Autor Thema: Wandern in der Bretagne: Auf dem GR 34 von Saint Brieuc zum Mont Saint Michel  (Gelesen 86068 mal)

Flicka

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Ich sage es lieber mal am Anfang ganz klar: Das hier wird KEINE Pilgerreise. Sowas muss man ja heutzutage offenbar explizit klarstellen, wenn man verkündet, sich ein wenig in der Natur die Füße zu vertreten und dafür mehr als einen Tagesrucksack mitnimmt. Als ich mir ein paar Tage vor der Wanderung in der Apotheke noch eine Tube Voltarengel gekauft und dabei etwas vom Wandern erzählt habe, wollte die Apothekerin sofort wissen, ob ich denn „den Jakobsweg“ gehen würde.

Nein, Elsa (Name von der Redaktion geändert) und meine Wenigkeit haben keine akute Lebenskrise oder das Bedürfnis, neue Bande zu übernatürlichen Wesenheiten zu knüpfen. Wir werden einfach wandern. In der Nordbretagne. Weitab von Jakobswegen und Jakobsmuscheln... Nein, stimmt nicht, Jakobsmuscheln werden uns tatsächlich begegnen, aber nicht als Pilgererkennungszeichen, sondern am Strand und zum Abendessen. Aber dass der Mont Saint Michel das Ziel unserer Tour ist, hat touristische und keine religiösen Gründe.

Es wird auch KEIN Überlebenstrip. Wir kämpfen nicht mit Bären, wir picknicken auch nicht mit ihnen. Wir streifen nicht durch die Grüne Hölle am Amazonas, erklimmen keine Himalaya-Gipfel in der sauerstoffbefreiten Todeszone und müssen auch keine Schlittenhunde essen, um unser Überleben zu sichern.

Die Menschheit bringen wir mit unserer Tour auch nicht  weiter. Wir werden keine unerforschten Ruinen entdecken oder die weißen Flecken auf der Landkarte mit neuen Küstenlinien füllen. Wohin wir gehen, da waren vor uns schon viele andere und haben netterweise dafür gesorgt, dass wir bei unserer Reise auf ausgeschilderte Wanderwege, Hotels und Restaurants zugreifen können. Danke dafür!

Ansonsten muss ich leider noch darauf hinweisen, dass wir uns in den letzten Monaten halbwegs gründlich über die Anforderungen einer mehrtägigen Wanderung schlau gemacht haben. Wir haben spießige Packlisten aufgestellt und ausprobiert, ob wir unser Gepäck auch tragen können. Ziemlich langweilig, nicht wahr? Viel schöner lesen sich doch die Bericht von Menschen, die mit Monsterrucksäcken völlig ahnungslos in die Wildnis stolpern und erst unterwegs merken, dass es für die mitgeschleppte Säge gar keine passenden Bäume gibt.

Neue Geschwindigkeitsrekorde werden wir auch nicht aufstellen. Ich kann jetzt schon mal verraten, dass wir deutlich öfter überholt wurden als wir selbst jemanden überholt haben. Genächtigt wird nicht im Wald, sondern in ordentlichen Hotels oder Gästehäusern, und meistens finden wir auch irgendwo eine warme Mahlzeit. Manchmal auch mehrgängig. Dass wir dabei ziemliche Anfänger im Wandern sind, macht die Sache zumindest für uns zu einem mittelgroßen Abenteuer, auf das wir uns vorher schon wochenlang richtig gefreut haben. Vor Ort werden wir dann feststellen, dass wir uns so manches etwas anders vorgestellt haben.

Wer uns auf diese Tour begleiten will, sollte gut eingelaufene Wanderschuhe, einen Wanderrucksack, regenfeste Kleidung und je nach Luxusbedürfnis ein bisschen (mehr) Geld mitbringen. Nach zwei Prolog-Tagen werden wir in St. Brieuc auf unsere elftägige Wandertour starten und hoffen, am Ende nach ca. 230 km den Mont Saint Michel erreichen, den Berg im Meer zwischen Bretagne und Normandie.

