Autor Thema: Drei Wochen in Ex-Jugoslawien  (Gelesen 128124 mal)

Paula

  • Held Mitglied
  • *****
  • Beiträge: 4412
Re: Drei Wochen in Ex-Jugoslawien
« Antwort #120 am: 14. November 2018, 10:23:42 »
Die Preise für eure Unterkünfte sind ja doch schon recht ordentlich. War da immer Frühstück inklusive?
ja Frühstück war immer dabei. Und Jugoslawien ist nicht mehr so billig wie es mal war, aber wir haben bei den Unterkünften auch nicht gespart und auf gute Lage geachtet, das Hotel war nur 5 Minuten von der Altstadt weg.
Viele Grüße Paula

Susan

  • Held Mitglied
  • *****
  • Beiträge: 3173
Re: Drei Wochen in Ex-Jugoslawien
« Antwort #121 am: 14. November 2018, 14:29:58 »
Interessant dieser Atombunker, fühle mich da an diverse alte Filme erinnert. Wurde etwas erzählt, wie lange die meinten dort leben zu können? Denn frage mich, was das nützt, wenn drumherum alles zerstört und verseucht ist.

Mit Sarajevo verbinde ich immer noch die Winterolympiade von 84, habe neulich in einer alten Kiste noch das damalige Maskottchen, den Vučko, gefunden. Aber stimmt, da war ja auch das 1914er Attentat. 
Liebe Grüße
Susan


Christina

  • Held Mitglied
  • *****
  • Beiträge: 3107
Re: Drei Wochen in Ex-Jugoslawien
« Antwort #122 am: 14. November 2018, 17:54:51 »
Ein sehr interessanter Tag. Ich hätte nicht gedacht, dass der Bunker von den Amerikanern bezahlt wurde. Schön, dass er auch für die Einheimischen heute kulturell genutzt wird, da haben dann doch noch alle was davon.

Bosnien-Herzegowina scheint sich doch deutlich von Kroatien zu unterscheiden, sehr viel traditioneller zu sein und der Tourismus spielt eine wesentlich kleinere Rolle. Die Hotels gefallen mir besser, als die kroatischen, auch wenn die meist sehr modern waren, aber sie waren irgendwie so international gesichtslos. So mitten beim Ramadan "dabei" zu sein, war sicher merkwürdig.
Dass Christen und Muslime dort so schlecht miteinander auskommen, ist aber wirklich traurig.

Mir geht es hinsichtlich der Hotelpreise wie Andrea, ich hatte ja schon bei einem der ersten Hotels geschrieben, dass ich über das Preisniveau sehr erstaunt bin. Es war doch noch nicht mal Sommerhauptsaison und jetzt Sarajevo ist doch kein touristischer Hotspot oder sind das Geschäftsleute, die dort übernachten? Wenn ich das mit Lissabon oder Hamburg vergleiche, wo ich dieses Jahr schon war oder mit Wales, kommt mir das schon sehr teuer vor.

Jetzt bin ich gespannt auf die Bilder von Sarajevo.



LG Christina

Paula

  • Held Mitglied
  • *****
  • Beiträge: 4412
Re: Drei Wochen in Ex-Jugoslawien
« Antwort #123 am: 14. November 2018, 18:42:00 »
Interessant dieser Atombunker, fühle mich da an diverse alte Filme erinnert. Wurde etwas erzählt, wie lange die meinten dort leben zu können? Denn frage mich, was das nützt, wenn drumherum alles zerstört und verseucht ist.

Mit Sarajevo verbinde ich immer noch die Winterolympiade von 84, habe neulich in einer alten Kiste noch das damalige Maskottchen, den Vučko, gefunden. Aber stimmt, da war ja auch das 1914er Attentat.

ich glaube die sollten da 6 Monate überleben. Was sie danach gemacht hätten, wenn draußen keiner mehr lebt? keine Ahnung. Ich finde das alles auch sehr skuril

an die Winterolympiade erinnere ich mich nur ganz dunkel, und du hast sogar ein Maskotchen gekauft, du bist aber damals nicht dorthin gereist oder?

Ein sehr interessanter Tag. Ich hätte nicht gedacht, dass der Bunker von den Amerikanern bezahlt wurde. Schön, dass er auch für die Einheimischen heute kulturell genutzt wird, da haben dann doch noch alle was davon.

ja der Bunker gehört jetzt der Stadt, ich finde es auch gut dass er jetzt als Museum und Austellungshalle genutzt wird. Und als Erinnerung und Mahnung an den Rüstungswahnsinn...

