einer Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h auf trockener, gut ausgebauter Straße ist die Versuchung, es den Einheimischen gleich zu tun und die erlaubte Geschwindigkeit etwas zu überschreiten, groß).
Auf einem Parkplatz esse ich zu Mittag ein belegtes Brötchen aus meinem Proviant, später komme ich an einer großen Raststätte mit Toilette, Tankstelle, Restaurant und Shop vorbei, schade, hier hätte ich zu Mittag essen können, aber ob und wann Raststätten mit dieser Ausstattung kommen, ist hier nicht vorab ersichtlich, eine einheitliche Beschilderung wie auf deutschen Autobahnen zur Ausstattung von Park- und Rastplätzen gibt es in Finnland leider nicht.
80 km nordöstlich von Tampere erreiche ich gegen 14 Uhr den Isojärvi (= großer See) Nationalpark. Zum Heretty Parkplatz führt mich eine 12 km lange unbefestigte Straße, nun sieht mein Auto fast schon aus, wie das der meisten Einheimischen: die hintere Scheibe ist bedeckt mit einer hellbraunen Staubschicht (und der Staub dringt natürlich auch in alle Ritzen des Autos), durchschauen wird bald nicht mehr möglich sein.
Auf dem Parkplatz stehen einige Autos, am danebenliegenden Heretty Café, einer Holzhütte, in der Snacks, Eis, Kuchen, Kaffee, Getränke verkauft werden, außerdem Wanderkarten und ein paar Souvenirs (leider wieder keine Postkarten) machen ein paar Wanderer Pause. Vor der Wanderung mache ich nach der langen Autofahrt erst noch Kaffeepause, mit Karottenkuchen und einer Tasse Kaffee (EUR 7,00) setze ich mich an einen der Holztische im Freien.
Anschließend begebe ich mich auf den Hevosenlenkki Trail (=Pferdeweg, in Erinnerung an die Arbeitspferde, die früher bei Baumfällarbeiten eingesetzt wurden), einen Rundweg durch den Wald und an mehreren Seen vorbei. Gleich zu Beginn bin ich etwas frustriert, der Weg besteht fast nur aus Steinen und Felsen unterschiedlicher Größe, jeder Schritt muss genau bedacht werden, ich komme kaum voran.
Ich überlege den kürzesten der drei Trails, die am Anfang noch auf derselben Route verlaufen zu nehmen, schließlich ist es schon 14.30 Uhr und wer weiß, wie lange ich bei diesen Wegbedingungen für den eigentlich gewählten 6 km Rundweg brauchen werde. An der Abzweigung überwiegt dann aber doch mein Ehrgeiz und ich gehe wie geplant weiter auf dem blau markierten Hevosenlenkki. Tatsächlich wird dann, wie zur Belohnung, der Weg deutlich angenehmer, allerdings nur für kurze Zeit. Ganz so felsig wie zu Beginn wird es zum Glück aber nicht mehr, dafür kommen aber einige Steigungen hinzu. Insgesamt macht mir der Trail dann aber doch großen Spaß und insbesondere die Ausblicke auf die verschiedenen Seen sind wieder mal sehr schön. Was mir schon in den letzten Tagen auffiel bestätigt sich heute nochmal deutlich: obwohl die Sonne ja erst nach 23 Uhr untergeht, wird das Licht bereits ab 15 Uhr weicher – ein ganz besonders schöne Lichtstimmung finde ich.
Ungefähr nach der Hälfte des Wegs nutze ich den Rastplatz Kuorejärvi (am gleichnamigen See) mit Feuerstelle, offener Schutzhütte und Trockentoiletten zu einer Pause mit meinem zweiten belegten Brötchen, das vom Mittagessen übrig ist.
Gegen viertel vor fünf bin ich nach 2 Stunden zurück am Parkplatz. Ich hatte auf ein Eis aus dem Heretty Café gehofft, das Café hat eigentlich bis 17 Uhr geöffnet, ich wäre also gerade noch rechtzeitig gewesen, aber der junge Mann, der das Café betreibt, schließt gerade ab, als ich daran vorbeikomme. Dann halt nicht. Ich fülle meine Trinkflasche an der Wasserzapfstelle (die es häufig an verschiedenen Stellen in den Nationalparks gibt) auf und nehme dann die letzte Etappe für heute unter die Räder. Auf der Wanderung bin ich drei Leuten begegnet, einem Paar zu Beginn und später einem Einzelwanderer.
Meine Ferienwohnung für die nächsten vier Nächte liegt in Mänttä, vom Isojärvi NP ist es noch eine Stunde Fahrt (für 50 km!) über Landstraßen nach Norden.
In Mänttä stoppe ich noch am Supermarkt (der wie die meisten Supermärkte in Finnland auch sonntags geöffnet hat) und erreiche meine Wohnung gegen 18.30 Uhr.
Der Schlüssel ist in einer Schlüsselbox auf dem Balkon der Wohnung im Hochparterre. Die Box ist durch die Gitterstäbe der Balkonbrüstung von außen mit der Hand zu greifen (ein paar Tage vor Anreise habe ich den Code für die Box und ein Foto von der Lage der Box auf dem Balkon von der Vermieterin bekommen).
Mänttä ist durch die Entscheidung des Unternehmers Gustaf Adolf Serlachius (1830 -1901), dort im Jahr 1869 eine Papierfabrik zu bauen, vom abgelegenen Dorf zu einiger Bedeutung in Finnland gekommen (dazu später mehr), das Mehrfamilienhaus, in dem sich meine Ferienwohnung befindet, wurde 1951 zusammen mit zwei anderen Häusern für die Arbeiter der Papierfabrik und ihre Familien gebaut. Als die Papierfabrik in den 1990iger Jahren schließen musste, standen die Wohnungen erstmal leer.
Um Mänttä wieder etwas Leben einzuhauchen, wurde 1994 ein jährlich wiederkehrendes Kunstfestival ins Leben gerufen, in dessen erstem Jahr waren die leerstehenden Wohnhäuser Teil der Ausstellungsräume. Später konnten die Wohnungen von Privatpersonen erworben werden. Diese Gelegenheit hat auch meine Vermieterin genutzt, sie ist in Mänttä geboren und aufgewachsen (hat allerdings nicht in einem der Mehrfamilienhäuser gewohnt), zum Studium nach Helsinki (oder Tampere?) gegangen und dortgeblieben, wollte aber eine Ferienwohnung für sich und in ihrer Abwesenheit zum Vermieten dort haben.
Die Wohnung ist im Stil der 1950iger Jahre eingerichtet, im Wohnzimmer hängt (das dann nicht stilecht) ein großes modernes Bild eines verlassenen Fabrikgebäudes im Ort, gemalt für das Kunstfestival, es gibt viel Informationsmaterial zum Ort und seiner Geschichte. So etwas mag ich sehr, etwas weniger Dekoartikel wären besser, ich muss einiges beiseite räumen, um Platz für meine eigenen Sachen zu haben.
Wetter: sonnig, ca. 22° C
Wanderungen: Kurjenrahka Nationalpark, Savojärven kierros, 7,10 km, 47 Höhenmeter; Isojärvi Nationalpark, Hevosenlenkki, 6,97 km, 208 Höhenmeter