19.Tag, Mittwoch 14.9.2011 4:30 Uhr aufstehen an einem Urlaubstag ist schon heftig – aber wir müssen um 5 Uhr die telefonisch reservierten Tickets für die Fähre nach Haines abholen.
Bei „unerfreulichem" Nieselregen beladen wir unseren Nissan und fahren durch das noch verschlafene Skagway hinunter zum Fährhafen.
Tatsächlich ist auch schon ein Angestellter von Alaska Marine Highway hinter dem Schalter und händigt uns die Tickets aus.
Wir sollen um 6 Uhr wieder hier sein und unseren Wagen nach Anweisung in Position stellen.
Noch eine Stunde Zeit ?
Dann fahren wir nochmal aufs Zimmer (wir hatten die Türe in weiser Voraussicht nicht abgesperrt) und trinken in Ruhe einen Kaffee. Gesagt getan.
Eine Stunde später reihen wir uns in die wartenden Autos ein, fahren schließlich auf die Fähre, stellen das Auto ab ...

... und gehen die Treppe hinauf zum oberen Deck, wo es ausreichend Sitzplätze und große Scheiben gibt, an die der Regen klopfen kann.
Immerhin spart die Fähre eine Menge Zeit - die Verbindung Skagway - Haines dauert so nur eine Stunde.
Skagway & Haines - per Luftlinie nah beieinander aber per Auto eine Fahrt über Whitehorse und Haines Junction von vielen Stunden (laut Google Maps 9h - 350 Meilen )
Leicht verspätet legt die Fähre ab und fährt durch den Lynn Kanal, immerhin der größte Fjord Nordamerikas, in Richtung Haines.
Trotz der tief hängenden Wolken sind die Berge und der eine oder andere Wasserfall zu sehen, aber wirklich spektakuläre Ansichten kann man bei diesem tristen Wetter, für das es nicht mal einen Trostpreis gibt, nicht erwarten.
Also abwarten und Tee (oder in unserem Fall Kaffee) trinken.
Kurz nach 8 Uhr erreicht die Fähre Haines und einige Minuten später haben wir und unser inzwischen fast wieder weißer SUV festen Boden unter den Füßen.
Wir überlegen was wir uns in Haines und Umgebung als Erstes vornehmen wollen.
Die Entscheidung ist schnell getroffen – entlang dem Chilkoot River zum Chilkoot Lake soll es gute Chancen geben Bären zu sehen. Außerdem ist das hier vom etwas östlich des Ortes gelegenen Fährhafen nur ein Katzensprung.

Wir sind etwa 2 Kilometer gefahren, als sich der Chilkoot River zur Straße gesellt. Wir halten an und sehen uns um.
Unglaublich – gerade in diesem Moment nähert sich eine Bärenmutter mit zwei schon etwas größeren Cubs dem Fluß.

So etwas elektrisiert natürlich sogar am frühen Morgen.
Vor allem ich darf gleich wieder alle Register ziehen. Während Petra „gemütlich" aus dem Seitenfenster fotografieren kann, öffne ich die Heckklappe unseres SUVs, angle in Windeseile mein Stativ und die Kamera vom Rücksitz und stelle mich mit meinem Equipment „unter".

Das schnell errichtete Vordach erfüllt seinen Zweck – Kamera und Kameramann sind vom Regen geschützt – die Bären können kommen – und das tun sie auch – die Show beginnt.
Die Mutter führt ihren Nachwuchs an den Fluß und schon wird nach Lachsen Ausschau gehalten.

Von uns und unserem Wagen gegenüber auf der anderen Flußseite etwa 30-40 Meter entfernt nehmen sie keine Notiz.
Dummerweise tropft mir immer wieder braune Brühe von der Heckklappe auf die Kamera – der Schlamm den wir uns am Dempster erarbeitet haben ist wirklich hartnäckig. Schade – das mit dem Dach wäre eine schöne Idee gewesen.
Ein Kameramann hat's nicht leicht. Aus dem Auto filmen ginge nur ohne Stativ und das kommt nicht in die Tüte.
Das richtige Stichwort - ich muss schleunigst meine Regenschutzhülle überstülpen – die tolle Schirmkonstruktion hielt ja nicht mal „einen Sommer" sondern nur eine Stunde und hat ihr Leben an der Independence Mine ausgehaucht.