Zitat
Bosnien-Herzegowina scheint sich doch deutlich von Kroatien zu unterscheiden, sehr viel traditioneller zu sein und der Tourismus spielt eine wesentlich kleinere Rolle. Die Hotels gefallen mir besser, als die kroatischen, auch wenn die meist sehr modern waren, aber sie waren irgendwie so international gesichtslos. So mitten beim Ramadan "dabei" zu sein, war sicher merkwürdig.
Dass Christen und Muslime dort so schlecht miteinander auskommen, ist aber wirklich traurig.

viele haben uns erzählt dass das Verhältnis bei jungen Leuten, die nach dem Bürgerkrieg geboren wurden, besser ist. Die Erinnerungen bei denen die den Krieg erlebt haben sind eben noch sehr frisch.
Ja das mit dem Ramadan fand ich schon seltsam, ich habe damit bisher auch keinerlei Berührung gehabt und das spricht mich auch überhaupt nicht an. Ich glaube dass Bosnien im Vergleich zu Kroatien so rückständig ist liegt daran dass es fast keinen Strand gibt, die meisten Touristen wollen doch ans Meer. Im Land haben die Bosnier nicht viel Kontakt mit Ausländern. Ich glaube eine Kultur die wenig Berührung mit Ausländern hat bleibt automatisch eher traditionell, das ist mir in Korea auch ganz stark aufgefallen.

Zitat
Mir geht es hinsichtlich der Hotelpreise wie Andrea, ich hatte ja schon bei einem der ersten Hotels geschrieben, dass ich über das Preisniveau sehr erstaunt bin. Es war doch noch nicht mal Sommerhauptsaison und jetzt Sarajevo ist doch kein touristischer Hotspot oder sind das Geschäftsleute, die dort übernachten? Wenn ich das mit Lissabon oder Hamburg vergleiche, wo ich dieses Jahr schon war oder mit Wales, kommt mir das schon sehr teuer vor.

Jetzt bin ich gespannt auf die Bilder von Sarajevo.

Sarajewo ist immerhin Hauptstadt und es gibt gar nicht so viele gute Hotels. Irgendwelche billigen Unterkünfte findet man wahrscheinlich schon, aber wenn man etwas gehobene Ansprüche hat sind die Preise höher. Mit dem Standard der Hotels waren eigentlich immer zufrieden und wir buchen bestimmt kein teures Hotel wenn es ein vergleichbares günstiges gibt. Ich glaube die Auswahl ist einfach viel geringer als in Lissabon z.B.
Viele Grüße Paula

Susan

  • Held Mitglied
  • *****
  • Beiträge: 3173
Re: Drei Wochen in Ex-Jugoslawien
« Antwort #124 am: 15. November 2018, 21:39:14 »
An die Winterolympiade erinnere ich mich hauptsächlich deshalb so gut, weil ich da grad in der Bank angefangen hatte und wir in der Mittagspause immer zum Fernseh-Gucken gegangen sind.  ;D 
Im Sommer war ich dann mit meiner Schwester nach Ulcinj in Jugoslawien (heutzutage Montenegro), da haben wir den Vučko erstanden. War schon aufregend damals, z.B. weder Sprache noch Schrift zu verstehen. Viele sprachen zum Glück Deutsch. Und Freitagabends gab es wie Zuhause "Derrick" - uralte Folgen, auf Deutsch mit serbokroatischen (?) Untertiteln  :))  Den Ausflug nach Mostar konnten wir damals leider nicht mitmachen, weil sich meine Schwester bei der "Piratentour"  einen leichten Sonnenstich geholt hat.
Liebe Grüße
Susan


Silvia

  • Held Mitglied
  • *****
  • Beiträge: 2499
Re: Drei Wochen in Ex-Jugoslawien
« Antwort #125 am: 16. November 2018, 09:16:44 »
Jetzt hab ich auch endlich mal wieder nachgelesen.  :)

Die Bunkeranlage ist wirklich interessant, solche Bauten verursachen bei mir immer irgendwie ein ungutes Gefühl.

