Mittwoch, 13. Juni 2018Für heute war kein so gutes Wetter angesagt. Hiker fragte mich, ob ich wirklich den Glenfinnan Viaduct Trail laufen möchte. Ja, das will ich. Dafür hatte ich zwei Argumente: Wir sind in Schottland und ich hatte von Anfang an mit schlechtem Wetter gerechnet und war entsprechend vorbereitet. Außerdem war für den Rest der Woche noch schlechteres Wetter angesagt, also ist es besser heute zu gehen. Mir war es egal, es könne mich auch irgendwer fahren, ich würde auch alleine gehen.
Scheinbar hatte Hiker das überzeugt, er wollte auch mit. Bei Heiko stellte ich heute Morgen fest, dass er richtig schlecht gelaunt ist. Er riss sich zwar zusammen, aber man merkte es. Vor dem Urlaub war er schon richtig angespannt, gestresst und erschöpft gewesen und es stellte sich bei ihm in keinster Weise eine Erholung ein. Es nervte ihn offenbar zusätzlich, dass er so gar nicht abschalten konnte. Hiker und ich versprachen ihm, dass wir heute Abend ins Pub gehen würden. Am gestrigen Tag waren wir alle zu ausgepowert gewesen und haben es verschoben. Und auf einen Pubbesuch freute sich Heiko schon lange.
Nachdem das also alles geklärt war, fuhren wir los und wieder die altbekannte Strecke Richtung Fort William, durchfuhren es und schlugen den Weg Richtung Mallaig ein. An dieser „Road to the Isles“ liegen auch das Glenfinnan Monument und in etwas Entfernung das Viadukt, das so berühmt wurde, weil Harry Potter im Film in einem Auto daran entlang flog, während der Hogwartsexpress darauf fuhr. Und tatsächlich fährt darauf ein Zug mit Dampflok, der Jacobite Steam Train.
Der Parkplatz am Visitor Center war recht voll, aber Heiko wollte uns sowieso nur rauswerfen. Dieses Mal vereinbarten wir einen Zeitpunkt, wann er uns abholen sollte. Der war so gewählt, dass wir wieder viel Zeit haben würden. Man weiß ja nie, wieviel es zu sehen gibt und wie langsam ich bin.
Zunächst müssen wir weiter an der Hauptstraße Richtung Westen, bis wir an einem anderen Parkplatz, der auch gut gefüllt ist, abbiegen.
Auf einer asphaltierten Straße geht es nun auf das Viadukt zu. Sehen können wir es schon bald und schnell sind wir da.
Ein paar Leute sind hier, ja, aber überfüllt ist es hier gewiss nicht. Aber der Zug ist ja auch schon durch und deswegen interessieren sich die Leute vielleicht auch nicht so sehr. Zudem es stetig regnet.
Wir halten uns auch nicht lange auf, denn beim Stehenbleiben kommen Midges. Bei Regen? Ich dachte, da würden die sich verkriechen! Nö, die nerven ordentlich und auch als wir weiter gehen, verfolgen sie uns. Es hilft nichts. Wir müssen die Netze überziehen. Bis auf meine Hände bin jetzt voll verhüllt.
Da mir aber schnell warm wird beim Anstieg, beschlägt zu allem Überfluss meine Brille. Das sollte sie eigentlich nicht, aber der Nachschub an Wärme von meinem Körper ist zu stark gegenüber der wenigen Entlüftung, die ich nun habe. Wie soll ich nun auf den Weg achten? Ohne Brille kann ich nicht lange sein, dann bekomme ich Kopfschmerzen und werde müde. Mit Brille ist es aber auch nicht besser. So gehe ich immer ein paar Schritte fast blind und schaue dann nach dem Weg. Das macht das ganze natürlich extrem langsam. Aber wir hatten ja genug Zeit eingeplant.
Die Ausblicke von hier oben sind fantastisch, wenn man denn keine beschlagene Brille und ein Netz vor dem Gesicht hat. Aber ich jammere ja gar nicht, ich war zufrieden. Aber es ist eben noch „Luft nach oben“.
Der Weg verengt sich. Bei Trockenheit ist da auch kein Problem, aber bei dem jetzigen Wetter sind die Hosen schnell bis oben hin nass. Zum Glück hält mich meine Jacke obenhin trocken. Aber lange stehenbleiben kann ich nun nicht mehr, denn dann fange ich an zu frieren.
Nun geht es aber auch schon wieder bergab. Und ich höre ein Geräusch. Das klingt wie ein Dampfzug. Wieso? Fährt der zweimal? Naja klar, irgendwann muss der auch wieder zurück! Dass diese Erkenntnis nur die halbe Wahrheit ist, stelle ich wenige Minuten später fest. Wir kommen zu Bahnhof in Glenfinnan. Hier sieht die Route vor, dass wir die Bahnlinie kreuzen. Und im Bahnhof steht er tatsächlich, der Jacobite Steam Train.