Von der anderen Flußseite nähert sich eine weitere Bärengruppe bestehend aus einer Bärenmutter und drei Cubs.

Ja, wer kommt denn da ?
Die Kameras schwenken im Regen hin und her und man ist bemüht so viel wie möglich dieser tollen Szenerie einzufangen.

Die Bären halten sich zueinander auf Abstand und beäugen sich immer wieder.

Szenen, wie Bären sich aufstellen um besser riechen zu können, kennen wir sonst nur aus dem Fernsehen – hier bekommen wir es live und in Farbe geboten wie die „Nachbarschaft" geruchlich erforscht wird.
Bearwatching wie es besser kaum sein kann und das alles "for free".

Ein "Eindringling" in den Nahbereich der Dreiergruppe wird gleich verscheucht

Die Bären ziehen über die Wiese gemächlich weiter und wir nehmen (diesmal im sicheren Auto ) die Verfolgung auf, überqueren die Brücke, fahren durch ein kurzes Waldstück und können die Bären von einem kleinen Parkplatz noch einmal eine Zeitlang beobachten. Dann verschwindet die eine Gruppe im Wald und die andere wandert in Richtung der Gezeiten-Lagune am Lynn Kanal ab.
Das war ein echter Hammer!
So ein Erlebnis gleich am frühen Morgen – unfassbar – wie im Zoo.

Dazu eine tolle Szenerie und die Bären haben sich inzwischen weiter weg für ein Bad in der Lagune niedergelassen.

Wir frühstücken im Auto und fahren danach die kurze Strecke am Fluß weiter Richtung des Chilkoot Lake. Der Regen geht in ein gelegentliches Tröpfeln über.

Auch an diesem Teil des Flusses halten wir natürlich Ausschau nach Bären, sehen aber „nur" einige Weißkopfseeadler und unzählige Möwen, die sich die leckersten Lachse aus dem Fluß fischen.

Abflug mit Fisch

Die Straße endet am Chilkoot Lake.
Wir steigen aus und bestaunen eine fantastische Landschaft. Selbst bei heute tiefhängenden Wolken beeindruckend, wie die Takshanuk Berge diesen See richtiggehend umstellt haben.
Am Uferrand kann man einigen Anglern bei ihrem Hobby zusehen. Die Lachse springen meterweit über den See und klatschen wieder ins Wasser – selbst wenn sie schon am Haken hängen. Einer Anglerin reißt bei so einem Fluchtversuch die Angelschnur und der Lachs entkommt.
Für uns wäre Angeln wohl kaum eine geeignete Freizeitbeschäftigung. So lange auf einem Fleck stehen ….
Wir nehmen uns ja oft für schöne Landschaften und Orte zu wenig Zeit weil schon wieder das nächste Ziel im Kopf herumspukt …. und dann stundenlang nicht vom Fleck kommen ….. unvorstellbar ….
Den Leuten hier scheint's aber Spaß zu machen und wenn man sieht was hier an Fischen und vor allem Lachsen unterwegs ist ….
Fast unmöglich ohne eine Wagenladung Fisch nach Hause zu gehen.

Wir fahren vom See wieder den Fluß entlang Richtung Haines. Nach Haines kommen wir allerdings noch nicht – die Bärenmutter mit ihren 2 Cubs wandert vom Lynn Canal wieder in Richtung des Chilkoot River !
Wir stellen das Auto ab und warten gespannt.
Keine 15 Minuten später sind die Bären wieder am Fluß und laufen direkt auf uns zu.
Da trübt nicht mal der schon wieder einsetzende Regen unsere Begeisterung. Meine Hose und Jacke sind schon gut nass aber das bemerkt man in so einer Situation überhaupt nicht.
Selbst der übellaunige Bär, der uns am Russian River zu sportlichen Höchstleistungen ermuntert hat, konnte uns unsere Faszination für Bären nicht nehmen.
Die Bären trotten direkt unterhalb unseres Standortes vorbei – super !

Fischfang - lauern ...

... und zuschlagen.
Inzwischen haben sich noch weitere Autos eingefunden und um uns herum klicken die Kameras.

Immer wieder wechseln die Bären von der Flußmitte an den Uferrand, scheuchen mit Wonne einige Möwen auf und nehmen sich einen Lachs aus dem Fluß was hier wahrlich kein Kunststück ist.