Paula

  • Held Mitglied
  • *****
  • Beiträge: 4412
Re: Drei Wochen in Ex-Jugoslawien
« Antwort #126 am: 17. November 2018, 17:29:07 »
An die Winterolympiade erinnere ich mich hauptsächlich deshalb so gut, weil ich da grad in der Bank angefangen hatte und wir in der Mittagspause immer zum Fernseh-Gucken gegangen sind.  ;D 
Im Sommer war ich dann mit meiner Schwester nach Ulcinj in Jugoslawien (heutzutage Montenegro), da haben wir den Vučko erstanden. War schon aufregend damals, z.B. weder Sprache noch Schrift zu verstehen. Viele sprachen zum Glück Deutsch. Und Freitagabends gab es wie Zuhause "Derrick" - uralte Folgen, auf Deutsch mit serbokroatischen (?) Untertiteln  :))  Den Ausflug nach Mostar konnten wir damals leider nicht mitmachen, weil sich meine Schwester bei der "Piratentour"  einen leichten Sonnenstich geholt hat.

ist ja cool  :) ich glaube Derrick ist richtig Völkerverständigung, der ist wohl in ganz Europa gelaufen. In Montenegro sprechen die jungen Leute jetzt englisch, der Rest eher keine Fremdsprachen, das war damals bestimmt noch viel schwieriger. In Ulcinj  waren wir nicht, wir waren weiter nördlich in Herzeg Novi noch am Strand. Montenegro kann man finde ich sehr für einen Urlaub empfehlen, die Landschaft ist herrlich und von den Preisen her etwa nur halb so teuer wie Kroatien.
Viele Grüße Paula

Paula

  • Held Mitglied
  • *****
  • Beiträge: 4412
Re: Drei Wochen in Ex-Jugoslawien
« Antwort #127 am: 17. November 2018, 17:42:05 »
13. Tag 31. Mai 2018

Heute haben wir bis 8 Uhr geschlafen, ich war sehr müde und nach der Nacht ging es meinem Bein besser.
Das Frühstück ist super, es wurde für uns am Tisch gedeckt und zusätzlich gab es Eier nach Wunsch, wir haben Omlette bestellt
 
   

Wir schrieben dann noch ein paar Postkarten und dann gings in die Stadt. Hier seht ihr unser Hotel

   

gegenüber dem Hotel stand dieser Trinkbrunnen

   

ein paar Meter weiter waren wir am Fluß angelangt und hier seht ihr die berühmte Brücke über die der Wagen von Prinz Ferdinand gefahren ist bevor er an der Kreuzung (direkt vor dem rosa Haus) zusammen mit seiner Frau erschossen wurde

   

in dem Haus ist heute ein Museum zum Tathergang

   

ich hatte gerade einen dicken Wälzer über den ersten Weltkrieg gelesen und wollte mir ein Bild von Sarajewo machen, Josef hat sich mehr für die neuere Geschichte interessiert. Im Hotel hatten wir nach Stadtführungen gefragt und uns wurde eine bestimmte Agentur empfohlen, man konnte die Touren auch gleich im Hotel buchen. Für den Vormittag hatten wir eine kurze kostenlose Stadtführung in der Innenstadt gebucht und für den Nachmittag eine vierstündige Tour zu den Schauplätzen des Jugoslawienkrieges.
Wir hatten noch eine halbe Stunde Zeit bis zur Stadtführung und sind ein bisschen kreuz und quer gelaufen. An vielen Häusern sah man Einschußlöcher, auch Graffitis gab es viele, ich fand die Stadt sah eher ungepflegt aus.

   

   

das Stadtbild war eine Mischung aus europäisch und muslimisch

   

   

   

Gestern Abend hatte ich in einem Schaufenster eine Weste bewundert, heute Vormittag hatte der Laden geöffnet. Sämtliche Stücke waren Handarbeit, das meiste gehäkelt und die Weste aus dem Schaufenster die mir so gut gefallen hatte war genau meine Größe. Und das Teil sagte eindeutig zu mir "kauf mich"  :zwinker: sie war aus verschiedenen Farben in einem Stück gehäkelt, das kann man wirklich nur bewundern. Sie sollte 408 Mark kosten, ich hatte keine Mark und habe der Verkäuferin 200 € angeboten, damit waren wir handelseinig  :)

Um 10 Uhr begann dann die Stadtführung. Am folgenden Bild seht ihr unseren Guide Sabina mit dem Maskottchen für die olympischen Winterspiele die 1984 in Sarajewo stattfanden. Anfang bis Mitte der 80er Jahre war für Jugoslawien eine goldene Zeit, die Menschen blickten optimistisch in die Zukunft, die Winterspiele waren ein riesen Erfolg, niemand hätte sich damals vorstellen können dass ein paar Jahre später ein Bürgerkrieg ausbrechen würde.

