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"Frei kaufen" vom schlechtem Fluggewissen?
serendipity:
Bisher habe ich um diese Möglichkeit gewusst, aber das alles nicht so ernst genommen.
Heute wurde ich durch unseren Radiosender wieder darauf aufmerksam gemacht: fliege ich für ein WE nach Malle, zahle ich 10 € und mein Reisekarma ist wieder in Ordnung.
Ob ich mir nun überlege, ob ich wirklich für ein WE nach Malle fliegen muss, bleibt dahin gestellt - wie im Mittelalter kaufe ich mich frei von meinen Umweltsünden. Mein Mann sagt: "Besser 10 € für ein Umweltprojekt als nichts!" - ich meine, man muss nicht für ein WE nach Malle fliegen!
Wie seht ihr das? Kann ich mich mit einem "Karma-Beitrag" freikaufen? Oder müssen wir alle umdenken und unsere Urlaube nachhaltig überdenken?
Rainer:
--- Zitat von: serendipity am 23. August 2019, 19:53:26 ---Wie seht ihr das? Kann ich mich mit einem "Karma-Beitrag" freikaufen? Oder müssen wir alle umdenken und unsere Urlaube nachhaltig überdenken?
--- Ende Zitat ---
Meine ehrliche Meinung: ich halte das für totalen Schwachsinn. Wenn ich einen Flug nach Las Vegas und zurück buche, dann weiß ich, welche extrem schlechte Klimabilanz ich habe. Und daran ändert sich auch nichts, wenn ich ein paar Euronen an irgendso einen Karma Verein abführe. Das ist Käse.
Es gibt nur zwei echte Varianten:
a) ich bin wirklich aktiver Klimaschützer und fliege nicht nach Las Vegas.
b) ich bin kein aktiver Klimaschützer und fliege nach Las Vegas.
So Initiativen wie die genannte, halte ich für Augenwischerei in mehrfacher Hinsicht: zum einen führt es bei uns zum irrigen Glauben, man hätte damit die CO2 Belastung irgendwie gemindert, was völliger Blödsinn ist. Was auch immer mit dem Geld geschieht, aber das CO2 des Flugzeugs wird ganz sicher NICHT irgendwo herausgefiltert. Und zweitens führt es allenfalls dazu, die politische Verantwortung für unser Klima auf den kleinen Mann abzuwälzen, was völliger Irrsinn ist. Unser Klima kann (wenn überhaupt noch) nur durch stringentes Handeln der Verantwortlichen gerettet werden, aber ganz sicher nicht durch milde Gaben des kleinen Mannes.
Insofern bekenne ich mich auch dazu, weiterhin Langstreckenflüge durchzuführen. Die Lösung besteht nicht darin, ein paar Ocken an irgendeinen selbsternannten Saubermannverein abzuführen. Wenn, dann muss Papa Staat RICHTIGE Strafsteuern (in ganz anderen Größenordnungen) auf solche Flüge erheben. Anders kann es nicht gehen, Die paar Kröten hier sind jedenfalls kein Anreiz, auf den Langstreckenflug zu verzichten, egal was mit dem Geld geschieht.
Birgit:
Ich liebe meine Reisen, ich liebe das Fliegen und muss sagen, dass es mir verdammt schwer fallen würde darauf zu verzichten!
Was ich nie machen würde und was sich von Erfurt auch bei den guten Bahnverbindungen so gar nicht anbietet, ist das Fliegen über eine Distanz, die ich ebenso bequem auch per Zug erreichen kann. Im September beispielsweise fahren K. und ich mit der Bahn nach Wien: Mit einmal Umsteigen in Nürnberg mit idealer Umsteigezeit von 20 bis 30 Minuten ist man innerhalb von 6 Stunden da, dazu vor Ort jeweils noch eine halbe Stunde zum Bahnhof bzw. vom Bahnhof zum Hotel und zurück.
Mit dem Flieger dauert es zwar nur ne Stunde, aber dazu die Fahrt und Security und Sicherheitszuschlag und von einem außerhalb gelegenen Flughafen in die Stadt... Das dauert mindestens so lange und ist anstrengender.
"Flugscham" ist in, mir fällt sie schwer...
Rainer:
--- Zitat von: serendipity am 23. August 2019, 19:53:26 ---Oder müssen wir alle umdenken und unsere Urlaube nachhaltig überdenken?
--- Ende Zitat ---
Um auch das nochmal aufzugreifen: grundsätzlich bin ich Deiner Meinung, wir können nur durch weniger Fliegen die Umwelt retten. Aber ich halte nichts davon, dass jeder für sich das entscheidet (worauf es ja hinausläuft). Das bedeutet nämlich dann nur, dass viel zu wenig geschieht (eine generelle Einsicht ist allzu optimistisch gedacht) und dann läuft es darauf hinaus, dass nur ein paar wenige auf ihren Urlaub verzichten, während sich andere einen Dreck um das Klima scheren und in Saus und Braus weiterleben. Das ist schlicht und ergreifend ungerecht.
Das mag dann mein Gewissen beruhigen, aber es hilft weder der Umwelt noch meinem Lebensstandard. Deswegen bin ich überzeugt, dass man nur mit zentralen Maßnahmen "von oben herab" eine sinnvolle Lösung finden kann. Wobei unser Lebensstandard schon so sehr von der weltweiten Logistik abhängt, dass ich mir ehrlich gesagt nicht mehr vorstellen kann, dass die Menschheit es tatsächlich noch schafft, sich so weit einzuschränken, damit die Umwelt überlebt.
P.S.: Neben dem Fliegen ist ja neuerdings auch die Kreuzfahrt ins Visier der Klimaschützer gerückt, die Kreuzfahrer werden stigmatisiert und es ist "in", auf Kreuzfahrten herumzudreschen. Dabei ist die Diskussion im höchsten Maße unsachlich und weit über das Ziel hinausgeschossen, es gibt nicht einmal 400 Kreuzfahrtschiffe weltweit. Denen gegenüber stehen 40.000(!) Frachtschiffe, die ebenso Schweröl tanken und unsere Umwelt verpesten. D.h. 99%(!) des Schiffsverkehrs geht zu Lasten von Transporten, nur 1% ist dem Kreuzfahrtverkehr anzulasten. Aber diese 1% sollen jetzt verantwortlich sein für den Klimawandel....
Ein einziger Hin/Rückflug nach Las Vegas hat ungefähr die gleiche Klimabilanz wie eine 3-monatige Kreuzfahrt. Wer leistet sich schon so lange Kreuzfahrten?
serendipity:
Ich gebe dir in den meisten Punkten Recht, Rainer.
Ich habe bisher auch keine "Flugscham" bzw. "Autofahrtscham", was den Urlaub betrifft - würde aber grundsätzlich auch nicht für ein Wochenende nach Malle fliegen. Deutschland und auch unsere nähere Umgebung bietet so viel, so dass wir viele Wochenenden hier mit dem Entdecken von Neuem verbringen können.
Insgesamt versuchen wir schon ein wenig umzudenken, z.B. weniger zu bestellen und beim Essen auf Regionalität zu achten. Das ist natürlich noch weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein, aber es tut nicht weh und die Recherche nach gutem Wildfleisch aus dem Taunus und einem leckeren Steak von heimischen Wiesen macht sogar auch Spaß. Da brauche ich kein Paket von "Hello fresh".
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