Autor Thema: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan  (Gelesen 203703 mal)

Flicka

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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #255 am: 24. August 2014, 17:29:02 »
11. April: Hiroshima – Miyajima - Hiroshima

Ich wache schon um sechs Uhr auf, dabei gibt es doch heute morgen gar keine buddhistische Morgenzeremonie, an der ich teilnehmen könnte. Also bleibe ich liegen, surfe im Internet und schreibe Mails. Dazwischen schaue ich ab und zu aus dem Fenster. Leider wirkt der Himmel diesig, und am Boden offenbar Hiroshima auch nicht gerade besondere Schönheit.




Um neun Uhr verlasse ich dann das Hotel. Heute ist ein Besuch geplant, der mich auf meiner Reise am weitesten von Tokio wegführt, nämlich zur Insel Miyajima in der Inlandsee. Zuerst fahre ich mit der Straßenbahn Nr. 7 zum Bahnhof Yokogawa. In der Straßenbahn gilt ein Einheitspreis, man steigt also einfach ein und wirft beim Aussteigen Y 160 in den Münzschlitz neben dem Fahrer.




Ab dem Bahnhof Yokogawa nehme ich den Zug bis Miyajima-guchi. Die Fahrt dauert etwa eine halbe Stunde, und vom Bahnhof aus ist nach kurzem Fußmarsch auch die Fähre hinüber zur Insel erreicht, die erfreulicherweise im Railpass eingeschlossen ist.

Als ich zur Fähre gehe, merke ich schon, dass irgendwas mit dem linken Fuß nicht stimmt. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich umgeknickt wäre, aber der Fuß fühlt sich verstaucht, gezerrt oder entzündet an, jedenfalls kann ich nicht richtig abrollen und verfalle auf den letzten Metern zur Fähre in ein leichtes Hinken. Hm, hoffentlich wird das nicht schlimmer.

Auf der Fähre tummeln sich schon mehrere Schulklasse, alle in den gleichen blauen Trainingsanzügen mit den gleichen blauen Umhängetaschen. Die haben bestimmt Wandertag. Als nach etwa 15 Minuten Fahrt die Fähre auf Miyajima anlegt, ist für die Schüler erst am Antreten zum Appell angesagt, dann setzen sich alle und lauschen den Anweisungen der Lehrerschaft, die ebenfalls in Trainingsanzügen unterwegs ist.




Ich gehe weiter an der Strandpromenade entlang, während ein paar Meter unter mir kleine Wellen auf den Sand schlagen. Miyajima, die heilige Schrein-Insel, zählt zu den drei schönsten Landschaften Japans. Wie in Nara gibt es auch hier Rehe, die sich auf Straßen und Wegen unter die Touristen mischen. Eine italienische Reisegruppe verfällt in kollektive verzückte „Bambi!“-Rufe, und ich denke mir, dass sie noch nicht wissen, wie gefährlich diese Bestien sind. Aber wie sich herausstellt, sind die Rehe hier auf Miyajima sehr nett und betteln ausgesprochen zurückhaltend und höflich, was wahrscheinlich daran liegt, dass es hier keine Reh-Kekse gibt und das Füttern ausdrücklich verboten ist.






Nach einem kurzen Spaziergang erreiche ich den Itsukushima-Schrein. Der Schrein wurde auf Stelzen über dem Wasser gebaut. Bei Flut reicht das Wasser fast bis zu den Gebäuden und Stegen. Das einfache Volk, das die Insel früher nicht betreten durfte, konnte bei Flut mit dem Schiff durch das berühmte „schwimmende“ Torii zum Schrein fahren, das ein Stück vor dem Schrein im Wasser steht. Jedenfalls steht das Tor im Moment noch halbwegs im Wasser, aber derzeit fällt das Wasser, in zwei Stunden soll tiefste Ebbe sein, dann kann man vielleicht sogar bis zum Tor gehen. Ich fotografiere das Tor und werde dann von ein paar reizenden japanischen Omis gefragt, ob ich ihre Gruppenfotos machen kann. Na klar. Ein paar Minuten später weiter unten am Strand treffen wir uns mit großem Hallo wieder und ich mache dann auch noch ihre Gruppenfotos am Strand. Als wir uns verabschieden, rufe ich ihnen ein Wort nach, das mir gerade aus dem Japanisch-Onlinekurs einfällt, nämlich „matane!“, bis bald! Die Omis kichern und ich bin stolz auf mich: Ich kann sogar auf japanisch scherzen, wer hätte das gedacht?




Im Schrein wird – wie sollte es anders sein – natürlich auch geheiratet. Naomi, bei der ich letzte Woche zu Besuch war, hatte auch hier geheiratet und sich anschließend mit der Rikscha durch die Straßen fahren lassen.














Von hier aus bummele ich immer noch leicht hinkend durch die Straßen hinter dem Schrein.






