Autor Thema: Kam mir gerade so vor die Nase...  (Gelesen 5352 mal)

Birgit

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Andrea

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Re: Kam mir gerade so vor die Nase...
« Antwort #1 am: 15. August 2014, 10:58:59 »
Wenn man die Augen aufmacht, findet man tatsächlich Reiseveranstalter, die auf Menschen mit Behinderung spezialisiert sind. Hier (in diesem Artikel) werden ja begleitete Reisen durchgeführt, aber manchmal braucht man ja keine Begleitung, da vielleicht der Partner dabei ist. Da wäre es vor allem wichtig, ein Reisebüro zu haben, was einem passende Hotels und Mietwagen vermittelt und vielleicht aufzeigt, welche Attraktionen je nach Grad der Behinderung möglich sind.

Auf jeden Fall befürchte ich, dass Reisen mit Behinderung viel Geld kosten können, weil oft zu wenig Informationen zur Verfügung stehen, um alles selbst zu planen. Rainer und Sylvia haben da ihren Weg gefunden, auch wenn es unterwegs mal Rückschläge gibt, wie wir in seinem Texas-Bericht lesen konnten.
Liebe Grüße, Andrea



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Rainer

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Re: Kam mir gerade so vor die Nase...
« Antwort #2 am: 15. August 2014, 13:14:58 »
http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/reisebuero-fuer-behinderte-paedagoge-wird-unternehmensgruender-a-984573.html

Diese "Lösung" finde ich ehrlich gesagt nicht gut. Das läuft darauf hinaus, dass Reisen für "reiche" Behinderte machbar sind, für die anderen (den Großteil) immer noch nicht. Das kann und darf nicht das Ziel von Integration sein.

Sicherlich können erhöhte Kosten nicht grundsätzlich vermieden werden, aber wenn ich da lese, dass jemand für einen Kalifornien Urlaub 17.000,-€ hingelegt hat, das kann es nicht sein. Welcher Behinderte hat denn soviel Geld auf der hohen Kante? Ne, gefällt mir als Konzept nur mittelmäßig.

Auf jeden Fall befürchte ich, dass Reisen mit Behinderung viel Geld kosten können

Zumindest wenn es so gelöst wird, wie in dem Artikel beschrieben wird. Da steckt natürlich auch die Arbeit im Detail, aber es liegt eben auch daran, dass es zu wenig öffentliche Unterstützung gibt. Ich habe ja das Glück, dass ich Sylvia dabei habe - ob ich alleine Urlaub machen könnte, das weiß ich nicht, aber einfach wäre es nicht. Ich bin allerdings auch nicht der Meinung, dass ich "alles machen können muss", ich sehe ein, dass viele Dinge eben nicht gehen und auch das gehört zu einer sinnvollen Planung dazu, dass man die Dinge ins Auge fasst, die einfacher zu machen sind, anstatt mit der Brechstange und egal welchem Aufwand mit dem Kopf durch die Wand gehen zu wollen. Vieles geht eben nicht, aber es bleibt immer genug übrig, was dennoch geht.

Skurrilerweise hat TUI (oder hatte - ich habe lange nicht mehr danach geschaut) einen eigenen Reiseprospekt, "Reisen für Behindert" (o.ä.). Der liegt nur nicht im gleichen Stil wie die anderen Kataloge im Reisebüro aus, sondern man muss gezielt danach fragen. In den ersten Jahren meiner Behinderung (da war ich ja sogar noch Rollstuhlfahrer) haben wir mit Hilfe dieses Katalogs Urlaubshotels ausgesucht.

Und dann kam die große Ernüchterung - das klang viel besser als es war. Es stellt sich heraus, dass TUI sich dabei mehr oder weniger blind auf die Angaben der Hotels verläßt. Allenfalls wird noch der Agent, der die Zimmerkontingente einkauft, einen Blick auf die speziellen Zimmer und Einrichtungen werfen. Aber - wie immer - mit dem Blick des gesunden Menschen. Es gibt überhaupt keine Gewährleistung, dass diese Einrichtungen dann auch wirklich geeignet sind.

