Autor Thema: Reisebericht anders oder ein Appendix will nicht mehr nach Hause ...  (Gelesen 43266 mal)

Ilona

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Re: Reisebericht anders oder ein Appendix will nicht mehr nach Hause ...
« Antwort #75 am: 14. Dezember 2013, 15:48:04 »
Au weia, dieses "Theatre" braucht wirklich niemand  :verpiss:.
Liebe Grüße

Ilona

"Man muss viel laufen. Da man, was man nicht mit dem Kleingeld von Schritten bezahlt hat, nicht gesehen hat" (Erich Kästner)


Andrea

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Re: Reisebericht anders oder ein Appendix will nicht mehr nach Hause ...
« Antwort #76 am: 14. Dezember 2013, 22:25:21 »
Ein Glück, dass ihr nicht so weit von Windhuk entfernt wart. So bist du wenigstens in den "Genuss" einer vernünftig ausgestatteten Klinik gekommen. Trotzdem alles sehr aufregend...
Liebe Grüße, Andrea



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Horst

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Re: Reisebericht anders oder ein Appendix will nicht mehr nach Hause ...
« Antwort #77 am: 14. Dezember 2013, 23:23:05 »
Hallo Sabine,

auch wenn man ja heute weiß (im Gegensatz zu Dir damals vor Ort), daß die Sache gut ausgegangen ist, leidet man mit.
Im übrigen schreibst Du das sehr gut und spannend.
Man ist richtig in der Geschichte drin - klasse.  :D
Ich bin mit dem, was Du sagst, nicht einverstanden, aber ich werde bis zum Tod Dein Recht verteidigen, es zu sagen. Voltaire.

S@bine

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Re: Reisebericht anders oder ein Appendix will nicht mehr nach Hause ...
« Antwort #78 am: 15. Dezember 2013, 13:26:34 »
Hallo Andrea,

stimmt, Glück im Unglück - das ist wohl einer der Fälle, wo das 100 %-ig passt.


Hallo Horst,

auch wenn man ja heute weiß (im Gegensatz zu Dir damals vor Ort), daß die Sache gut ausgegangen ist, leidet man mit.

ja, hätte leider auch ganz anders ausgehen können ...


Im übrigen schreibst Du das sehr gut und spannend.
Man ist richtig in der Geschichte drin - klasse.  :D

Vieeeeelllen Dank - freut mich sehr, denn ich muss zugeben, manches Mal wird mir noch anders, wenn ich es lese.

Viele Grüße
Sabine

S@bine

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Re: Reisebericht anders oder ein Appendix will nicht mehr nach Hause ...
« Antwort #79 am: 15. Dezember 2013, 17:14:05 »
Tag 21

Windhoek
Übernachtung: Hotel Safari bzw. Hospital


Richtig schlafen konnte ich nicht in der Nacht, Gedanken und Fragen wirbelten wie Purzelbäume durch meinen Kopf: Wie wird die erste Operation werden? Werde ich die Narkose vertragen? Ist die Versorgung hier soweit okay? Bin ich in guten Händen? Warum habe ich mich nicht gegen Hepatitis B impfen lassen? Das Wort AIDS kam mir auch immer wieder in den Sinn.

Mir bereiteten diese Gedanken Unbehagen, dann dachte ich aber wieder an die Arztpraxis, die Kliniken und die Ärzte/Ärztinnen, die ich hier bisher gesehen und kennengelernt hatte. Alles machte auf uns einen sehr guten und professionellen Eindruck. Auch das Hospital, in dem ich jetzt lag, wirkte auf uns äußerst vertrauenserweckend … und der Chirurg, der mich operieren würde, hatte es mit seinem freundlichen und kompetenten Auftreten innerhalb kürzester Zeit geschafft, das Vertrauen von mir und meinem Mann zu gewinnen.

Nichtsdestotrotz war es eine Situation, die ich niemandem wünsche und die wahrscheinlich nur jemand richtig nachvollziehen kann, der schon einmal in einer ähnlichen Lage war. So gerne ich reise, so gerne ich etwas anderes auf meinen Reisen sehen möchte als zuhause, so gerne wäre ich jetzt doch zuhause in einer mir vertrauteren Umgebung gewesen.

Aber jetzt lag ich nun einmal hier, in einem Krankenhaus in Windhoek, Namibia. Ich fühlte mich alleine und vermisste meinen Mann, als mich ganz früh am Morgen meine Gefühle überwältigten.

Jetzt flossen Tränen, es war rückblickend gesehen, das einzige Mal in diesen Tagen. Eine der Nachtschwestern kam routinemäßig ins Zimmer und sah mich. Sie versuchte mich zu beruhigen und als ich ihr sagte, dass ich meinen Mann vermisse, gab sie mir ihr Handy, damit ich ihn im Hotel anrufen konnte. Was für eine nette Geste von dieser Frau, die ich nie zuvor gesehen hatte. Ich rief meinen Mann an, es muss irgendwann morgens zwischen 5:00 Uhr und 6:00 Uhr gewesen sein, wir sprachen nur kurz, aber es hat mich umgehend beruhigt.