Ich streife durch ein paar Souvenirgeschäfte und erreiche schließlich die Senjokaku-Halle und die danebenstehende fünfstöckige Pagode. Senjokaku heißt übrigens „Pavillon der 1000 Matten“. Damit sind die angeblich 1000 Tatami-Matten gemeint, die in der Halle Platz haben. Die Halle ist nach allen Seiten offen. Am Eingang erklimmt man ein paar Stufen und zieht wie üblich seine Schuhe aus, bevor man den Holzboden betritt. Ein Ausländer weigert sich hier aber beharrlich, dieser Sitte zu folgen. Ich habe keine Ahnung warum, vielleicht sind ihm seine Socken peinlich? Das Problem ist allerdings schnell gelöst, denn die Frau am Kassenhäuschen bindet ihm einfach zwei Plastiktüten um die Füße. Laut raschelnd dreht er eine schnelle Runde durch die Halle und verschwindet dann gedemütigt, bevor ich ihn fotografieren kann. Also dann halt doch „nur“ Fotos der Sehenswürdigkeiten.














Als ich wieder zum Schrein zurückgehe, ist das Wasser so weit zurückgewichen, dass man zum Tor und sogar um das Tor herumlaufen kann. Hm, ganz schön groß.




Inzwischen ist es ein Uhr, und ich mache mich auf den Weg zur Seilbahnstation, um hinauf auf den 520 Meter hohen Berg Misen zu fahren. Die Frau, die die Tickets verkauft, sieht mich heranhinken und nennt mir ohne Nachfrage den Preis für Hin- und Rückfahrt. Eigentlich hatte ich ja vorgehabt, hinauf zu fahren und in eineinhalb Stunden runter zu laufen, aber mit dem Hinkefuß ist das wohl keine gute Idee. Netterweise ist die Seilbahn nicht voll und ich bekomme sogar ein Abteil für mich alleine. Nach der Warterei am Fuji und den vollgestopften Zügen und Seilbahnen dort empfinde ich das eigene Abteil hier als regelrechten Luxus.




Von einer Zwischenstation geht es dann noch ein Stück weiter hinauf. Nach dem Aussteigen hat man einen schönen Blick auf die Inlandsee, also das Meer, das zwischen den Hauptinseln Honshu (im Norden), Shikoku (im Süden) und Kyushu (im Westen) liegt. Hier mache ich kurz Rast und esse die gerösteten Kastanien, die ich mir unten im Ort noch gekauft habe.




Von der Seilbahnstation aus führt dann ein Wanderweg zum höchsten Gipfel der Insel und an einigen Tempeln und Schreinen vorbei. Zwischendurch treffe ich tatsächlich die japanischen Omis wieder, und wir begrüßen uns schon wie alte Bekannte.


















Mir macht aber der schmerzende Fuß immer mehr zu schaffen. Der Weg besteht größtenteils aus unregelmäßigen Stufen, und zweimal falle ich beinahe hin, weil der Fuß beim Aufsetzen wegknickt. Ich bin jedenfalls heilfroh, als ich nach knappen zwei Stunden wieder die Seilbahnstation erreiche. Auf dem Weg nach unten fühle ich mich dann plötzlich, als hätte jemand auf einen Schlag sämtliche Energie aus meinem Körper gesaugt. Selber schuld, schimpfe ich mit mir, außer den Kastanien habe ich heute noch nichts gegessen. Warum bin ich eigentlich auch so blöd und mache immer wieder  denselben Fehler und stürme ohne Frühstück und Proviant einfach los? Unten angekommen ziehe ich mir jedenfalls erst mal ein Schokoladeneis aus einem Automaten, das hilft gegen Entkräftung und schlechte Stimmung, aber leider nicht gegen Fußschmerzen. Aber immerhin kann ich hier auf dem ebenen Boden wieder viel leichter gehen.

Ich kaufe T-Shirts mit Drachenmotiven für die Patenkinder, eine Schachtel mit den typischen Süßigkeiten der Insel, nämlich gefüllte Biskuits in Form von Ahornblättern und finde dann ein Restaurant, das noch geöffnet ist, was nachmittags um halb fünf gar nicht so einfach ist, denn die Insel ist ein Tagesausflugsziel und viele Leute sind schon auf dem Weg zur Fähre. Das Restaurant bietet wieder die typischen Hiroshima-Pfannkuchen an. Ich setze mich an die Theke, trinke ein Bier, und esse einen Pfannkuchen mit Shrimps.






Insgesamt sind meine Abwehrkräfte heute offenbar empfindlich geschwächt, vielleicht liegt es aber auch an der Enthemmung durch das große Bier, denn nach dem Essen kaufe ich mir tatsächlich für 650 Yen eine knallbunte Hello-Kitty-Tragetasche. Dann ist schon die Zeit gekommen, wieder zum roten Tor zurückzugehen, denn es dauert nicht mehr lange bis zum Sonnenuntergang. Zum Glück gibt es kaum noch Wolken, und die Sonne scheint golden durch das Tor.






Motiviert durch das schöne Fotomotiv, will ich die letzten Fotos für heute von der anderen Seite der kleinen Bucht machen und humpele hinter dem Schrein vorbei und zur Uferpromenade auf der anderen Seite der kleinen Bucht. Es wird dunkel, und so langsam beginnt das rote Tor im Licht der Scheinwerfer zu leuchten. Leider ist es ein wenig windig, und mein Gorillapod kein richtiges Stativ, so dass ich einige Fotos machen muss, bis dann doch ein verwacklungsfreies dabei herauskommt. Vor mir glucksen die Wellen gegen die Mauern, im Hintergrund fahren ab und zu beleuchtete Fähren vorbei, und das Tor leuchtet geheimnisvoll über dem Wasser. Nach Sonnenuntergang noch hier zu bleiben hat sich absolut gelohnt.




