Sonntag, 02.11.2014: St. LuciaEs geht ganz in den Süden von St. Lucia, genauer gesagt: Einmal um die ganze Insel herum. Und dazu breche ich verhältnismäßig früh auf, was zum Glück dank eines anderen Early Bird gelingt, der ebenfalls wegfährt und für mich damit Platz zum Rangieren schafft, nachdem so ein Volltrottel mit seinem knallgelben Angeberauto mich über Nacht eingeparkt hatte.
Es sieht wolkig aus und es schauert zwischendurch kräftig. 'Liquid Sunshine' nennt man das hier liebevoll, auch zu Recht, denn das satte Grün, das die Insel dominiert, glänzt und leuchtet nach dem Regen vor dem tiefblauen Himmel, als die Sonne wieder strahlt.
Von einem Aussichtspunkt kann ich die Pitons bewundern und die Stelle ausmachen, an dem der Vulkan raucht, und ich kaufe einem Händler hier eine Kette ab, da er so nett ist, wohlwissend, dass die Kette wahrscheinlich die nächsten 5 Jahre in meinem Schrank liegen wird um dann bei der nächsten Aufräumaktion in gute Hände abgegeben zu werden.
Bis Soufriere halte ich kaum an, aber in Soufriere sehe ich mich um. Ich marschiere am Wasser entlang, beobachte kiffende Kerle mit Rastas, spielende Kinder und ausladende Hausfrauen in BH und Leggins, die ihre Wäsche aufhängen. Ich werde einige Male freundlich gegrüßt und angesprochen und lasse mir Zeit zum Schlendern und für einige Fotos. Wie Kinder in Deutschland , bzw. "wir früher" spielen die Kinder hier Hinkekästchen und Fußball
In der kleinen Kirche ist gerade Gottesdienst, der kleine Supermarkt hat trotz des Sonntags geöffnet, was offenbar nicht selbstverständlich ist. Wahrscheinlich liegt es daran, dass hier auch Rum verkauft wird...
Ich reiße mich los, habe heute schließlich noch einige Highlights vor mir. Zunächst fahre ich in den botanischen Garten mit dem Diamond Waterfall. Ich parke unter hohen Mahagonibäumen, die in der Natur weitaus unauffälliger sind als ich immer gedacht habe, nachdem das Holz doch so teuer und mittlerweile so geschützt ist. Irgendwie habe ich wohl erwartet, dass Mahagonibäume aus poliertem rotbraunem Holz bestehen, ich Naivchen!
In der Thermalquelle hier kann man auch baden, will ich aber nicht. Ich sehe mir Kakaopflanzen und Vanille an, auf Tischen sind Früchte der Insel ausgestellt.
OK, sehr schön und sehr liebevoll gemacht, aber bis auf das schwarze Wasser, das der Bach führt, da der Wasserlauf vom Vulkan her kommt, alles irgendwie schon gesehen.
Eine weitere Kette aus Holzperlen wechselt den Besitzer, warum nicht die Wirtschaft ein wenig ankurbeln? Ich dachte eigentlich, es wäre eine gute Idee die erste zu tragen und bei weiteren Angeboten einfach darauf zu zeigen nach dem Motto 'ich brauche keine mehr'. Aber nein, er habe schließlich andere Ware, sagt er und zeigt mir seine Schätze.
Und nun geht es weiter zu der Sehenswürdigkeit, die dafür sorgt, dass ich den ganzen Tage schon den Geruch von faulen Eiern der übelsten Sorte nicht aus der Nase bekomme, zum 'Drive in Volcano'. Tatsächlich darf ich bis zur Aussichtsplattform fahren, erstaunlicherweise ist auch hier so gut wie gar nichts los.
Nun ja, es handelt sich um einen Stinker übelster Sorte, bei dem der Yellowstone nicht mithalten kann. In einigen Löchern blubbert schwarzes Wasser, ansonsten gibt es nicht viel zu sehen, da gibt selbst die Sektion mit den Mud Volcanos als kleiner Bereich des Yellowstone Nationalpark mehr her.
Ich habe das Paket inklusive Schlammbad gebucht und dürfte mich zwischen die anderen Anwesenden in ein Becken mit Wasser aus dem Vulkan setzen. aber nee, ist mir zu blöd, weil am Rand des übervollen Beckens Mitarbeiter stehen und aufpassen, dass alle sich auch mit dem gesunden Schlamm einreiben. Andere, die etwas schlauer sind, haben sich ein Stück jenseits des Betonbeckens positioniert, da sieht es auch netter aus.
Für alle, die es in Betracht ziehen: Es gibt Umkleiden und eine Dusche, sodass man den Schlamm und die nassen Sachen auch wieder loswerden kann. Man kann den erschwinglichen Eintritt auf die Besichtigung oder ein Bad oder beides festlegen.