Dann wurden von den Schwestern die ersten Vorbereitungen getroffen. Obwohl ich meine, dass ich ziemlich gut Englisch spreche, ist es nun mal doch nicht meine Muttersprache, und ich fragte die Schwestern, ob hier vielleicht jemand wäre, der möglicherweise Deutsch spricht. Sie verneinten erst, dann fiel ihnen aber jemand ein. Eine Namibianerin, deren Vorfahren vor mehreren Generationen aus Deutschland kamen. Als sie kam und mit mir auf Deutsch sprach, war ich einfach nur glücklich, jemanden zu sehen, der beides kannte, Namibia und Deutschland. Diese nette Dame half meinem Mann und mir an diesem Tag und später noch sehr bei verschiedensten administrativen Dingen, die in der Klinik anfielen.

Es dauerte nicht lange und mein Mann traf ein. Ich war so froh und erleichtert, ihn zu sehen und ihn an meiner Seite zu haben. Zu meiner Überraschung stand dann auch noch kurze Zeit später der Allgemeinarzt, der am Tag zuvor unsere erste Anlaufstation war, an meinem Bett. Mein Mann hatte ihn morgens angerufen, um ihm mitzuteilen, was nun bei den Untersuchungen herausgekommen sei. Der Arzt wollte einfach nur vorbeischauen, um zu sehen, wie es mir geht. Er beantwortete mir meine Fragen und beruhigte mich. Es war ein Freitag und er wäre übers Wochenende nicht in Windhoek, aber wir könnten ihn jederzeit anrufen, wenn wir etwas auf dem Herzen hätten oder Hilfe bräuchten. Wir waren ihm so dankbar und zum Abschied sagte ich ihm, „Ich könnte Sie gerade drücken“. Seine Antwort: „Dann tun Sie es doch“. So gab es zum Abschied eine herzliche Umarmung.

Nachdem ich noch mein schriftliches Einverständnis zum Eingriff gegeben hatte, wurde ich zum Theatre gefahren. Ich habe zwar schon den einen oder anderen Theaterbesuch gemacht, aber diese nun folgende Inszenierung war mir vollkommen fremd. Eigentlich ein netterer Name als bei uns für diesen Ort und wenn ich zukünftig höre, dass jemand „ins Theater geht“, werde ich wohl des Öfteren an Windhoek zurückdenken.

An diesem Tag war – ich weiß es leider nicht mehr ganz genau – ein Tag, an dem der Krebskranken gedacht wird, daher hatten alle Schwestern bunte Tücher um ihre Haare gewickelt, von dem ich später auch noch eines geschenkt bekam. Zuerst dachten wir, das sei normale Arbeitskleidung, bis wir dann den Grund erfuhren. Leider hörten wir, aufgrund unserer Situation, nicht 100 %-ig hin, wie der Tag genau genannt wird.

Ich lag nun in meinem Bett, immer noch an Infusionen angeschlossen, in der Warteschleife. Endlich ging es dann direkt ins Theatre, aber ich hörte bereits, dass der Anästhesist sich verspäten würde. Alle warteten auf ihn.
Ich lag noch in meinem Bett direkt neben dem OP Tisch und war mittlerweile wieder ganz ruhig. Heute frage ich mich, wie ruhig ich mich noch eine ganze Weile mit meinem Chirurgen über dies und das habe unterhalten können.

Während ich operiert wurde, wartete mein Mann und als ich aufwachte mit ziemlichen Bauchschmerzen, war er auch wieder an meiner Seite … genauso wie Herr Appendix, der durch einen größeren Schnitt nun meinem Bauch Adieu gesagt hatte und jetzt in einem Umschlag auf dem Schrank neben mir lag. Diesen durfte mein Mann dann selbst wegbringen, um ihn untersuchen zu lassen.

An den Rest des Tages kann ich mich nur wenig erinnern. Ich weiß aber noch vage, dass ich Sauerstoff brauchte, aber irgendwie nichts aus dem Teil herauskam. Ich muss das dann – weil ich noch nicht richtig wach war – in Deutsch gesagt haben. Was für ein Glück, dass mein Mann neben mir saß und es übersetzen konnte. So wurde sofort Abhilfe geschaffen. Das war wieder eine Situation, die man nicht hat, wenn man in einem Land ist, wo überall die eigene Muttersprache gesprochen wird. Dinge, die mir erst durch diese Erfahrung so richtig ins Bewusstsein gerufen wurden.