Schließlich mache ich mich langsam auf den Weg zurück zum Fährhafen, nehme die Fähre um acht Uhr und den Zug um kurz vor halb neun zurück nach Hiroshima. Hier am Bahnhof Miyajima-guchi liegen auf den harten Holzstühlen am Bahnhof übrigens nette Sitzkissen. Auf einem deutschen Bahnhof wäre so etwas wohl nicht vorstellbar.




Nach einer Straßenbahnfahrt hinke ich schließlich die letzten Meter ins Hotel, wo ich gegen neun Uhr ankomme und erschöpft aufs Bett falle. Ich fühle mich irgendwie gar nicht gut, gerade so als wäre ich auf dem besten Weg zu einer fiesen Erkältung. Als ich meine Mutter über Skype anrufe, erzähle ich ihr aber lieber nur was von dem bösen Fuß, sonst macht sie sich noch unnötige Sorgen um das arme Kind, das krank in Hiroshima im Hotelzimmer liegt. Ich lutsche provisorisch Halsschmerztabletten und nehme eine Aspirin, dann lege ich mich schlafen.

Ausgaben des Tages:
Straßenbahnfahrten Y 320
Itsukushima-Schrein Y 300
Senjokaku-Halle Y 100
Seilbahn Y 1800
Abendessen Y 1600
Getränke Y 300
1 ÜN im Crowne Plaza Y 8500
Das rote Tor von Miyajima nach Sonnenuntergang: unbezahlbar

Andrea

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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #256 am: 24. August 2014, 17:46:22 »
Wirklich unbezahlbar! Tolle Bilder von dem Tor.

Aber Aua! Dein Fuss und die Schlappheit machen mir doch Sorge. Hoffentlich ist nach dem Aufwachen alles wieder gut!
Liebe Grüße, Andrea



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Paula

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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #257 am: 24. August 2014, 17:55:02 »
Flicka das kann ich dir nachfühlen, ich hatte im letzten USA Urlaub auch 2Tage einen schmerzenden Fuß und konnte kaum laufen obwohl ich mich auch an keine Verletzung erinnern konnte. Hoffentlich wird es morgen wieder besser!

Von dem herrlichen Schrein im Wasser haben wir erst nach unserem Japanurlaub gelesen bzw. Bilder gesehen, da will ich in meinem Leben auch noch hin! Und ich verneige mich vor deinen Fähigkeiten! Ich wundere mich die ganze Zeit in wievielte Bahnen und Busse du steigst ohne dich jemals zu verfahren und jetzt sprichst du schon mit Japanerinnen!

Und Josef hat sich gerade über die vielarmige Steinfigur gewundert weil das völlig untypisch für Japan ist, weißt du was die bedeuten soll?
Viele Grüße Paula

Flicka

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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #258 am: 24. August 2014, 18:23:42 »

Und Josef hat sich gerade über die vielarmige Steinfigur gewundert weil das völlig untypisch für Japan ist, weißt du was die bedeuten soll?


Ich habe gerade mal geschaut, aber leider nichts speziell zu einer Figur auf dem Berg Misen gefunden. Generell gibt es in Japan aber die buddhistische 1000armige Kannon, vielleicht ist sie dargestellt?


Was den Fuß angeht, kann ich leider keine Entwarnung geben...

Flicka

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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #259 am: 27. August 2014, 19:45:31 »
12. April 2014: Hiroshima - Kanazawa

Die letzte Woche in Japan ist angebrochen, und mein Körper zeigt langsam erste Auflösungserscheinungen. Der linke Fuß ist immer noch empfindlich, am rechten Fuß habe ich inzwischen große Blasen, ich huste und niese ein wenig und habe beim Schlucken ein Kratzen im Hals. Da ist der Entschluss schnell gefasst, noch eine Viertelstunde länger im Bett liegen zu bleiben und den Weg zum Bahnhof per Taxi und nicht per Fußmarsch und Straßenbahn anzutreten. Der Taxifahrer bringt mich für 1190 Yen ans Ziel, und ich kaufe mir erst mal Verpflegung. Um 8.18 Uhr beginnt dann die Fahrt mit dem Sakura-Shinkansen zurück nach Shin-Osaka.




Ich packe meine Enkäufe aus und frühstücke erst mal ordentlich: Toast mit panierter Hähnchenbrust (lecker), eine Bentobox mit Reis, Gemüse und irgendwelchem Fisch (na ja), und eine paar Mini-Donuts (sehr lecker). Gestärkt tippe ich den Reisebericht von gestern ins Laptop, und nach eineinhalb Stunden erreicht der Zug pünktlich Osaka.

Hier habe ich eine halbe Stunde Zeit zum Umsteigen. Schon zwanzig Minuten vor Abfahrt des Thunderbirds nach Kanazawa stehe ich am Gleis und stelle mich schon mal an die Markierung für den Waggon 4, in dem ich einen Platz reserviert habe.




