Donnerstag, 6.11.2014: GrenadaDer Tag ersäuft im Regen. So etwas habe ich auf Puerto Rico und in Malaysia schon erlebt, dass es auch mal mehr oder weniger den ganzen Tag regnet, immer wieder, und heftig. Die Sonne lässt sich den gesamten Tag nicht blicken.
Ich wache mit Magenschmerzen und üblem Grummeln im Bauch vor dem Morgengrauen auf, vielleicht ist es auch der heftige Regen, der mich weckt. Ich schalte den Wecker aus und beschließe angesichts meines Bauchgrummelns liegen zu bleiben, bis ich Lust habe aufzustehen und mich auf den Weg zu machen.
Unterwegs bin ich um 9 Uhr und meistere fast schon routiniert den Weg durch St. George's, durch den schmalen Tunnel in die Stadt und am letzten Kreisel vor dem großen Kricketstadion geradeaus.
Irgendwann bevor ich aufgestanden bin, sind gleich zwei riesige Kreuzfahrtschiffe angekommen, die Stadt ist voll von Menschen, die sie entdecken wollen. Tja, Mist, wenn man nur so 8 Stunden vor Ort hat und die sind verregnet, dann bekommt man keinen guten Eindruck von diesem Ort.
Meine Stimmung braucht noch ein bisschen um in Schwung zu kommen, leider habe ich keine Lust in den Küstenorten auszusteigen, zumal diese sowieso und bei Regen erst recht nicht sehr verlockend wirken.
Ach siehe da, der Mensch, der mich in St. George's gestern zu einem Parkplatz geleiten wollte, scheint das wohl beruflich zu machen. Hinter dem Tunnel springt er mit breitem Lachen den Menschen, die auf den großen Parkplatz fahren wollen, vor das Auto. Scheint sein Job zu sein, das, was die Leute dort zahlen wollen als Trinkgeld einzuheimsen, indem er die Leute auf einen anderen Parkplatz bugsiert.
Das Fahren ist heute nicht ganz so doof, vielleicht ist dieses auch keine Minibusrennstrecke. Vielleicht ist auch das Gehupe freundlicher gemeint als ich so interpretiert habe. Ein kurzes Hupen heißt wohl sowohl „hallo“ als auch „danke“ oder „bitte“ oder auch „excuse me“ beim Vorbeifahren analog zum „excuse me“ beim Vorbeigehen zu Fuß. Aber wehe, wenn mehrfach und lange gehupt wird!
Ich werde Grenada allerdings verlassen ohne einen einzigen der vielen Wasserfälle gesehen zu haben, denn der ausgeschilderte Concord-Wasserfall bedeutet wieder mal eine schmale steile Straße nehmen zu müssen. Tja, und wenn man dann nicht weiß, was einen erwartet und es immer wieder gießt und man sich nicht ganz wohl fühlt,...
Gestern hängt mir noch ziemlich nach. Ich komme an viele einsame Orte, die von Regenwolken verhangen eher düster wirken und halte mich, wenn überhaupt (sofern ich einen Parkplatz finde) nur kurz auf.
Gegen 11 Uhr hört es vorerst zu gießen auf, zum Glück, aber schön wird es noch nicht, höchstens mal andeutungsweise eine Spur heller.
Der erste 'richtige' Halt ist im Ort Sauteurs, wo die Klippen Leapers Hill sind, bei denen die letzten karibischen Ureinwohner der Insel sich ins Meer gestürzt haben um sich nicht von französischen Eroberern umbringen zu lassen.
Was habe ich erwartet? Ein Schild 'Selbstmörder bitte hier springen' steht natürlich nicht da, und so wirkt der Ort hinter der Kirche friedlich und undramatisch.
Noch interessanter allerdings finde ich die nebenan liegende Schule, offenbar eine Grundschule, in der auf Englisch unterrichtet wird.
Als ich zum Auto zurückkomme, werde ich von einem Typen mit finsterer Miene unfreundlich angebettelt: ‚Give me money, I need two dollars.' Etwas aggressiv danach die Frage dreimal wiederholt ‚do you enjoy Grenada?' Na klar, bei so ausgesprochen netten Begegnungen immer! Und wieder ‚give me money!’
Über eine äußerst schlechte ungeteerte Straße kann ich nur im Schritttempo fahren um zu einem Mangrovensumpf zu kommen. Dieser liegt komplett hinter Bäumen, es gibt keinen Parkplatz, zum Wenden reicht der Platz kaum aus. Ich traue mich nicht hin und weiß nicht, ob es sich lohnt. Pah, Mangroven habe ich schon öfter gesehen, also weiter. Zum Glück muss ich diese Piste nicht wieder ganz zurück. Die Straße wird bald besser.
Immer dieses Gekurbel und Gedrehe hier, kaum etwas ist ordentlich ausgeschildert, sodass ich viel mit Google Maps hantiere, da die Navi App zwar vorwiegend Tankstellen und Kirchen kennt, aber sonst nicht viel. Man fährt schnell an Sehenswürdigkeiten vorbei, da sie meistens nur ein bescheidenes verwittertes Schild haben, wenn überhaupt.