Nachmittags musste mein Mann für eine Weile weg. Wir hätten an diesem Tag unseren Mietwagen in Maun abgeben sollen, jetzt mussten wir (besser gesagt in diesem Fall, mein Mann) sehen, dass wir ihn ohne größere Probleme in Windhoek abgeben konnten. Wir waren froh, dass wir – ohne das geplant zu haben – bei einem Vermieter gebucht hatten, der auch in Windhoek eine Niederlassung hat. So verlief hier die Rückgabe und das trotz des Unfalls ohne Probleme - eine Sorge weniger.

Andrea

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Re: Reisebericht anders oder ein Appendix will nicht mehr nach Hause ...
« Antwort #80 am: 15. Dezember 2013, 18:23:34 »
Sabine, mich gruselt es ein wenig bei deiner Geschichte. Ich bin dieses Jahr überhaupt erst das erste Mal im Krankenhaus gewesen und auch noch nie operiert worden. Wenn ich mir jetzt so deine Situation für mich vorstelle, dann bekomme ich echt eine Gänsehaut. Genau wie du hätte ich Angst vor Aids und anderen Krankheiten gehabt, aber auch vor der OP an sich.

Aber du hast es überstanden und sollte ich jemals in eine ähnliche Situation kommen, werde ich an deinen Bericht denken und mich damit trösten. dass du es auch geschafft hast! Danke, dass du hier so ausführlich berichtest!
Liebe Grüße, Andrea



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S@bine

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Re: Reisebericht anders oder ein Appendix will nicht mehr nach Hause ...
« Antwort #81 am: 15. Dezember 2013, 18:42:59 »
Hallo Andrea,

ich hatte vorher auch erst einmal eine kurze Krankenhauserfahrung (Gott sei dank!).

Weißt du was? Alleine das:

Aber du hast es überstanden und sollte ich jemals in eine ähnliche Situation kommen, werde ich an deinen Bericht denken und mich damit trösten. dass du es auch geschafft hast! Danke, dass du hier so ausführlich berichtest!

hat schon gelohnt, dass ich meine Erlebnisse beschreibe.

Liebe Grüße
Sabine

Rainer

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Re: Reisebericht anders oder ein Appendix will nicht mehr nach Hause ...
« Antwort #82 am: 15. Dezember 2013, 19:19:03 »
Ich bin dieses Jahr überhaupt erst das erste Mal im Krankenhaus gewesen und auch noch nie operiert worden. Wenn ich mir jetzt so deine Situation für mich vorstelle, dann bekomme ich echt eine Gänsehaut.

Das ist durchaus "relativ". Vielleicht erzähle ich Dir mal (wenn Du Dich besonders stark und gut fühlst) meine Krankengeschichte. Danach weißt Du, dass Du wahrscheinlich noch nie im Leben ein Problem hattest...

Es gibt ein arabisches Sprichwort, das sagt ungefähr aus: "Das Leben ist wie eine große Zahl. Dinge wie Geld, Wohlstand, Glück, Liebe u.v.m. das sind die Nullen dieser großen Zahl. Und ganz vorne steht die Eins - und das ist die Gesundheit".

Eine sehr weise Erkenntnis. Ohne Gesundheit ist alles nichts.

Andrea

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Re: Reisebericht anders oder ein Appendix will nicht mehr nach Hause ...
« Antwort #83 am: 15. Dezember 2013, 19:45:28 »

Das ist durchaus "relativ".

Genau, relativ. Schlimmer geht leider fast immer. Und zumindest einen kleinen Teil deiner Geschichte hast du ja auch schon mal erzählt. Da lasse ich mir lieber den Blinddarm in Afrika entfernen...
Liebe Grüße, Andrea



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Ilona

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Re: Reisebericht anders oder ein Appendix will nicht mehr nach Hause ...
« Antwort #84 am: 16. Dezember 2013, 08:28:12 »
So etwas wünscht sich keiner auf Reisen :(. Aber ich denke, du hast mit der Klinik noch Glück gehabt und die Reise wird dir stets in Erinnerung bleiben.
Liebe Grüße

Ilona

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Shadra

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Re: Reisebericht anders oder ein Appendix will nicht mehr nach Hause ...
« Antwort #85 am: 17. Dezember 2013, 00:32:44 »
Oh man, Sabine! Was für eine Geschichte! Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man fast meinen, man liest einen Roman, bangt und leidet mit der Protagonistin mit!

Zitat
Jetzt flossen Tränen, es war rückblickend gesehen, das einzige Mal in diesen Tagen. Eine der Nachtschwestern kam routinemäßig ins Zimmer und sah mich. Sie versuchte mich zu beruhigen und als ich ihr sagte, dass ich meinen Mann vermisse, gab sie mir ihr Handy, damit ich ihn im Hotel anrufen konnte. Was für eine nette Geste von dieser Frau, die ich nie zuvor gesehen hatte.
Hier hätte ich jetzt fast gleich mitgeweint ...  :-[
Schöne Grüße
Nele

Manche Menschen schwimmen mit dem Strom. Andere schwimmen gegen den Strom. Und ich steh hier mitten im Wald und find den blöden Fluss nicht!