18 Minuten passiert dann erst mal gar nichts, dann verkündet eine Lautsprecherstimme, dass der Zug nach Kanazawa und irgendeinem anderen Ort fährt und einige Waggons, auch der Waggon 4, zu diesem anderen Ort. Ich gehe jetzt einfach mal optimistisch davon aus, dass der JR-Mitarbeiter, der mit den Platz im Waggon 4 reserviert hat, wusste, was er tat und dass erst mal alle Wagen nach Kanazawa fahren. Was mich dann aber leicht aus der Fassung bringt ist die Ansage, der Waggon 9 sei vorne am Zug, der Waggon 1 hinten, und da fährt der Zug auch schon in den Bahnhof ein, und vor mir erscheint statt des Wagons 4 tatsächlich der Wagon 9. Also los, zwei Wagons am Bahnsteig entlang, dann schnell rein in den Zug und die Waggons 7 bis 5 im Zug durchquert. Als ich schließlich an meinem Platz im Wagon 4 ankomme, sind wieder viele fremde Schienbeine unfreiwillig mit meinem großen Koffer in Kontakt gekommen. Aber schließlich ist mein Platz 2D erreicht, und den Koffer kann ich problemlos hinter der Reihe eins unterbringen. Als ich endlich sitze, wird mir klar, dass ich der Thunderbird ja kein Shinkansen ist. Ich hätte wohl die Wagenstandsanzeige anschauen müssen, dann hätte ich wahrscheinlich gesehen, dass der Wagen 4 gar nicht im Abschnitt 4 hält. Egal, jetzt bin ich ja im richtigen Wagen angekommen.

Die Fahrt dauert zweidreiviertel Stunden. Zwischendurch hält der Zug in Kyoto. Ich erkenne aus dem Fenster die Ticket-Gates, die ich schon ein paar mal passiert habe und finde es schön, mal wieder etwas vertrautes zu sehen. Bei der Verkäuferin, die ab und zu ihren Wagen durch die Gänge schiebt, kaufe ich mir Getränkenachschub. Gegen Ende der Fahrt fallen mir immer wieder die Augen zu und ich würde mich am liebsten schlafen legen. Heute bin ich wirklich nicht fit.

Um kurz vor eins erreicht der Zug Kawazana, und als ich gerade unten im Bahnhof angekommen bin, beginnt plötzlich ein Blasorchester im Bahnhof zu spielen. Na, das ist ja mal eine Begrüßung, denke ich mir. Bisher hat mich keine der Städte, in der ich war, so empfangen.




Im Bus-Ticket-Center kann ich dann die reservierten Nohi-Bus-Tickets für die Fahrten morgen und übermorgen kaufen und bin erleichtert, dass unter meinen Reservierungsnummern auch tatsächlich Reservierungen existieren. Dann frage ich nach dem Machi-Bus, den ich eigentlich zum Hotel nehmen will, aber als ich die vielen Leute sehe, die dort schon Schlange stehen, ist die Entscheidung schnell getroffen: Ich fahre wieder Taxi. Bis zum Hotel kostet es letztendlich 1420 Yen, das zahle ich gerne. Schließlich humpele ich inzwischen auf beiden Füßen.

Ich logiere heute wieder in einem Toyoko Inn, nämlich dem Toyoko Inn Kenrokuen. Ins Zimmer kann ich noch nicht, aber den Koffer kann ich abgeben, und so ziehe ich schließlich gegen zwei Uhr los zum nahen Naramachi-Distrikt. Das ist ein Bereich, in dem sich einige der alten Samurai-Häuser erhalten haben. Hier lebten - nicht weit entfernt von der Burg von Kanazawa - Samurai mit ihren Familien.








Ich hinke langsam die Straßen entlang und besuche als erstes das Nomura-Haus. Überall wird der Eindruck erweckt, dass es sich um eine ehemalige Villa der Samurai-Familie Nomura handelt, einer meiner Reiseführer verrät aber, dass von der ehemaligen Villa nichts übrig ist und dass das Haus erst zu Anfang des 20. Jahrhunderts vom Land hierher „überführt“ wurde. Trotzdem scheint es ein typisches Beispiel eines solchen Samurai-Hauses zu sein, also will ich mal nicht zu streng sein.




Am Haus kommt gerade eine Schweizer Reisegruppe an, und das kollektive Schuheausziehen gerät zu einem derartigen Schauspiel, dass die Japaner stehenbleiben und gaffen. Eine dicke Schweizerin schleudert die Schuhe regelrecht von ihren Füßen, so dass sie zwei Meter weit fliegen, ihrem Begleiter vor die Füße, der sie nachsichtig aufhebt. Ich warte lieber ein paar Minuten, bevor ich hineingehe, denn ich möchte meinen Besuch hier in Ruhe und Frieden verbringen.














Nach dem herrschaftlichen Nomura-Haus gehe ich ein Stück weiter zum Ashigaru-Shiryokan-Museum. Ashigaru waren Fußsoldaten, der niedrigste Rang der Samurai. Hier sieht man, wie solche Samurai wohnten, nämlich in relativ einfachen Verhältnissen.




Schließlich schaue ich mir noch das Shinise-Kinenkan-Museum, eine ehemalige Apotheke an. Dort sind auch Beispiele für die Handwerkskunst ausgestellt, die in Kanazawa beheimatet ist und war. Zur Edo Zeit war Kanazawa eine der reichsten Städte Japans, und die handwerklichen Traditionen haben sich bis heute erhalten.














Inzwischen ist es kurz nach vier und ich gehe zurück Richtung Hotel. Ein paar Meter schräg gegenüber vom Hotel ist ein Kaufhaus, und dorthin gehe ich in der Hoffnung, etwas zu essen zu finden. Im Untergeschoss finden sich mal wieder wunderbar präsentierte Süßigkeiten und andere Lebensmittel, vom europäischen Erdbeertörtchen über japanische Snacks bis zum hierzulande besonders beliebten Baumkuchen.








