7.Tag, Sonntag 31.10.2010 Auch mal schön (wenn auch inzwischen ungewohnt) den Luxus einer richtigen Übernachtung mit Frühstück zu genießen.
So freuen wir uns heute morgen natürlich besonders darauf mal nicht nur wie die letzten Tage entweder gar nichts oder einen schnellen Kaffee im Dunkeln zu bekommen – sondern ein Frühstücksbuffet mit allem drum und dran – und das natürlich mal ohne Stirnlampe!
Diese Reise steckte aber bisher schon immer wieder voller Überraschungen und so ist es auch heute. Als wir den Frühstückssaal betreten sind zwar schon andere Gäste da – aber es ist stockdunkel.
Stromausfall !
Das Personal ist aber äußerst bemüht. Kerzen werden aufgestellt und dank Gasherd in der Küche gibt es Aufbrühkaffee und das Buffet füllt sich auch zusehends nicht nur mit Kerzen. So müssen wir auch nicht um unser leibliches Wohl fürchten und „der erste Kaffee im Dunkeln“ ..... scheint ein Motto der Reise zu werden.
Gegen 7.30 Uhr haben wir das Zimmer geräumt und sind unterwegs in die Stadt.
Heute ist es absolut windstill. Ein für Lüderitz ungewöhnlicher Umstand den wir nutzen.
Es macht richtig Spaß hier bei solch angenehmen Bedingungen zu filmen und zu fotografieren.
Die Sonnenstrahlen wärmen die von der Nacht noch kühle Luft und wir sehen uns u.a. bei der alten Lese- und Turnhalle um.
Die heiligen Hallen des Deutschen Männerturnvereins - 1997 während meiner ersten Namibia Reise wurde ich hier Mitglied - anders gab es kein Bier in der Kneipe im ersten Stock.
Nach einer Stunde brechen wir ab – die Führung in Kolmannskuppe wollen wir natürlich nicht verpassen.
Nur wenige Kilometer außerhalb der Stadt liegt die heutige Geisterstadt Kolmannskuppe.
Schon von der B4 ist man beim Blick auf die halb vom Sand verschluckten Häuser fasziniert.
Diese Faszination steigert sich noch wenn man die „Stadt im Wüstensand“ betritt.
Wir haben noch etwa eine Stunde Zeit bevor die Führung um 10 Uhr beginnt und stöbern durch die alten Gebäude die alle zugänglich sind.
Einige hat man wieder hergerichtet und möbliert.
Unglaublich, unfassbar was die Deutschen hier damals aus dem Sand gestampft haben. Es gab sogar elektrischen Strom, Telefon, eine Eismaschine und und und .....
Besonders beeindruckt uns ein Gästebuch das im ehemaligen Laden ausliegt. Hier sind von Besuchern der Geisterstadt teilweise ergreifende Geschichten zu lesen. Menschen, die hier geboren wurden und deren Eltern dann nach Deutschland ausgewandert sind, die hier Verwandte hatten und dann irgendwann zum ersten Mal hier waren. Sogar eine Verwandte von August Stauch der hier damals alles ins Rollen brachte, hat sich in dem Buch verewigt.
Ein Gänsehauterlebnis diese Geschichten zu lesen.
Der allgegenwärtige Sand ist dabei alles zu verschlucken und doch ist die irgendwie bizarre Geschichte dieses Landstrichs fast noch greifbar, viele Relikte und Gegenstände der damaligen Zeit noch zu sehen.
Um wenigstens ein bisschen zu verstehen was damals hier los war –
die Geschichte von Kolmannskuppe:Anfang 1908 wurde die Bahnlinie Keetmanshoop-Lüderitz eröffnet, die fast im gesamten Verlauf der bis dahin existierenden Ochsenkarrenstrecke folgte. Von der Küste her kommend, führen die ersten 120 Kilometer dieser Strecke durch die weiten Sandflächen der südlichen Namibwüste. Auf diesem Teilstück der Bahnline gab es ca. alle 20 Kilometer einen Bahnmeisterposten, der dafür sorgen mußte, daß die Schienen nicht versandeten. Am Bahnposten Grasplatz (benannt nach dem sich hier befindlichen Heudepot aus der Ochsenkarrenzeit) verrichten August Stauch und seine einheimischen Streckenarbeiter ihren Dienst. Da Stauch ein begeisterter Hobbymineralologe war, wies er seine Untergebenen an, bei ihrer Arbeit auf ungewöhnliche Steine zu achten. Im Mai des Jahres 1908 wurde hierbei der erste Diamant entdeckt. In dem damit ausbrechenden Diamantenboom entstand dann auch die Stadt Kolmannskuppe. Ihren Namen erhielt sie übrigens von dem Nama Coleman, der 1905 auf dem späteren Stadtgebiet mit seinem Ochsenkarren in einer Sanddüne stecken blieb und verdurstete.