Wir werden von der Schaffnerin gefragt, ob wir mitfahren wollen. Aber wir haben ja kein Ticket und sind zum Wandern hier. Sie meint noch, dass wir uns ja einen tollen Tag zum Wandern ausgesucht haben. Und dass wir noch etwas hier warten müssten, weil der Zug in die Gegenrichtung gleich einfahren würde. Wie? Noch einer? Das ist ja unglaublich! Was für ein Glück, dass wir den Zug so nahe kommen ohne das auch nur im Entferntesten geplant zu haben! Hiker und ich waren total aus dem Häuschen. Damit weiß ich nun, dass mindestens 2 Züge auf der Strecke unterwegs sind.
Der andere Zug kam auch bald und der erste fuhr kurze Zeit später ab. Trotzdem konnten Hiker und ich noch nicht weiter, denn der Zug versperrte den Gleisübergang. So langsam fing ich an zu frieren. Und ich hoffte, dass der Zug bald abfährt. Es dauerte aber noch eine Weile und wir konnten die Arbeiter Kohle schippen hören. Der Zug dampfte ordentlich. Und dann endlich setzte er sich in Bewegung.
Ein tolles Erlebnis, aber jetzt war ich auch echt froh, dass wir uns ebenfalls in Bewegung setzen konnten. Weiter geht es durch ein kleines Wohngebiet und schon bald erreichen wir wieder das Visitorcenter am Glenfinnan Monument. Wir waren mehr als pünktlich dort und ich war froh, mich drinnen etwas aufwärmen zu können. Noch gut eine Woche vor dem Urlaub hatte ich eine Erkältung und ich befürchtete nun, dass sie wieder zurückkommen würde.
Im Visitorcenter wurde natürlich Merchandising betrieben. Die meisten Dinge hatten allerdings einen Bezug zu Harry Potter, was mir nicht so gut gefiel. Und es war sehr voll hier. Hätte ich hier nicht Schutz und Wärme gefunden, wäre ich sofort wieder raus gegangen. Zum Monument wollte ich nun auch nicht mehr gehen, denn das hätte extra Eintritt gekostet und es regnete immer noch. Das war mir das Denkmal (das den Beginn des Jacobiten-Aufstands markiert) nicht wert.
Bald kam auch schon Heiko und es ging zurück zur Wohnung. Ich war ordentlich durchgefroren, Hiker sicherlich auch.
Abends machten wir uns dann auf den Weg nach Glencoe. Wir wollten ins Clachaig Inn, was im Internet von vielen Leuten empfohlen wurde. Wir freuten uns schon sehr darauf. Wir fuhren durch das wunderschöne Tal und ich war ein klein wenig wehmütig, dass wir nur noch wenige Tage hier waren. Nach kleiner Irrfahrt fanden wir das Clachaig Inn und suchten dann ein wenig den Eingang, denn hier ist auch ein Hotel und einchecken wollten wir nicht. Letztlich fanden wir hinein und es war jeder Tisch besetzt. Es wurde aber einer frei und wir setzten uns. Hm, irgendwie nicht ganz das, was wir uns vorgestellt hatten. Es standen an mehreren Tischen Sektkübel auf dem Tisch oder auch Wein. So stellten wir uns einen Pub nicht vor. Wir wollten bestellen, aber das muss man hier an dem Tresen tun. Ach so, okay! Wir haben eine Weile gebraucht, bis wir das kapiert hatten.
Hiker bestellte für sich und ich für mich und Heiko. Blöderweise gab es kein Fish and Chips mehr. Jetzt war Heiko endgültig genervt. Er aß nur Pommes.
Mein Vorspeisen-Haggis war natürlich vegetarisch.
Wir aßen auf und hielten uns nicht mehr lange auf. Wir fuhren nach Hause. Zumindest Hiker und ich froren, aber wir bekamen die Heizung nicht zum Laufen. Egal. Wir haben ja Kuscheldecken dabei. Heiko machte sich irgendwas zu essen. Ich weiß nicht, ob die Männer Fußball oder einen Spielfilm sahen. Ich chattete mal wieder und hatte eine gute Nachricht für Hiker: Ursula und Jürgen haben für ihn einen Batch bekommen und bringen ihn am Freitag vorbei. Für die beiden geht es dann nach Hause und für einen Zwischenstopp bei uns ist auf jeden Fall Zeit. Das heiterte die allgemein angeschlagene Stimmung doch noch auf.