Passend dazu verlief auch prompt unser allererster Urlaub nach dem Krankenhausaufenthalt: wir hatten mit Hilfe dieses Prospekts ein RIU Hotel auf Lanzarote gebucht (RUI Paraiso). Das hätte angeblich drei oder vier geeignete Zimmer im Erdgeschoss. Damals gab es ja kein Internet, wir erhielten diesen typischen Voucher, wo man die einzelnen Tickets herausreißen kann und auf dem Voucher für das Hotelzimmer war ein fettes B aufgestempelt (Behindert). Damit sind wir dann im Hotel eingetrudelt, an der Rezeption wurde dann ein Kofferträger für uns gerufen und der begleitete uns in unser Zimmer. Zu meiner Überraschung ging es aber nicht zum Erdgeschoss, sondern Richtung Aufzug. Ok, kann ja sein, ich kannte das Hotel ja sonst nicht. Mit dem Aufzug in den ersten Stock (das ging auch für den Rollstuhl) und da dann in irgendein ziemlich enges Zimmer. Schon durch die Eingangstür bin ich kaum durchgekommen, in dem engen Zimmer war rangieren so gut unmöglich. Dennoch wurden unsere Koffer dort abgestellt und der Page zeigte uns stoz die schöne Aussicht. Er ging durch das Zimmer durch und machte eine Balkontüre auf und wir sollten uns doch die schöne Sicht anschauen. Das scheiterte aber daran, dass ich überhaupt nicht am Bett vorbeikam, das war zu eng. Dann habe ich die Kopie von dem Voucher herausgeholt und zeigte ihm das fette B, wir müßten doch ein Behindertenzimmer bekommen, hier könnte ich unmöglich bleiben. Da schaute er auf den Voucher und meinte in gebrochenem Deutsch, wir hätten doch aber ein Balkonzimmer gebucht und zeigt mit dem Finger auf das dicke B....

Da habe ich schon sehr früh begriffen, wie schwer es Behinderte haben können. Letztendlich haben die dann einen nicht-behinderten Hotelgast aus einem der Erdgeschosszimmer gebeten, ein anderes Zimmer zu nehmen und wir sind dann doch noch in ein schönes und geeignetes Zimmer gekommen. Allerdings war weder Dusche noch Toilette behindertengerecht, ich konnte nur damals auch schon ganz wenige Schritte aus dem Rollstuhl aufstehen, wenn ich eine helfende Hand bekam. Als Rollstuhlfahrer ohne diese Möglichkeit wäre der Urlaub am ersten Tag schon vorbei gewesen.

Andrea

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Re: Kam mir gerade so vor die Nase...
« Antwort #3 am: 15. August 2014, 14:17:09 »
Das ist genau das was ich meine: Entweder arschteuer und mit Glück vernünftig geplant oder verloren...

Ich kann auch noch ein Erlebnis dazu beisteuern: 1994 (?) war ich mit meinem damaligen Freund auf Madeira. Mit an unserem Tisch saß abends ein weiteres junges Paar,  er saß im Rollstuhl. Wir verstanden uns ganz gut, stellten aber nach ein paar Tagen fest, dass die beiden wohl eine Krise haben. Denkste! Das war kein Paar, sondern sie war nur seine Reisebegleitung! Sie haben sich überhaupt nicht verstanden, weil sie total unterschiedliche Urlaubsvorstellungen hatten. Er hatte wohl per Zeitungsanzeige nach einer Begleitung gesucht und ihr alles bezahlt und nun murrte sie darüber, dass er nichts unternehmen wollte. Vielleicht konnte er gar nicht? Ich vermute mal, dass sie überhaupt keine Erfahrung mit Behinderten hatte und dachte, sie kriegt ´nen netten Urlaub spendiert dafür dass sie ihm ein wenig hilft...  :o
Liebe Grüße, Andrea



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