   

an der ältesten orthodoxen Kirche vorbei gehen wir ins Zentrum

   

an zentraler Stelle steht dieser Wasserbrunnen. Solche Brunnen sind typisch für die osmanische Kultur. im 15. Jahrhundert wurde Bosnien von den Osmanen erobert. Die neuen Herren erließen den Bosniern die Steuer wenn sie zum Islam konvertierten, dieser Trick hat gut funktioniert, Bosnien war bald überwiegend muslimisch

   

wir besuchten einen der vielen Andenkenstände, Kupferschmiede ist ein ganz typisches Handwerk

   

hier am Boden sieht man die "Sarajewo Rose", an Orten wo im Bürgerkrieg Geschosse eingeschlagen sind und Menschen gestorben sind wurden sie als Mahnmal am Boden angebracht. Man sieht das leider sehr häufig. Sarajewo war einer Hauptkriegsschauplätze im Jugoslawienkrieg Anfang der 90er Jahre

   

die City Hall. Sie war im Krieg völlig zerstört worden und wurde wieder aufgebaut

   

hier fand gerade eine Demo statt, es soll an die vielen Toten des Jugoslawienkrieges erinnert werden

   

   

später sahen wir eine Gruppe Männer für eine bessere Rente demonstrieren, sie hatten im Krieg in der Armee zur Verteidigung Sarajewos gekämpft, viele sind verarmt und bekommen sehr wenig Unterstützung vom Staat. Der Krieg ist allgegenwärtig obwohl er schon über 20 Jahre vorbei ist.

Das nächste Bild zeigt den Innenhof der Karawanserei wo wir gestern zu Abend gegessen haben

   

die beiden nächsten Bilder zeigen die zentrale Moschee, die beiden kleineren runden Gebäude sind Mausoleen (wer da liegt habe ich leider vergessen)

   

   

die Uhr auf diesem Turm ist eine sogenannte Monduhr, was sie genau anzeigt habe ich leider auch wieder vergessen. Unser Guide war an einer Tour am Erzählen, manches habe ich anschließend notiert, vieles habe ich aber leider vergessen

   

Die ehemalige Synagoge (heute Museum) auch sie wurde im Krieg beschädigt und wurde wieder renoviert. Der Bau stammt aus dem 16. Jahrhundert, ist aber mehrfach zerstört und wieder aufgebaut worden.

   

Juden gibt es in Bosnien seit Ende des 15. Jahrhunderts als sie nach der Reconquista aus Spanien vertrieben wurden. Die Bevölkerung Bosniens war jahrhundertelang gemischt aus katholischen Kroaten, orthodoxen Serben und muslimischen Bosniaken. Sabina hat uns erklärt dass Religion und Nationalität in Bosnien immer ein Paar sind, Kroaten sind immer katholisch, Serben immer orthodox und Bosniaken muslimisch. Mir kommt das ja sehr starr vor. Diese Dreiteilung zieht sich durch das ganze Land bis hin zur Regierung von Bosnien Herzegowina wo jeder Posten dreifach besetzt ist: es gibt einen kroatischen, einen serbischen und einen muslimischen Regierungschef, auch alle Minister sind dreifach vorhanden, so entsteht natürlich ein gigantischer, teurer Wasserkopf (den sich das arme Land eigentlich gar nicht leisten kann).
Sabina hat uns erzählt dass es früher einen ganz engen Zusammenhalt unter der Bevölkerung gab, ganz unabhängig von der Religion, beispielsweise haben viele Serben oder Kroaten den Juden im 2. Weltkrieg zur Flucht verholfen indem sie ihnen ihre Pässe überlassen haben so dass sie mit falschen Papieren außer Landes fliehen konnten. Während des Bürgerkrieges haben dann viele Bosnier in Israel Zuflucht gefunden bei Israelis bosnischer Herkunft.

Die Tour endete -wie könnte es anders sein- vor dem Haus wo Erzherzog Franz Ferdinand erschossen wurde, was der Auslöser des ersten Weltkrieges wurde. Auch hier hatte sie einiges zu erzählen. Die Geschichtswahrnehmung ist unter den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen sehr verschieden, für die Serben ist Gavrilo Princip (der Mörder von Franz Ferdinand) noch heute ein Held.