Ich will nichts davon, und als ich mich frage, was ich denn eigentlich will, wird mir klar: Ich will ein Käsebrot. Kaum ist mir dieser Gedanke gekommen, habe ich schon das Gefühl, dass ich diesen Tag ohne Käsebrot nicht überleben werde. Aber hier ein Käsebrot zu bekommen, das kann ich mir wohl abschminken. Und eigentlich will ich auch kein normales Käsebrot, sondern ein Camembert-Baguette. Kaum habe ich das gedacht, betrete ich einen Bereich, der als französische Boulangerie angepriesen wird. Und tatsächlich, da gibt es richtiges Baguette mit knuspriger Kruste!

Jetzt müsste ich nur noch Käse finden. Ich schiebe mich mit Argusaugen an den Regalen vorbei, da hinten ist ein Hinweis auf Kiri-Käse, vielleicht, vielleicht... Ja, da liegt ein einsamer Président-Camembert, nur ein einziges Exemplar. Er scheint förmlich auf mich gewartet zu haben und ich schnappe ihn mir sofort, obwohl kein Preis dransteht und er direkt neben dem Kaviar liegt, was schlimmes vermuten lässt. Aber wenn das Schicksal mir so unverhofft einen Camembert geschickt hat, dann muss ich auch zugreifen, egal was es kostet.






Es kostet letztlich 900 Yen, ca. 6 -7 Euro, was ich eigentlich erstaunlich günstig finde, dazu dann nochmal 400 Yen für das Baguette. Inzwischen bin ich so fix und fertig und fahrig, dass ich beim Bezahlen den Inhalt meines Geldbeutels auf dem Boden verteile. Hilfsbereite Japaner bücken sich und fangen an, die Münzen aufheben, während ich erst mal dumm gaffend stehenbleibe. Oh, wie peinlich. So schnell ich mit meinen lädierten Füßen kann, humpele ich dann mit meinen Schätzen aus dem Kaufhaus und schleppe mich ins Hotel, bekomme den Zimmerschlüssel und meinen Koffer und werfe mich im Zimmer erleichtert aufs Bett. Ich fühle mich wirklich nicht gut, und meine Abendpläne, die in einem Besuch des beleuchteten Kenrokuen-Gartens und eines eventuell stattfindenden Festes irgendwo in Kanazawa bestanden hätten, storniere ich kurzerhand zugunsten eines Picknicks im Bett. Wie ich dann anhand des Kassenzettels feststelle, hätte der Käse regulär 1800 Yen gekostet, war aber um 50 Prozent reduziert.

Inzwischen ist klar, dass mich ein richtiger Schnupfen erwischt hat, die Nase ist zu, ich fühle mich fiebrig und ich schniefe schon wie die Japaner. Schon gegen sechs Uhr fallen mir die Augen zu und ich kuschele mich tief unter die Decke.

Ausgaben des Tages
Taxifahrten Y 2600
Nomura-Haus Y 500
Shinise-Kinenkan-Museum Y 100
Snacks und Getränke Y 3800
1 ÜN im Toyoko Inn Kenrokuen Y 4980
In der Fremde einen französischen Président zu finden: unbezahlbar

Andrea

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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #260 am: 27. August 2014, 23:36:06 »




Darth Vader? Auf jeden Fall stand der doch wohl für diese Figur aus Star Wars Pate...

Mensch, du bist aber tapfer! Fußkrank und erkältet machst du noch Sightseeing. Respekt!
Liebe Grüße, Andrea



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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #261 am: 28. August 2014, 08:55:35 »




also mir wäre jetzt gerade nach dem Grünteekuchen, die fand ich immer soo lecker!

das ist wirklich Mist dass du nun nach schmerzenden Füßen auch noch eine Erkältung hast. Ich kann dir das gerade gut nachfühlen, meine Erkältung geht seit einer Woche nicht weg. Ich sitze gerade mit einer Wärmflache auf dem Schoß am PC. Echt doof dass man diese Erkältungen immer bekommt wenn man sie gerade gar nicht brauchen kann.
Toll, dass du dich trotzdem auf dem Weg gemacht hast. Das Samurai Haus ist wirklich sehr schon! Durch Osaka sind wir damals nur durchgefahren wenn ich mich recht erinnere.
Wie hast du eigentlich die Sitzplätze in den Zügen reserviert? das haben wir nie gemacht. Bist du am Bahnhof an einen Schalter gegangen oder kann man das im Internet machen?
Viele Grüße Paula

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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #262 am: 28. August 2014, 19:35:27 »

Darth Vader? Auf jeden Fall stand der doch wohl für diese Figur aus Star Wars Pate...

Mensch, du bist aber tapfer! Fußkrank und erkältet machst du noch Sightseeing. Respekt!


Der finstere Geselle hat die Besucher schon im Eingang erwartet. Mich hat ja vor allem die liebevoll ausgearbeitete große Nase beeindruckt.  :)

Ja, und tapfer habe ich mich an diesem Tag auch gefühlt. Aber ich hätte sowieso nach der Ankunft noch nicht ins Hotelzimmer gekonnt, also habe ich die Zähne zusammengebissen. Ein paar Stunden später ging dann aber echt nix mehr.



also mir wäre jetzt gerade nach dem Grünteekuchen, die fand ich immer soo lecker!

