Man muss bei Rezensionen wirklich immer sehr genau hinschauen, wer sie geschrieben hat und warum. Letztlich ersetzen sie derzeit bei Deals im Internet oft die Beratung, die man früher im Laden von einem Verkäufer erhalten hat, bzw. den persönlichen Eindruck von einem Produkt.
Und wenn man dann von dem Koffer ohnehin nur ein Bild sieht, dann ist der persönliche Eindruck (Reißverschluss geht schwer, gut verarbeitet, empfindliches Material, sehr wenig Widerstand beim Rollen) wichtig. Allerdings kaufe ich solche Sachen selten im Internet. Da kaufe ich eigentlich fast nur Bücher oder beispielsweise ein Paar Schuhe, das ich im Laden an hatte, das ich eine halbe Nummer größer brauche und das es dort nicht mehr gab oder eben andere Produkte, die ich schon mal in natura gesehen habe.
Ich lese Rezensionen vorwiegend zu Hotels und habe auch früher zu Hotels immer eine geschrieben. Worauf achte ich dabei?
Persönliche Wut wegen eines singulären Ereignisses (habe Raucherzimmer bekommen, obwohl ich ein Nichtraucherzimmer wollte) übergehe ich. Shit happens, ist mir auch schon so ergangen. Das allein macht ein Hotel nicht schlecht.
Wenn Rezensionen herausstechen, sehe ich mir den Rezensienten genauer an:
Zerreißt jemand ein ansonsten gut bewertetes Hotel in Grund und Boden, weil er normalerweise "Besseres" gewohnt ist?
Kommt ein sehr schlichtes Hotel vielleicht nur deshalb sehr gut weg, weil der Betreffende sonst hart im Nehmen ist und nur die allerbilligsten Absteigen nimmt, die allgemein schlecht bewertet werden?
Findet jemand ein Hotel vielleicht deshalb unmöglich, weil er beispielsweise eine Generation älter oder jünger ist als das von ihm kritisierte Publikum? Und bin ich dann vom Alter her eher jemand der kritisierten Gäste oder der Kritisierer?
Ist ein Hotel tatsächlich ekelig oder hat da jemand eine persönliche Macke? So habe ich eine Bekannte, die offenbar eine "Stuhlmeise" hat: In jedem Hotel findet sie beim Frühsück Stühle, deren Bezüge zerschlissen und befleckt sind, auf die sie sich nicht setzen mag. Da bin ich offenbar generell nicht empfindlich.
Und ich sehe mir die anderen Rezensionen an:
Wird sich grundsätzlich über Straßenlärm beschwert?
Ist der Pool offenbar öfter dreckig und verwahrlost oder auch in der Saison immer wieder geschlossen?
Werden immer wieder die hygienischen Verhältnisse beim Frühstück bemängelt?
Haben mehrfach Gäste den Eindruck, die Bettwäsche ist nicht gewechselt worden?
Und was bitte ist eine "gute Lage"? Für mich bedeutet gute Lage beispielsweise, dass ein Hotel nah an dem ist, was ich mir ansehen will. Jemand anders hat es vielleicht grundsätzlich gerne ruhig und nimmt dafür ein paar Minuten Fahrt mehr in Kauf.
Und bei so etwas wiederum schaue ich dann, ob es mir wichtig ist. Der verwahrloste Pool wäre mir bei einer Zwischenstation irgendwo im Nirgendwo egal, wenn ich spät abends ankomme und früh wieder fahre. Die möglicherweise schon benutzte Bettwäsche hingegen würde mir grundsätzliche Sorgen bereiten.
Letztlich ist es eine Frage der Konkretheit. Mit "Lage toll, Frühstück super, genialer Ausblick" kann ich ebenso wenig anfangen wie mit "unfreundlicher Empfang, überfülltes Hotel". Wenn jemand beschreibt, was ihm aufgefallen ist, warum er es gut oder schlecht fand, wenn er beispielsweise beschreibt, warum er das Frühstück als "ausreichend, wenn auch wenig Auswahl" empfindet, also beispielsweise aufzählt, was es gab, kann ich damit eine Menge anfangen.
Das ist mir selbst auch immer wichtig, schon rein beruflich muss ich ja Beobachtung und persönlichen Eindruck trennen und begründen, weshalb ich etwas genau so bewerte, wie ich es mache und nicht anders. Und obwohl ich mich immer bemüht habe, meine Hotelbewertungen bei Tripadvisor und Holidaycheck konkret zu beschreiben, ist es trotzdem bei Letzterem immer wierder passiert, dass die Bewertung als "nicht hilfreich" abqualifiziert wurde. Ich vermute, das lag dann daran, dass jemand anders zu dem Hotel eine andere Meinung hatte.