Die Führung sollte eigentlich 2 Stunden dauern, es wurden zweieinhalb weil die Touris so viele Fragen stellten. Am Schluß wurde Werbung gemacht für die 4-stündige Tour am Nachmittag (die hatten wir ja schon gebucht). Wir gaben 10 Mark Trinkgeld (es gab tatsächlich Touristen die für diese wirklich erstklassige kostenlose Führung gar nichts gespendet haben) und machten uns auf den Weg ins Hotel, wir wollten noch eine kurze Pause machen vor der nächsten Tour

auf dem Rückweg ins Hotel kamen wir an der katholischen Kathedrale vorbei

   

und am Besistan (das ist ein überdachter Markt)

   

und an der Ruine des Taslihan, das ist die älteste Karawanserei in Sarajewo

   

Im Hotel haben wir dann bei Bananen, Kaffee und Keksen Pause gemacht und wurden um 14 Uhr von der Agentur am Hotel mit dem Auto abgeholt zur nächsten Führung, das nenne ich Service  :) (das Hotel arbeitet eng mit der Agentur zusammen, die restlichen fünf Touristen haben wir dann bei der Agentur eingesammelt. Sie waren alle auch heute Morgen bei der kostenlosen Tour dabei gewesen, diese Art Werbung funktioniert also).

Mit einem Kleinbus fuhren wir an den Stadtrand auf eine Anhöhe, unser Guide war ein junger Mann (einen separaten Fahrer gab es auch noch), er hat als vierjähriges Kind die Belagerung von Sarajewo erlebt:

   

Sarajewo liegt in einem Talkessel, ist rundum von Bergen umgeben, oben auf den Hügeln saß die serbische Armee und hat mit Scharfschützen (Sniper) die Bevölkerung terrorisiert um sie zum Aufgeben zu zwingen.

   

   

Ich muss zugeben dass mein Wissen über den Jugoslawienkrieg ziemlich dürftig ist obwohl ich das ja als Erwachsene mitbekommen habe. Ich erinnere mich noch an die vielen jugoslawischen Flüchtlinge, in meiner damaligen Firma waren einige in der Kantine tätig, aber die politischen Hintergründe waren mir nicht mehr präsent. Den anderen Touristen (Amerikaner und Engländer soweit ich mich erinnere) ging es genauso und so haben wir uns erst mal erklären lassen wie es überhaupt zu diesem Krieg gekommen ist. Unser Guide hatte ein enormes Wissen und hat während der ganze Fahrt durch die Stadt gesprochen. Die Kurzfassung:
historisch gesehen gab es immer Konflikte zwischen Serben, Kroaten und Bosniaken. Jugoslawien war ein künstliches Gebilde der Staat war nach dem zweiten Weltkrieg gegründet worden und wurde von Tito mit harter Hand regiert. Tito hat die ganzen Konflikte zwischen den Bevölkerungsgruppen unterdrückt und war wohl auch ziemlich geschickt darin die Interessen auszugleichen, es wurde keine Bevölkerungsgruppe besonders bevorzugt oder benachteiligt. Nach seinem Tod hat die Präsidentschaft dann jährlich unter den 6 Teilrepubliken abgewechselt und die alten Konflikte brachen wieder auf. Als Serbien gerade den Präsidenten stellte (Milosevic) hat dieser die Chance genutzt, als Präsident war er auch Oberbefehlshaber der Armee, hat sich die schweren Waffen gekrallt, eine serbische Armee gegründet und die anderen Teilrepubliken überfallen. Die Kroaten hatten Beziehungen zu Italien und haben sich dort Waffen besorgt, die Bosnier waren waffentechnisch am schlechtesten dran.
Was ich sehr interessant fand ist dass es in Sarajewo mit dem Zusammenhalt  unter den verschiedenen Bevölkerungsgruppen weierhin funktioniert hat, so war z.B. der Oberbefehlshaber der Armee in Sarajewo ein Serbe der die Politik von Milisevic total ablehnte. In Kroatien dagegen ist der serbische Bevölkerungsteil den es dort auch gab über Nacht "verschwunden" kurz bevor der Krieg ausbrach, die sind wohl von Serbien aus gewarnt worden und fühlten sich Kroatien dann wohl auch nicht verbunden.