Ich kann dir das gerade gut nachfühlen, meine Erkältung geht seit einer Woche nicht weg. Ich sitze gerade mit einer Wärmflache auf dem Schoß am PC.

Wie hast du eigentlich die Sitzplätze in den Zügen reserviert? das haben wir nie gemacht. Bist du am Bahnhof an einen Schalter gegangen oder kann man das im Internet machen?

Grünteekuchen habe ich leider nicht probiert, ich habe mir die Törtchen meistens nur angeschaut, wenn ich irgendwo welche gesehen habe, hatte aber irgendwie keine Lust darauf. Da habe ich vielleicht was verpasst.

Die Erkältung hatte ich mir zwischenzeitlich auch in einer Neuauflage eingefangen, sozusagen "August 2014 - Erkältung reloaded". Diesmal hats mich auch im Urlaub erwischt, in Südtirol. Zum Glück ist es inzwischen besser. Letzte Woche habe ich noch erbarmungswürdig gehustet.

Die Platzreservierungen für die Züge vom heutigen Reisetag habe ich schon am ersten Tag in Tokio im Bahnhof machen lassen. Das ging ganz einfach am Schalter, aber ich hatte mir zuhause schon rausgesucht, welche Züge ich nehmen will. Es war heute ja eine relativ lange Fahrtstrecke mit Umsteigen, da habe ich lieber vorher eine sinnvolle Verbindung rausgesucht. Ich glaube, über Internet geht es vom Ausland aus (noch) nicht, da bin ich mir aber nicht ganz sicher. Die Reservierungen waren übrigens dank Rail Pass kostenlos.

andi7435

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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #263 am: 30. August 2014, 19:43:33 »
Ich muss mal eine abschweifende Frage einwerfen. Himeji hast du nicht besuchst ? Habe ich das überlesen oder kommt das doch ? Wenn nicht, dann sicherlich wegen den Bauarbeiten oder ?

Andreas

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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #264 am: 31. August 2014, 09:17:41 »
Ich muss mal eine abschweifende Frage einwerfen. Himeji hast du nicht besuchst ? Habe ich das überlesen oder kommt das doch ? Wenn nicht, dann sicherlich wegen den Bauarbeiten oder ?


Himeji hätte ich gerne besucht und wäre ggfs. auf der Fahrt von Hiroshima nach Kanazawa dorthin gefahren, aber die Burg war zu meiner Reisezeit noch stark von den Bauarbeiten beeinträchigt. Aber die Burg von Matsumoto habe ich besucht. Das kommt noch später im Bericht.

andi7435

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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #265 am: 31. August 2014, 09:46:45 »
Ich muss mal eine abschweifende Frage einwerfen. Himeji hast du nicht besuchst ? Habe ich das überlesen oder kommt das doch ? Wenn nicht, dann sicherlich wegen den Bauarbeiten oder ?


Himeji hätte ich gerne besucht und wäre ggfs. auf der Fahrt von Hiroshima nach Kanazawa dorthin gefahren, aber die Burg war zu meiner Reisezeit noch stark von den Bauarbeiten beeinträchigt. Aber die Burg von Matsumoto habe ich besucht. Das kommt noch später im Bericht.

Ich habe mir jetzt einige aktuelle Fotos angesehen. Da die Außenanlagen fertig sein dürften - lt. Plan 08/14 - kommt es mit auf meinen Besuchsplan.

Andreas

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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #266 am: 31. August 2014, 09:51:59 »
Die Burg lohnt sich bestimmt. Im Japan-Forum wurde allerdings auch geäußert, dass direkt nach Abschluss der Arbeiten der Besucherandrang dort relativ groß sein dürfte. Nur mal als Warnung. Abhalten würde ich mich dadurch aber vermutlich auch nicht lassen.

andi7435

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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #267 am: 31. August 2014, 10:04:27 »
Die Burg lohnt sich bestimmt. Im Japan-Forum wurde allerdings auch geäußert, dass direkt nach Abschluss der Arbeiten der Besucherandrang dort relativ groß sein dürfte. Nur mal als Warnung. Abhalten würde ich mich dadurch aber vermutlich auch nicht lassen.

Endgültig fertig dürfte die Burg im Frühjahr 2015 sein. Ab Oktober soll die Inneneinrichtung wieder rein, wenn ich das richtig gelesen habe.

Andreas

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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #268 am: 14. September 2014, 19:47:06 »
13. April 2014: Kanazawa - Shirakawago

Als ich heute morgen aufwache, schaue ich erst mal zum Nachttisch. Tatsächlich, da stehen drei ausgetrunkene Dosen Cola. Es war also nicht nur ein Traum im Fieberwahn, dass ich heute nacht um eins völlig ausgedörrt hinunter in die Lobby gegangen bin und alles aus dem Automaten gezogen habe, was an Cola verfügbar war. Immerhin scheine ich mich dabei angezogen zu haben und nicht im Schlafanzug hinuntergegangen zu sein, denn die Klamotten liegen jetzt überm Koffer und nicht wie gestern abend überm Stuhl.