Den zweiten Teil der Reise werden wir wegen Datenverlusts leider ohne Fotos absolvieren müssen, aber wer weiß, ob wir da überhaupt noch wandern werden und nicht längst die Waffen, äh, die Füße von uns gestreckt haben? Im ersten Teil zeige ich aber (fast) alles, was der Fotoapparat so hergibt.

Seid ihr dabei?

Andrea

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Diese Woche habe ich festgestellt, dass ich konditionell ziemlich nachgelassen habe. Das geht definitiv nicht so weiter und ich werde demnächst mehr tun, als virtuelle Wanderungen zu machen. Aber mit Flicka und Elsa on tour lasse ich mir definitiv nicht entgehen. Da es aber nun gerade nicht regnet und noch eine Weile hell ist, gehe ich erst mal eine Stunde walken, also wartet bitte auf mich!  ;)
Liebe Grüße, Andrea



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Flicka

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Geh in Ruhe wandern, unsere Tour startet morgen Abend!  :)

Andrea

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Alles klar, bin aber heute schon zurückgekommen  ;D
Liebe Grüße, Andrea



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Paula

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So meine Wanderschuhe sind frisch geputzt, jetzt bin ich aber gespannt... :)
Viele Grüße Paula

Birgit

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Eine ganze Woche wandern würde meiner Kondition auch gut tun. Ich hatte kürzlich "Rücken", aber das ist nun auch wieder weg und somit kann ich mehr mitlaufen.

Mal sehen, wenn es mir zu anstrengend wird, dann erwarte ich euch einfach abends immer am Ziel und habe schon mal das Glas Rotwein in der Hand.

Und nun mache ich mich mal auf die Suche nach Regenjacke und Blasenpflaster bis es richtig losgeht :)

Silv

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Ich schließe mich an!  :)
Liebe Grüße
Silvia

Flicka

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Willkommen an Bord!

"An Bord" kann ich im Moment noch sagen, denn wir fahren erst mal mit dem Auto in unser Wandergebiet. Ich lade noch die Fotos hoch, dann geht es los.  :)

Flicka

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Samstag, 30. April 2016
Prologtag 1: Anreise nach Beauvoir



Los geht’s! Wir starten früh, und zwar mit Elsas Auto. Das soll uns in die Bretagne bringen und uns dort einen Plan B in Form einer Auto-Rundreise ermöglichen, falls wir nach zwei Stunden Wandern plötzlich feststellen, dass wir uns das ganze doch irgendwie anders vorgestellt haben. Alternativ könnte man mit dem Zug über Paris auch direkt nach Saint-Brieuc fahren und vom Mont Saint Michel mit Bus und Zug über Rennes und Paris wieder nach Hause.

Wir fahren heute aber erst mal mit dem Auto nach Beauvoir, etwa 3 – 4 km vom Mont Saint Michel entfernt. Heute ist Samstag, aber keine Ferienzeit. Wir kommen gut voran. Ursprünglich wollten wir uns um Paris herumarbeiten, aber die Alternative ab Reims Richtung Norden und durch die Normandie hat uns dann kurzfristig noch überzeugt.

Das Wetter ist bescheiden, aber das trübt unsere Vorfreude nicht. Wir picknicken unterwegs im Nieselregen und diskutieren natürlich ein wenig über unsere Ausrüstung.

Ich gebe an dieser Stelle zu, dass ich für diesen Urlaub nicht nur wie üblich eine Packliste erstellt habe, sondern eine Excel-Datei, die jedes Stück in meinem Rucksack nebst Gewicht und Anzahl beinhaltet. Diese Datei hat mir einen Blick in eine mir bisher unbekannte Welt eröffnet. Erst durch die Vorbereitung dieser Tour ist mir beispielsweise bewusst geworden, dass eine Zahnbürste 15 Gramm wiegt. Zumindest in unbehandeltem Zustand. Es soll durchaus Wanderer geben, die das Gewicht deutlich unter 10 Gramm drücken, indem sie den Griff absägen. Eine Packung Tempotaschentücher wiegt 26 Gramm. Ich habe mir den Luxus gegönnt, gleich drei Packungen mitzunehmen. Mit mehr Gewicht schlagen Handy, Kindle und Fotoapparat zu Buche – 115 Gramm, 210 Gramm und 120 Gramm, wobei der Akku nicht eingerechnet ist, sondern weitere 25 Gramm wiegt. Und die neue Tube Voltarengel wiegt auch noch stolze 70 Gramm. So summiert sich alles fröhlich auf, bis zum Schluss 7 kg erreicht sind, inklusive Rucksack (1650 Gramm). Dazu kommt dann noch das Wasser (2 Liter, also 2 kg), so dass ich jeden Morgen mit 9 kg Gewicht auf dem Rücken in den Wandertag starten werde.