Sarajewo war bald eingekesselt, ein schmaler Korridor - der Flughafen- war von der UN besetzt, die UN wollte aber neutral bleiben und hat den Bürgern Sarajewos nicht erlaubt über diesen Korridor die Stadt zu verlassen und so haben die Bewohner von Sarajewo einen Tunnel unter dem Flughafen in das freie Gebiet gegraben. Dass es diesen Tunnel gab war allgemein bekannt aber der genaue Ort des Ein- und Ausstiegs war unbekannt und der Gegner hat es auch nicht geschafft die genaue Lage in Erfahrung zu bringen. Ein kleines Stück Tunnel und der Einstiegspunkt sind erhalten geblieben und heute Museum, da fuhren wir nun hin
Der Einstieg war in diesem ganz normalen Wohnhaus versteckt:

   

man durfte auch ein Stück durch den Tunnel gehen

   

eine Erinnerung an die Erbauer des Tunnels

   

hier sieht man gut dass Sarajewo umzingelt war

   

   

hinter dem Haus gab es diese Beispiele für Minen die im Krieg verwendet wurden

   

   

die Versorgung der Bevölkerung war sehr schlecht, es wurde durch den Tunnel geschmuggelt was immer ging, auch Tiere wie Schafe und Ziegen. Ein Problem war auch die fehlende Versorgung mit Brennmaterial: Öl und Benzin, die Leute haben sich Öfen gebastelt (auf dem Bild unten) und ihre Möbel verfeuert

   

unser Guide war damals ein kleiner Junge und hat erzählt dass sie oft gehungert haben, die Belagerung Sarajewos durch die serbische Armee dauerte 4 Jahre. Die Amerikaner haben Kekse und Konserven aus Militärbeständen gespendet, allerdings waren das wohl Überreste aus dem Vietnamkrieg und die Konserven längst abgelaufen und eigentlich ungenießbar. Weil sie sonst nix hatten haben sie den Fraß trotzdem gegessen, aber der Guide meinte trocken er hofft dass ihnen die Amis in Zukunft nicht mehr helfen würden...

Der nächste Halt waren die Reste der olympischen Anlagen, hier die Bobbahn

   

   

   

die Anlagen sind völlig verfallen und es ist nach dem Krieg nichts mehr aufgebaut worden.
Der nächste Halt war ein ehemaliges Luxushotel auf einem Berg

   

   

Blick vom Hotel auf die Stadt

   

angeblich gibt es einen Investor aus dem Ausland der hier einsteigen will, aber es ist noch nichts passiert.

Geld fehlt ins Bosnien an allen Ecken und Enden und es fehlen Jobs weswegen viele junge Leute auswandern. Gegen 18 Uhr wurden wir ins Hotel zurückgefahren. Einer der amerikanischen Touristen entdeckte erfreut dass ich einen Ford fahre, er arbeitet bei Ford.

Ich muss sagen dass ich die Führung sehr interessant fand, ich wäre selber nicht auf die Idee gekommen diese Tour zu buchen, ich hatte danach einen ganz anderen Blick auf die Stadt. Politisch ist die Situation immer noch ziemlich wackelig und die wirtschaftliche Situation ist sehr schlecht. Man muss den Bosniern wünschen dass viele Touristen kommen und auch ausländische Investoren.

Zum Abendessen gingen wir ins Restaurant Barhana in der Innenstadt, wir hatten eigentlich ein anderes bei Tripadvisor ausgesucht aber das war voll. Aber in der Innenstadt gab es ein Restaurant am anderen, wir haben uns von der Optik leiten lassen. Diesmal gab es auch Bier, wir haben beide einen Salat bestellt, Josef hatte dann Goulasch und ich gefüllte Zucchini:

   

das war sehr lecker und hat zusammen mit einem Espresso nur 33,50 Mark gekostet. Wir hatten noch 41 Mark übrig, 40 haben wir im Restaurant gelassen und mit der letzten Mark habe ich mir auf dem Heimweg ein Eis gekauft. Morgen werden wir wieder Euro benötigen, wir fahren weiter nach Montenegro.

Übernachtung: wie gestern
Viele Grüße Paula

soenke

  • Held Mitglied
  • *****
  • Beiträge: 777
Re: Drei Wochen in Ex-Jugoslawien
« Antwort #128 am: 17. November 2018, 19:50:49 »
So, habe die letzten Tage jetzt nachlesen können.