Das Zimmermädchen wird sich später sicher fragen, wie der Gast in Zimmer 318 es geschafft hat, in einer einzigen Nacht sämtliche Kosmetiktücher aufzubrauchen, aber ich musste meinen wertvollen Vorrat an Tempotaschentüchern schonen und habe auf hoteleigene Ressourcen zurückgegriffen. Natürlich kann es auch sein, dass das Zimmermädchen schon bei dem Anblick der vielen Baguettekrümel auf dem Boden einen Zusammenbruch erleiden und die leere Kosmetiktücherbox gar nicht mehr bemerken wird.

Immerhin fühle ich mich heute morgen viel besser, und nach einer langen heißen Dusche checke ich schließlich gegen neun Uhr aus, gebe mein Gepäck zur Aufbewahrung und mache mich auf den kurzen Fußweg zum Kenrokuengarten. Der soll zu den drei schönsten Landschaftsgärten Japans gehören, und die Kirschblüte hier in Kanazawa ist noch auf dem Höhepunkt, ich bin also gespannt. Unterwegs ist an einer Kreuzung noch ein schöner 3D-Lageplan zu finden. Das Kind in der Mitte gehört allerdings nicht zur ständigen Installation, sondern wollte unbedingt fotografiert werden.






Im Landschaftsgarten gibt es eine erfreuliche Mitteilung: Wegen der Kirschblüte ist der Eintritt kostenlos. Das macht den Garten gleich mal sympatisch. Eigentlich hatte ich mir ja von einem Landschaftsgarten wenig erwartet, eher sowas wie Blumenrabatte und ab und zu ein paar Bäume und Felsen. Aber der Kenrokuen ist wirklich zauberhaft mit vielen kleinen Ecken und immer neuen Perspektiven. Schade nur, dass ziemlich bewölkt ist und dass nicht nur eine deutsche Touristin, sondern auch ein paar tausend Japaner den Sonntagvormittag im Garten genießen wollen. So gerät es zum Geduldsspiel, Fotos ohne allzu viele Leute zu machen. Aber ich habe ja Zeit, und außerdem mahnen der Humpelfuß und die Schniefnase ohnehin, es langsam angehen zu lassen.






















Zwischendurch schaue ich noch in das Crafts-Museum, das direkt am Garten liegt. Kanazawa ist eine traditionelle Handwerkerstadt, und von gefärbter und bemalter Seide über Blattgold bis zu Masken und Musikinstrumenten wird hier vieles in Handarbeit hergestellt. Das Museum gibt einen Überblick über die verschiedenen Künste.












Wieder im Garten überlege ich, ob ich mir noch die angrenzende Seisonkaku-Villa anschaue, aber irgendwie kann ich mich nicht dazu aufraffen. Lieber im Shiguretei-Teehaus einen Tee trinken und eine der dort angebotenen Süßigkeiten essen. Denke ich naiv, habe aber wieder mal die Rechnung ohne die vielen anderen Menschen gemacht, die auf dieselbe Idee gekommen sind, denn am Teehaus macht mir die im Kimono gekleidete Mitarbeiterin mit Händen und Füßen und unter Zuhilfenahme einer Uhr klar, dass die Wartezeit derzeit etwa vierzig Minuten beträgt. Das übersteigt meine heutige Toleranzschwelle dann doch um ca. dreißig Minuten, also gehe ich weiter.




Als ich langsam den Rückweg antrete, sehe ich, dass in dem kleinen Park gegenüber ein Handwerksmarkt stattfindet. Dort werden schöne, aber leider auch relativ teure und nicht ganz koffertaugliche Töpfer- und Glaswaren und andere Dinge angeboten. Auch Imbissstände gibt es hier, aber wer hätte es gedacht: Lange Schlangen finden sich dort leider auch. Staunend stelle ich fest, dass es sogar Schlangen gibt, die sich um den kompletten Imbissstand herumwinden. Zum Glück findet sich in einem etwas abgelegenen Teil des Markts dann noch etwas für mich, und zwar eine kleine Pizza in Blütenform. Sehr nett. Danach stelle ich mich gesättigt an einem Verkaufswagen an und kaufe mir noch einen mit Erdbeeren, Sahne und Kuchen gefüllten Pfannkuchen. Den kann man zwar kaum essen, ohne dass man aussieht, als wäre man mit dem Gesicht in eine Torte gefallen, aber er ist sehr lecker.






Damit ist mein Besuch in Kanazawa leider schon beendet, was mir ein wenig leid tut. Bei mehr Zeit und Energie hätte ich hier beispielsweise den Ninja-dera, einen Tempel mit Geheimgängen und versteckten Türen, ein Geisha-Viertel oder das Museum für moderne Kunst besuchen können oder an einem halbtägigen Handwerkskurs teilnehmen können. Aber immerhin konnte ich mir ja ein paar Sachen anschauen und musste nicht die ganze Zeit krank im Hotelzimmer bleiben. Also fahre ich für sagenhaft günstige 900 Yen mit dem Taxi zu Bahnhof und warte noch zwanzig Minuten an der Haltestelle des Überlandbusses, der pünktlich um 13.25 Uhr nach Shirakawago abfährt.