Je weiter wir nach Westen fahren, desto besser wird das Wetter. Plötzlich gibt es ein wenig Blau am Himmel, dann verwandeln sich die grauen Regenwolken in weiße Wattewölkchen und die Sonne scheint immer öfter durch die Wolkenlücken. Gerade als wir überlegen, dass wir eigentlich viel zu früh am Hotel ankommen, weil wir erst ab 17.00 Uhr einchecken können, und ob wir vielleicht noch Dol de Bretagne besuchen sollten, finden sich am Rand der Autobahn wie von Zauberhand Hinweisschilder auf die sogenannte Alabasterküste. Ach, so nah kommen wir hier vorbei? Das hatte ich wegen meiner Fixierung auf die Paris-Route gar nicht auf dem Schirm. Zum Glück hat Elsa noch eine ADAC-Übersichtskarte dabei, und nach einem kurzen Stopp an einer Autobahnraststätte heißt unser nächstes Ziel Étretat.

Der Weg bis dahin zieht sich ein wenig mehr als gedacht, aber irgendwann ist der Ort erreicht. Wir biegen erst mal vor dem Ortszentrum nach links ab und fahren an großen Parkplätzen vorbei, aber die Straße führt uns wieder weg, also drehen wir und fahren einfach mal frech in das kleine Ortszentrum. Ein wenig kreisen wir über einen Mini-Parkplatz, aber dann haben wir Glück: Eine Parklücke wird frei, und von anderen netten Menschen bekommen wir ein noch gültiges Parkticket geschenkt. Perfekt.

Also raus aus dem Auto und nach vorne an die Strandpromenade. Der Himmel ist jetzt strahlend blau, und links und rechts leuchten die „Alabasterfelsen“ in der Sonne, und unten glänzt das türkisfarbene Meer. Aus Alabaster sind die Felsen natürlich nicht, sondern aus Kreide. Die Franzosen haben schon ein Händchen dafür, ihren Küsten wohlklingende Namen zu geben. Wir sind jedenfalls begeistert. So hatten wir uns den Anreisetag nicht vorgestellt.






Sehr viel Zeit haben wir zwar nicht, aber es reicht, um mit vielen anderen Menschen die Kreidefelsen zu unserer Linken zu erklimmen.




















Anschließend finden wir noch einen freien Tisch an der Strandpromenade und freuen uns, dass wir schon am ersten Urlaubstag draußen sitzen können. Nach dem schlechten Wetter und der Kälte der letzten Wochen genießen wir richtig die Sonne.






Schließlich fahren wir weiter, zurück über die Dörfer und dann Richtung Le Havre. Kurz danach taucht vor uns schon die eindrucksvolle Pont de Normandie auf, die die Seine-Mündung überspannt. Der Fotoapparat ist leider gerade nicht griffbereit, aber wir nehmen uns vor, auf dem Rückweg hier zu halten oder wenigsten während der Fahrt ein paar Schnappschüsse zu machen.