Als die Bärenmutter auf die Brücke zusteuert, folgt die Kamera-Karawane hinterher.

Für die Bären ist zur Zeit täglich Freitag – denn es kommt ja ausschließlich Fisch auf den Tisch. Die Bärin lässt sich von den Fotografen auch nicht bei ihrem ausgedehnten Mittagsessen stören.

Derweilen tollen die beiden Cubs munter im Fluß – gar nicht so einfach sich zu entscheiden in welche Richtung man sein Objektiv hält.
Schließlich ziehen die Bären weiter und wir haben nun nach gut über 3 Stunden in denen wir entgegen unserer Pläne keine 5 Meilen weit gekommen sind, genug gesehen und wollen endlich weiter, um noch mehr von Haines und Umgebung zu erleben.
Im Pläne umschmeißen haben wir eine gewisse Übung – also halten wir eben jetzt zwangsläufig den Haines-Aufenthalt etwas kürzer – der Chilkoot River-Ausflug hat sich jedenfalls mehr als gelohnt.

Haines, die Kleinstadt am Ende der Chilkat Halbinsel ist sicher kein Must-See – ein kleiner Spaziergang durch den Ort ist trotzdem durchaus nett.
1881 entstand Haines als Missionsstation und das hier ansässige Fort William H. Seward war bis zu seiner Schließung 1946 Alaskas erster und einziger Militärposten.
Heute hat Haines etwas über 1800 Einwohner – in Alaska also schon eine Kleinstadt. Direkt von den USA ist Haines wie Skagway nur vom Wasser aus zu erreichen. Per Straße muss man wie beim Nachbarn Skagway durch ein Stück Kanada – vor allem durch den Yukon fahren.
Wir sehen uns im Visitor Center um, reservieren von hier telefonisch eine Cabin für die Nacht in Haines Junction und trinken Kaffee. Vielleicht lässt ja in der Zwischenzeit der hier häufig vorkommende Küstenregen etwas nach.

Eines der Highlights des Ortes sind sicher die Totempfähle und die Indianerkultur die man am besten am Fort William H. Seward bewundern kann wo es auch noch ein Langhaus der Tlingit-Indianer zu bewundern gibt.

Schuß und ...

... Gegenschuß.

Wir fahren auf einer Piste 5 Meilen durch regenwaldartige Landschaft zum Chilkat State Park. Die Piste ist teilweise etwas bumpy – aber problemlos zu bewältigen.
Am Ende parken wir an einem Parkplatz vor einer Hütte der State Park Verwaltung. Von der Veranda der Hütte hat man einen fantastischen Blick auf den Fjord, die Berge, gelegentlich Wale und andere Meerestiere – aber nicht heute. Heute ist alles verhangen und wir können nur erahnen wie schön der Ausblick bei tollem Wetter hier sein kann. Der Hüttenwart gesellt sich zu uns.
Viele Leute waren heute wohl noch nicht bei ihm und er nimmt sich Zeit für ein Schwätzchen mit uns. Ein Volunteer – ein Freiwilliger – wohnhaft in Phoenix, Arizona der hier mit Frau und Hund die 3000 Meilen mit seinem Auto hochgefahren ist um für den Staat Alaska den Sommer über in dieser Hütte zu wohnen, die WCs am Campingplatz zu putzen und Besucher wie uns willkommen zu heißen. Der Mann hat unseren aufrichtigen Respekt.
Den Humor, den man für so eine Tätigkeit braucht hat er offensichtlich auch. Bei seinem Einstellungsgespräch wurde er gefragt, ob es ein Problem wäre hier die Klos sauber zu machen worauf er antwortete, daß seine Frau das absolut super könnte.......
Wir tragen uns noch in sein Besucherbuch ein und verabschieden uns.
In Haines kaufen wir im Supermarkt noch etwas für das Abendessen ein und fahren dann den Haines Highway Richtung Norden aus der Stadt.