Trotzdem entdecke ich den Hinweis zum Lake Antoine, einem kreisrunden Kratersee, wieder mal am Ende eines schmalen Sträßchens ohne vernünftige Wendemöglichkeit und ohne ordentlichen Parkplatz. Fast schon paranoid geworden, wende ich erst um sozusagen in Fluchtrichtung zu stehen und parke dann. Aber der See ist echt schön!
Die nahe gelegene Rumdestille 'River Antoine' ist der Navi bekannt, auch hier gibt es im Gegensatz zu den USA kein 'Welcome to...'-Schild, kein Welcome-Center, nur ein Bus auf dem Parkplatz zeigt, dass ich hier wohl richtig bin.
Eine sehr gute Entscheidung! Denn es ist fast unglaublich, wie hier der Rum noch hergestellt wird. Während die Schaukelstühle auf der Veranda bei Jack Daniels pure Show sind, könnte man hier wirklich für die Mitarbeiter welche aufstellen. Diese sitzen irgendwo auf dem Boden und beobachten, was so passiert. Ab und zu wird was mit einem Traktor herumgefahren oder es trägt jemand einen Pappkarton hin und her oder es wird ein Holzscheit in einen Ofen geschoben, ansonsten passiert hier nichts. Und der geneigte Besucher kann hier herumspazieren zwischen berghoch aufgeschütteten Resten von verbrauchtem Zuckerrohr, ganz ohne Eintritt zu zahlen. Was für ein Unterschied zu Barbados, wo die Besichtigung der Fabrik letztlich im Showroom stattfand. Und wenn Rum tatsächlich das Gold der Karibik ist, wird es hier noch auf wirklich altmodische Weise geschürft.
Es ist die angeblich älteste Rumdestille der Karibik, und meinem Eindruck nach hat sich seit der Gründung hier auch nicht viel getan.
Meine Stimmung steigt. Leider gibt es hier nur weißen Rum zu kaufen, sonst hätte ich eine Flasche mitgenommen.
Ich mache mich auf den Weg zurück, entlang der Ost- und der Südküste. Es geht erstaunlich schnell, vielleicht auch, weil ich einen Teil der Strecke gestern schon gefahren bin.
Beim Durchqueren von Grenville sehe ich immer noch nicht, wo die Nutmeg Company ist, also werde ich wohl in diesem Urlaub nicht mehr erfahren, wie Muskatnuss verarbeitet wird.
OK, ich fahre noch an der Westerhall Destille vorbei, auch diese übersehe ich aufgrund des bescheidenen von der Straße zurückgesetzten Schildes fast. Im letzten Moment kann ich bremsen und frage erst einmal, ob ich mich mal umsehen darf. Na klar, nur zu! Irgendwo auf dem Grundstück parke ich, das ist übrigens mangels Besucheransturms überall möglich und üblich. Die alten Produktionsanlagen sind nur noch Deko. Irgendwo im Souterrain des Hauptgebäudes wird der Rum nun modern hergestellt, sieht aber auch eher aus wie man sich eine illegale Schnapsbrennerei so vorstellt.
Der Shop ist als 'Office' getarnt. ich hätte mich fast nicht reingetraut, lediglich das Mastercard- und Visacardschild verraten, dass die Mitarbeiter sich wohl nicht ihre Lohntüte hier abholen, oder zumindest nicht nur, sondern dass es zumindest auch Rum käuflich zu erwerben gibt.
Das letzte Stück ist schnell geschafft. Bevor ich morgen das Auto abgeben muss, will ich noch fix im Supermarkt etwas einkaufen um nicht morgen noch Tüten den Berg hochtragen zu müssen. Hier gibt es auch einen Foodcourt und mein Magen verträgt wieder etwas Reis, Kochbanane, Okra und ein kleines Stück Huhn (preislich ähnlich wie vergleichbare Essensmöglichkeiten bei uns auch).
Als ich die Mall verlassen will, hat es erneut in Strömen zu gießen begonnen. Das kommt im Laufe des Nachmittags und Abends auch immer wieder vor. Von meinem täglichen Bad im Meer soll mich das aber nicht abhalten, auch nicht davon, in der lebhaften Strandbar mitten auf dem Grand Anse Beach recht günstig essen zu gehen.
Bevor ich losgehe, kann ich noch beobachten, wie beide Schiffe nacheinander ablegen und in unterschiedlichen Richtungen ihrer Wege ziehen.
Die Erkenntnis des Tages: Wenn das gestern nicht so doof angefangen hätte, hätte ich Grenada sicher als Zauberinsel mit kleinen Geheimnissen, Wundern und Zaubertricks bezeichnet. Leider macht es die Insel mit ihren Marotten mir nicht ganz so leicht sie zu lieben.