Die zunächst nur als Diamantsucher-Camp gedachte Siedlung an der Nordgrenze des Diamantensperrgebiets wuchs schnell. Der auf Diamanten gründende Reichtum der Bewohner ließ einen Ort entstehen, in dem aller Luxus vorhanden war, der damals für Geld zu bekommen war - und das in einer Umgebung, die nicht trostloser und lebensfeindlicher sein konnte. Es gab kein Wasser, keinen Regen, keine Erde, in der auch nur das Geringste hätte wachsen können, keinerlei Infrastruktur – nur Sand, regelmäßig heftige Sandstürme und eine unbarmherzige Hitze.
Trotz der lebensfeindlichen Umgebung lebten hier bis zu 1000 Menschen und es entstanden hochherrschaftliche Steinhäuser nach deutschem Vorbild. Neben Unterkünften für die Arbeiter (getrennt nach Verheirateten und Junggesellen) gab es Verwaltungs- und Dienstgebäude. Zur Infrastruktur gehörte ein Elektrizitätswerk, ein Krankenhaus (mit der ersten Röntgenstation Afrikas, bzw. auf der ganzen Südhalbkugel), eine Eisfabrik zur Herstellung von Blockeis für die Eisschränke der Bewohner, einen Laden, eine Metzgerei, ein Ballsaal genanntes Gebäude mit Theater, Turnhalle und Großküche, eine Kegelbahn (!) und eine Schule. Sogar ein Salzwasser-Schwimmbad und eine Schmalspurbahn für den Transport von Waren und Personen innerhalb des Ortes waren hier zu finden. Das Wasser dafür und alles, was sonst noch zum täglichen Leben nötig war, musste aus dem rund 1000 km entfernten Kapstadt herantransportiert werden. Das Baumaterial für die Häuser, deren Einrichtungen, die Maschinen und alles, was man damals in Europa unter Luxus verstand, kam aus Deutschland.
Kolmannskuppe galt damals als die reichste Stadt Afrikas, was angesichts der geringen Einwohnerzahl wohl auch stimmen mag. Dennoch war Kolmannskuppe nur ein Paradies auf Zeit. Die naheliegenden Diamantenfelder waren bald abgebaut und so verlagerte sich die Diamantenförderung immer weiter nach Süden. 1930 wurde der Diamantenabbau bei Kolmannskuppe ganz eingestellt, die Bewohner verließen nach und nach den Ort und überließen ihn der Wüste. Die letzte Person lebte hier bis in die 1960er Jahre. Viele Wohnungseinrichtungen, Sportgeräte in Schulen u.ä. wurden erst gar nicht mitgenommen.
Die Wüste holte sich im Laufe der Jahrzehnte zurück, was der Mensch ihr abgerungen hatte. Die Häuser verfielen zusehends und in den Ruinen häufte sich der Sand meterhoch. Die Inneneinrichtung wurde teilweise zerstört oder mitgenommen. Kolmannskuppe war endgültig eine Geisterstadt. Erst als in den 1990er Jahren auch Lüderitz einen wirtschaftlichen Aufstieg erlebte, widmete man Kolmannskuppe wieder mehr Aufmerksamkeit. Man begann, einige erhaltenswerte Gebäude zu restaurieren, Räume wieder originalgetreu zu möblieren und nach und nach einen geordneten Museumsbetrieb ein.
Gegen 10 Uhr versammeln sich an die 30 Besucher im Gebäude mit der Turnhalle zusammen mit 2 Guides. Einer davon stellt sich als William vor und hält eine kleine Ansprache. Er endet mit den Worten „alle, die die Führung in Deutsch mitmachen wollen gehen mit mir“, worauf bis auf 3 Personen alle mitgehen.
William betont besonders, dass wir heute großes Glück mit dem Wetter hätten. An 250 Tagen im Jahr wäre hier „der Wind“.
Was das Wort „Wind“ in Lüderitz und Umgebung bedeutet, durften wir ja gestern eindrucksvoll erleben.
William zeigt uns vor allem die wieder mit Geräten, Möbeln und Einrichtung versehenen Gebäude, erklärt und erzählt Geschichte und Geschichten – wir schmunzeln über seinen jeweils abschließenden Satz „gehen wir noch ein bisschen weiter...“
Highlight und Novum zugleich in Kolmannskuppe - eine Kegelbahn (voll funktionstüchtig) in der Wüste.
Nach der mehr als lohnenden Tour die etwa eine Stunde dauert kann man als Besucher solange man möchte in allen Gebäude nach Herzenslust herumstöbern (Sandförmchen nicht vergessen).
Für das eigene Herumgeistern in den alten verlassenen Gebäuden sollte man sich auf jeden Fall noch etwas Zeit nehmen – es lohnt sich - die alte Geisterstadt bietet Motive ohne Ende ...
Bei uns kamen dadurch nach der Führung noch mal schnell 2 Stunden obendrauf die wir nicht bereut haben.
Fazit: Kolmannskuppe – 10 von 10 Punkten und überhaupt die Fahrt nach Lüderitz hat sich gelohnt – die alte deutsche Stadt und ihre Umgebung hat uns sehr gut gefallen.
Inzwischen erfahren wir auch, dass ganz Lüderitz durch den Orkan von gestern nach wie vor ohne Strom ist – also kein Geldautomat funktioniert, es an keiner Tankstelle Benzin gibt usw......