OK, also setze ich nun die Reise über die Südspitze der Insel und die Ostküste fort. Ich habe es nicht bereut. Auch wenn hier keine Sehenswürdigkeiten im Reiseführer beschrieben werden, ist es hier sehr schön. Vor allem habe ich den Eindruck, dass sich hierhin kaum ein Tourist verirrt, es sei denn, er landet auf dem großen Flughafen hier im Süden und muss zwangsläufig zum Touristenzentrum im Norden hier entlang. Die Landschaft ist flacher und unspektakulärer, aber es gibt schöne Blicke auf das Meer und einige schöne Strände.
Kurz vor Vieux Fort halte ich in der Ortschaft Laborie. Verlockend schimmert hier das Meer zwischen Häusern und Bäumen durch. Das will ich genauer betrachten. Nach einer Fahrt durch das Dorf lande ich wirklich am Strand und finde eine touristenfreie Idylle vor. Hier will ich bleiben! Nette Reggaemusik schallt von der Strandbar herüber in erträglicher Lautstärke, ansonsten baden hier ein paar Leute, hauptsächlich Grüppchen von Jugendlichen und ein paar Familien.
Leider scheint es wohl das Sonntagsnachmittagsritual der Insulaner zu sein, die Zeit am Strand zu verbringen. Sie wären ja auch doof, täten sie das nicht. Für mich bedeutet es allerdings, dass sehr schnell Schluss ist mit der Ruhe und Idylle. Ein Auto nach dem Anderen fährt den äußerst steilen und äußerst schlechten Weg zum Strand herab, den ich mich niemals runtertrauen würde. Es werden Lautsprecher neben den Autos aufgebaut, mit denen man den Sound der Nachbarn übertönt, und der Grill wird aufgebaut, die Rumflaschen werden auf den Autodächern geparkt.
Tja, spontan beschließe ich, dass eine Stunde auch reicht und fahre weiter.
Ich halte noch für ein paar Fotos am großzügigen Sandy Beach, der einen völlig anderen Eindruck macht, denn hier fehlen die Palmen und werden durch sattgrüne, ausladende Bäume mit fleischige Blättern und Flechten auf dem Boden ersetzt, was den Charakter des Strandes deutlich vom letzten unterscheidet. Hier geht es eher sportlich zu mit Ballspielen und Reiten am Strand.
Weiter geht es, bis ich einen Hinweis auf den La Tille Wasserfall sehe. Hm, Zeit habe ich noch, gelesen habe ich davon noch nie.
Mich erwartet das offenbar bestgehütete Geheimnis von St. Lucia, eine Idylle, bei der sich die Designer von modernen Wellnessanlagen noch etwas abgucken können, ein niedlicher kleiner runder See, der Wasserfall, eine Liane hängt dekorativ von einem Baum, selbstgezimmerte Holzbänke und Stege sind um den Teich herum angebracht.
Hallo Tarzan, wo bist du? Hier ist Jane! Ich bin hier absolut allein und bekomme den Gedanken, wie es wohl wäre hier einfach 2 oder 3 Tage ausspannen zu können und in den Bananenplantagen auf der Zufahrt und im Dschungel spazieren zu gehen, in einer Hängematte buchstäblich abzuhängen und mindestens zweimal am Tag unter dem Wasserfall zu baden.
Der Besitzer, ein echter Rastafari, liegt im Schatten in seiner Hängematte auf dem angrenzenden Grundstück. Hierher kommen nicht viele Menschen. Letzten Dienstag seien Touristen hier gewesen, und ab und zu bringt mal ein Bekannter, ein Taxifahrer, ein paar Kreuzfahrer vorbei. Er habe heute vegetarisch gefüllte Roti gemacht, ob ich Hunger habe? Wir essen gemeinsam, dafür bin ich ihm nur einen Spottpreis schuldig, 5 EC. Er erzählt, dass er 5 Kinder habe, von denen eins noch bei ihm lebe. Er habe vieles gesehen und sich für dieses Leben in der Hängematte an seinem Wasserfall entschieden als Lehrer im Ruhestand.
Es kommen seine Katze und seine Gans vorbei, die beide auch etwas vom Roti in einer Kokosnussschale serviert bekommen, außerdem ein paar Einheimische. Es ist richtig schön hier.
Aber ich möchte die Insel während der Rückfahrt noch im Hellen genießen und mache mich wieder auf den Weg. Mit noch einigen Blicken von der hiesigen Steilküste auf Buchten, später beim Überqueren auf den Dschungel im Abendlicht und abschließend auf Castries komme ich wieder im Ginger Lily an, gerade noch rechtzeitig um noch schnell über die Straße zu huschen und die letzten roten Spuren des Tageslichtes im Meer badend genießen zu können.
Die Erkenntnis des Tages: Die Pitons habe ich irgendwie verpasst, aber die Insel braucht sie im Grunde gar nicht, sie hat doch so viel Anderes zu bieten, sodass man sie nicht auf zwei spitze Berge reduzieren muss.