Mein heutiges Ziel ist das Dorf Ogimachi, das größte Dorf in Shirakawago. Dort stehen einige traditionelle japanische Bauernhäuser, manche über 250 Jahre alt. Der Ort wurde zum Weltkulturerbe erklärt und ist Ziel von vielen Tagestouristen. Man kann aber auch in einigen der traditionellen Häuser übernachten. Auf dem Weg rücken die Berge immer näher, auf vielen liegt noch Schnee. Das sind dann wohl schon die japanischen Alpen. Der Bus fährt durch mehrere lange Tunnels, dann erreicht er schließlich um 14.40 Uhr Shirakawago. Von hier aus muss ich mit meinem Koffer nur noch über eine Brücke und ein kurzes Stück durch den Ort und erreiche das Gasthaus „Kidoya“, in dem ich heute nacht schlafen werde. Ich werde schon in der Tür begrüßt, die Gastgeberin hält mir ein Blatt mit meinem Namen und meiner Adresse unter die Nase, und ich bestätige, dass das meine Buchung ist. Dann reibt sie erst mal gründlich meinen Koffer und den staubigen Fotorucksack ab, bevor der Koffer, der Rucksack und ich das Haus betreten dürfen. Nur die Schuhe müssen wie üblich draußen bleiben. Bei der Begehung meines Zimmers latsche ich natürlich sofort wieder mit Pantoffeln auf die Tatami-Matten, merke es aber nach zwei Schritten und stelle die verbotene Schuhbekleidung schnell auf dem Gang ab. Auf Tatami-Matten nur mit Strümpfen!








Im Kidoya habe ich es nicht so komfortabel wie im Tempel in Koyasan: Toilette und Waschbecken sind im Gemeinschaftsbereich, ebenso wie das heiße Bad, was aber typisch für diese Gästehäuser ist.

Den restlichen Nachmittag nutze ich für einen Streifzug durch Shirakawago. Der Ort ist vollgepackt mit Touristen, aber die meisten sind nur auf einem Tagesausflug hier. Ich gehe an verschiedenen Häusern vorbei. In manchen wohnen Leute, manche sind Gästehäuser, in anderen sind Shops und Cafés untergebracht. Vom Aussichtspunkt über dem Ort verschaffe ich mir einen Überblick. Es seht wirklich hübsch aus, fast wie ein Spielzeugdorf.
















Wie überall, wo sich viele Touristen einfinden, ist auch Hello Kitty schon da.




Manche Häuser kann man von innen besichtigen, das hebe ich mir aber für morgen auf und gehe, als die Sonne gegen fünf Uhr hinter den Bergen verschwindet, zurück zur Unterkunft. Dort mache ich mir erst mal Tee und schlüpfe dann fürs Abendessen in die bereitgelegte Yukata. Außer mir übernachtet nur noch eine vierköpfige schwedische Gruppe hier, die ich beim Abendessen kennenlerne. Mit dem bereitgestellten Glas Sake prosten wir uns zu: Kampai! Das Essen wird in vielen kleinen Schüsselchen serviert: unterschiedliches Gemüse, Reis, für mich gemäß Vorbestellung extra keinen Fisch. Dazu gibt es Hida-Rind, das so gut sein soll wie das berühmte Kobe-Rind. Es wird mit den anderen Zutaten in einem kleinen Tontopf direkt auf dem Tisch über einer Flamme gar und ist tatsächlich butterzart. Das Kidoya war beim Buchen eigentlich nicht meine erste Wahl gewesen, andere Gäste hatten es als zu wenig authentisch abqualifiziert, aber alles andere, was bei der Seite japanese guesthouses im Angebot ist, war tatsächlich schon im letzten Herbst ausgebucht gewesen. Jetzt bin ich froh, hier gelandet zu sein, auch wenn im Speiseraum der nicht authentische Fernseher läuft und die Inhaberin offenbar einen Hang zu künstlichen Blumen und Plastikkitsch hat, und auch den Schweden gefällt es gut hier.






Als ich ins Zimmer zurückkomme, ist schon das Futonbett ausgebreitet, mit ganzen drei Bettdecken. Das und die Tatsache, dass die Gastgeberin mir beim Einchecken als allererstes die Funktion des Heizöfchens erklärt hatte, lässt auf eine kalte Nacht schließen. Aber bevor ich schlafen gehe, müssen die Schniefnase und der Humpelfuß für einen Spaziergang nochmal raus an die frische Luft, denn der Fotoapparat hofft auf hübsch beleuchtete Häuser und der raue Hals auf einen Getränkeautomaten. Der Getränkeautomat ist schnell gefunden, für ein paar Fotomotive muss ich länger suchen.








Immerhin schmerzt der Fuß nicht mehr so wie gestern, und die Nase braucht nur noch ab und zu ein Taschentuch. Wieder im Kidoya angekommen, mache ich mich bettfertig und lese noch ein wenig, bevor ich schließlich gegen neun das Licht ausmache. Den Heizofen lasse ich aber vorsichtshalber laufen, ich kann ihn ja immer noch nachts ausschalten, falls es zu warm wird.

Ausgaben des Tages:
Craft-Museum Y 260
Taxifahrt Y 900
Busfahrt nach Shirakawago Y 1850
Snacks und Getränke Y 1500
1 ÜN im Gäsehaus Kidoya inkl. Abendessen und Frühstück Y 9000
Nase und Fuß auf dem Weg der Besserung: unbezahlbar

Andrea

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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #269 am: 14. September 2014, 20:39:47 »
Irgendwie schaut es aus wie ein japanisches Schlumpfhausen... Und das meine ich nicht abwertend. Mehr im Sinne von "liebenswert"
Liebe Grüße, Andrea



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