Nur wenige Meilen nördlich der Stadtgrenze im Chilkat River Valley, findet jährlich im November bis Anfang Dezember eines der größten Naturspektakel unserer Erde statt.
Um die 3500 Weißkopfseeadler finden sich dann bei der letzten großen Lachswanderung der Saison in diesem Tal ein.
Wir halten an einigen Aussichtspunkten und Schautafeln. Besondere Adlersichtungen haben wir leider keine. Wenn mal einer etliche Meter entfernt im Fluß sitzt fliegt er davon, sobald wir mit dem Auto oberhalb auf der Straße anhalten und unsere Kameras zücken.

Dafür ist auf unseren Bärenmagneten heute Verlaß. Direkt vor uns läuft ein Bär auf die Straße.

Wir halten einfach mitten auf dem Highway und fotografieren den schon gut im Futter stehenden Braunbären.
Erst als ein Pick-Up Truck ohne auf den Bären zu achten überholt, rennt unser Lieblings-Fotoobjekt in die Büsche und ist verschwunden (für die Einheimischen sind Bären wohl ungefähr so spannend wie für uns Kühe).

Endlich können wir auch noch einen Bald Eagle im Baum nahe der Straße erspähen und der hat auch mehr Geduld mit uns und unseren Kameras als seine Kollegen zuvor.
Die Entscheidung unsere Route bis nach Skagway und Haines zu führen hat sich mehr als gelohnt !

Wir erreichen die Grenze nach Kanada. Wie hier oben üblich, eine schnelle und problemlose Einreise. Zunächst durchqueren wir für einige Kilometer wieder die Provinz British Columbia, dann sind wir schließlich wieder im Yukon Territorium.
Wir stellen die Uhren wieder eine Stunde vor und freuen uns über das immer besser werdende Wetter – je weiter wir uns von der regenreichen Küste entfernen.

Die Nebel und Wolkenfelder beginnen sich aufzulösen.

Schön zu sehen - je höher desto mehr Herbstfärbung.
Nicht nur das Wetter wird freundlicher – auch die Landschaft wird farblich hochspektakulär.
War unten im Bereich der Küste noch gar kein gefärbtes Blatt an einem Baum auszumachen erleben wir einige Meilen weiter wieder einen regelrechten Farbrausch. Wir können uns nicht beschweren, daß diese Reise keine Abwechslung bieten würde.

Natürlich halten wir immer wieder für Aufnahmen an und bewundern die leuchtenden Wälder und Gebirgsketten.

Alaska zu einer anderen Jahreszeit als im Herbst – uns würden diese tollen Farben fehlen.

Ein kleiner Abstecher vom Highway führt zu den Million Dollar Falls.
Auf einer großen Holztreppe geht ein kurzer Weg hinab in die Schlucht zu den landschaftlich wunderschön gelegenen Wasserfällen.

Weiter folgen wir dem alternativlosen Haines Highway nach Norden und erreichen den Kluane Nationalpark, nicht nur UNESCO Welterbe sondern mit dem Mt.Logan auch Heimat des mit 5959m höchsten Berg Kanadas.
Wir fahren eine kleine Straße vom Highway zum Kathleen Lake wo uns allerdings der Wind fast aus den Schuhen pfeift.
Weiter geht die Fahrt nach Haines Junction – nun immer mit dem Anblick der mächtigen Gebirgskette der Kluane Mountains die den Highway begleiten.

Gegen 20 Uhr haben wir nach kurzer Suche auch unsere Cabin im eigentlich überschaubaren Örtchen Haines Junction erreicht – das einzige zivilisatorische Lebenszeichen weit und breit.
Die Hütte ist funktional aber gemütlich, mit Holzofen ausgestattet und gefällt uns sehr gut.

Kurze Zeit später brutzeln und kochen unsere Töpfe auf dem Gasherd – heute gibt es mexikanisch gewürztes Hackfleisch mit Pfannenreis und großem Gurkensalat.
Was soll man anderes schreiben – ein toller Tag – obwohl es über viele Stunden mit das schlechteste Wetter der Reise gab – so kann's gehen …...
Übernachtung: Paddlewheel Cabins, Haines Junction
Preis: 75 $ / 79 $ (mit Steuer)
Kommentar: schöne Cabin – nicht luxuriös wie in Homer aber sehr gemütlich – alles da was man braucht – Klo/Bad allerdings 15m zu Fuß im Hauptgebäude – aber da keine anderen Gäste – für uns kein Problem
Bild des Tages:

Bär in Haines am Chilkoot River