Gegen halb sieben dann taucht plötzlich vor uns unvermittelt die Silhouette eines Berges auf: Wir sind am Mont Saint Michel angekommen. So ein Mist, ich wollte mir doch zu Beginn des Urlaubs nach Möglichkeit den Blick darauf verkneifen, schließlich ist er erst das Ziel unserer Wanderung. Aber nachdem wir ihn einmal gesehen haben, taucht er unübersehbar immer wieder vor uns auf. Wir erreichen schließlich Beauvoir, wo wir im Gästehaus „Les Vielles Digues“ zwei Zimmer reserviert haben. Der Gastgeber quartiert uns erst mal ein:








Später kommt dann die Gastgeberin dazu, ein Ausbund an echter Herzlichkeit. Wir haben viele Fragen, z.B. wo wir abends gut essen können (ganz wichtig). Noch wichtiger ist aber, wo der Parkplatz ist, auf dem wir die nächsten Tage das Auto abstellen können, denn es soll hier auf uns warten. Und am wichtigsten: Wo fährt morgen früh der Bus nach Rennes ab? Wir bekommen unsere Auskünfte, und praktischerweise liegen das Restaurant (La Fermette), der große Schotterparkplatz und die Haltestelle alle im direkten Umkreis der wahrscheinlich einzigen Kreuzung des Ortes. Wir kundschaften erst mal alles aus, dann gehen wir essen, stoßen mit einem Kir Normand auf den ersten Urlaubstag an und essen Fischsuppe und Pfeffersteak bzw. einen Salat mit Lachs und Lammkeule. Als wir gegen viertel nach neun wieder zurück zur Unterkunft gehen, geht auch gerade die Sonne unter.






Als ich abends im Bett liege, bin ich sehr aufgeregt. Gewandert wird zwar erst ab übermorgen, und morgen steht erst einmal eine Stadtbesichtigung in Rennes an, bevor wir nach Saint-Brieuc weiterfahren. Aber das Auto bleibt hier, und morgen früh muss alles, was wir nicht auf die Wanderung mitnehmen in den Kofferraum, und dann gibt es nur noch uns und unsere Rucksäcke. Werden wir alles nötige dabei haben? Und sind wir überhaupt fit genug für die Wanderung? Vor ein paar Tagen haben meine monatelang entzündeten Achillessehen sich wieder mit leichtem Zwicken gemeldet, und Elsa hatte schon mehrfach Knieprobleme. Wird das, was wir uns vorgenommen haben, klappen?

Gute Nacht!

Birgit

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Ich dachte immer, Wanderer essen alte Käsebrote, angedätschte Tomaten und selbstgepflückte Beeren mit Fuchsbandwurm? Na ja, was nicht ist, kann ja noch werden...

Bis einschließlich heute wäre ich jedenfalls problemlos mitgewandert ;)

Und ich habe auch schon auf mancher Reise T-Shirt-Entscheidungen aufgrund von Unterschieden auf der Küchenwaage getroffen übrigens, aber nicht weiter sagen :)

Bei deinem Cliffhanger hörte ich dann gleich die Lindenstraßenmusik im Hintergrund dudeln und sah dich mit schreckhaft aufgerissenen Augen im Dunklen liegen. Bin gespannt, wie es weiter geht und wie schnell 70 Gramm Voltaren auf 20 Gramm leere Tube schrumpfen bzw. ob das 70 Gramm zu viel im Rucksack waren.

Tüdelüdelüdelüdelüdelüdelüüüüüüüüü!

Flicka

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Hi hi, also soviel kann ich schon mal verraten: Die Voltarengeltube ist in ernster Gefahr!

Düdeldüdeldüdeldüüüüüüü.....  ;)

Paula

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fängt doch klasse an so mit schönem Wetter und Küste und gutem Futter  :)
ich glaube wenn ich mal so eine Reise plane darf das Auto nicht in greifbarer Nähe stehen, sonst...
Viele Grüße Paula

Andrea

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Und ich habe sogar schon den Voltaren-Duft in der Nase!



.... okay, habe gerade Heikos Schulter damit eingeschmiert  ;D
Liebe Grüße, Andrea



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Flicka

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Ich glaube, jetzt muss ich auch nochmal schnell schnüffeln gehen.  ;D

Andrea

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Au weia, da kommt am Ende noch die europäische Drogenfahndung, zumal meine Reiseroute vermutlich über die Niederlande ging  ;D
Liebe Grüße, Andrea



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