Interessante Bilder und Beschreibungen des Landes und der Geschichte mit Bunkerbesuch. Fürchterlich dass vor relativ kurzer Zeit noch Krieg war so in unserer Nähe.

Wenn ich ehrlich bin, vermisse ich doch ein wenig die Natur und Landschaft die letzten Tage, denn die Aussichten eurer Burgwanderrung und in der Schlucht waren wunderschön.

LG 

Ilona

  • Held Mitglied
  • *****
  • Beiträge: 4076
  • Slot Canyon Addict
    • Amerika und wandern
Re: Drei Wochen in Ex-Jugoslawien
« Antwort #129 am: 19. November 2018, 08:14:02 »
Das war eine geschichtsträchtiger Stadtrundgang :beifall:.

Zitat
das war sehr lecker und hat zusammen mit einem Espresso nur 33,50 Mark gekostet. Wir hatten noch 41 Mark übrig, 40 haben wir im Restaurant gelassen und mit der letzten Mark habe ich mir auf dem Heimweg ein Eis gekauft. Morgen werden wir wieder Euro benötigen, wir fahren weiter nach Montenegro.

Ist Mark denen ihre Währung  :verlegen: ? Ich dachte zuerst, du hast einen Ladenhüter :zwinker: für 400 Mark/200 € gekauft und die haben noch nicht mitbekommen, dass wir keine Mark mehr haben :totlach:. Bis jetzt kannte ich nur Kuna. Das ist schon doof, wenn man ständig Geld tauschen muss.
Liebe Grüße

Ilona

"Man muss viel laufen. Da man, was man nicht mit dem Kleingeld von Schritten bezahlt hat, nicht gesehen hat" (Erich Kästner)


Paula

  • Held Mitglied
  • *****
  • Beiträge: 4412
Re: Drei Wochen in Ex-Jugoslawien
« Antwort #130 am: 19. November 2018, 12:29:20 »
Hallo Ilona,
In Bosnien-Herzegowina heißt die Währung Konvertible Mark. Das ist nicht die D-Mark, entspricht aber genau ihrem Wert. Wahrscheinlich gab es früher eine enge Bindung an die D-Mark. Die Scheine sehen aber ganz anders aus als unsere alten Scheine.
Viele Grüße Paula

Silv

  • Held Mitglied
  • *****
  • Beiträge: 1768
Re: Drei Wochen in Ex-Jugoslawien
« Antwort #131 am: 19. November 2018, 18:45:43 »
Geschichte ist ja so garnicht meins... :-[
Liebe Grüße
Silvia

Christina

  • Held Mitglied
  • *****
  • Beiträge: 3107
Re: Drei Wochen in Ex-Jugoslawien
« Antwort #132 am: 19. November 2018, 20:53:43 »
Die beiden Führungen hätten mir auch sehr gefallen, auch wenn es noch gar nicht so lange her ist, habe ich doch schon wieder vieles vom Krieg damals vergessen.

Man kann dem Land nur wünschen, dass sich die wirtschaftliche Situation bald bessert.



LG Christina

Susan

  • Held Mitglied
  • *****
  • Beiträge: 3173
Re: Drei Wochen in Ex-Jugoslawien
« Antwort #133 am: 19. November 2018, 21:19:41 »
Interessante Stadtführungen! Hatte auch nicht mehr im Gedächtnis, dass Sarajevo so eingekesselt war. Beklemmend fand ich damals, dass sich auf einmal  jugoslawische Freundinnen, die hier in Deutschland aufgewachsen waren, auch als Serbinnen und Kroatinnen angegiftet haben  :P
Liebe Grüße
Susan


Paula

  • Held Mitglied
  • *****
  • Beiträge: 4412
Re: Drei Wochen in Ex-Jugoslawien
« Antwort #134 am: 21. November 2018, 08:19:33 »
Beklemmend fand ich damals, dass sich auf einmal  jugoslawische Freundinnen, die hier in Deutschland aufgewachsen waren, auch als Serbinnen und Kroatinnen angegiftet haben  :P

ja die Erfahrung habe ich auch gemacht, das ist auch heute noch so. Josef hat einen serbischen Kollegen der hat ihn sogar schief angeguckt weil wir nach Kroatien in Urlaub gefahren sind und nicht nach Serbien.
Viele Grüße Paula