Da hätten wir ein dickes Problem bekommen, wenn wir gestern den Tank nicht gefüllt hätten. Wir müssten glatt hier hängen bleiben bis die Stadt wieder Strom hat......
So fahren wir weiter, auf der B4 zurück nach Aus. Hier tanken wir und ziehen mal wieder Geld im ATM des Shops. Dieses ständige Bargeldziehen ist etwas nervig – aber viele Farmen, Tankstellen und auch Parks nehmen einfach nur Cash und ständig mit (umgerechnet) 2000 € in Bar will man halt auch nicht durch Afrika laufen.
Im urigen Shop der von Keilriemen bis Briefmarken alles bietet machen wir auch noch einen kleinen Umsatz. Leider ist nicht nur der Shop urig sondern (wie sich herausstellen sollte) auch seine Lebensmittel.
Ich kaufe etwas in Blätterteig was ich besser hätte sein lassen sollen. Vielleicht stammte es ja noch aus den besseren Tagen von Kolmannskuppe – aber gerade ich hätte ahnen können – das „AUS“ kein gutes Omen für mich ist.
Aus war vor 13 Jahren beim Erstbesuch Namibias (wie heute) die letzte Station vor der Fahrt in die Namib. 3 Stunden später hatte ich einen Fast-Zusammenstoß mit einer Antilope – die es im Gegensatz zum Auto unbeschadet überstand. Ob das sich mehrfach überschlagende Auto von damals heute immer noch in der Namib vor sich hinrostet ?Da wir heute die Route durch die Tirasberge wählen werden wir es nicht erfahren.
Wie so oft liegen auch heute noch ein paar Kilometer vor uns.
Inzwischen 60 km von der B4 entfernt, biegen wir von der C13 auf die D707 ab.
Eine schöne Landschaft mit Bergen, orangen Dünen und gelben Grasflächen.
Immer wieder sehen wir auch malerisch einige Oryx-Antilopen am Horizont stehen.
Nach 70 km auf der D707 erreichen wir ein Gate ...
... das die Zufahrt zur Koiimasis Farm ankündigt.
Selten kann ich mich an eine Strecke mit so vielen zu öffnenden Gattern erinnern. Es müssen mindestens 7 oder 8 sein – jedes mit einer anderen Verschlussmechanik – so bleibt es immer spannend wie man das nächste Tor aufbekommt.
Landschaft der Tirasberge
Gegen 17 Uhr haben wir das Gebäude der Farm Koiimasis erreicht und werden von der deutschstämmigen Besitzerin begrüßt und mit den Gegebenheiten der Farm vertraut gemacht. Wir kaufen auch gleich 2 Straußensteaks für das abendliche Grillen und sehen uns auf der Campsite und der Farm um.
Eine tolle Landschaft mit großen Felskugeln, einer großen Straußenzucht, ....
... und dem schönsten Campingplatz den wir bisher gesehen haben, die Dusch- und Klohäuschen sind nicht nur sauber und modern sondern halb in den Fels gebaut – stark !
Auch unsere Campsite in den Felsen ist Top. Steintisch, Steinhocker, perfekte Grill- und Feuerstelle – ein kleiner Holzzaun als Windschutz – wunderbar.
Einziges Manko ist der fehlende Strom – den wir aber morgen in Sesriem (hoffentlich) wieder haben – so lange halten die Akkus diesmal noch und auch der Kühlschrank hält die Temperatur über Nacht auch ohne Strom relativ gut.
Wir gehen zum Abendlicht noch einige Minuten in die Felsen und kehren dann um. Ausnahmsweise soll der Dachzeltaufbau und die ersten abendlichen Verrichtungen einmal nicht im Dunkeln stattfinden. Zur Zeit wird es etwa gegen 19 Uhr dunkel und in Afrika ist diese Übergangszeit äußerst kurz. Ohne (Stirn-)Lampen ist das Unterfangen Campen in Afrika jedenfalls aussichtslos.
Heute kommt auch unser neues Leiterunterteil zum ersten Einsatz und bewährt sich gut. Gegen 20 Uhr gibt es Strauß mit Folienkartoffeln, dazu Knoblauchbrot und einen Tomaten-Zwiebeln-Feta-Salat. Der Feta ist in Nambia übrigens besonders lecker - besser als bei uns !
Wir tragen immer große Sorge, dass bezüglich unseres Biervorrats keine „Notsituation“ eintritt und so runden Swakopmund oder Windhuk Lager auch heute Essen und abendliche Rückschau auf den Tag ab und auch der Gin ist schon bedenklich wenig geworden ist. Ob nachts immer Schakale davon süffeln .....?
Wir sitzen noch einige Zeit und genießen die Sterne über uns, die letzten züngelnden Flammen des Feuers ..... morgen soll es in Namibias großen Sandkasten Sossusvlei gehen ..... worauf wir uns besonders freuen.
Übernachtung: Camp Site in Koiimasis, Tirasberge
Preis: 250 N$ (= 25 €)
Bewertung: 10 von 10
Kommentar: super !
Bild des Tages:Die Wanne ist voll - viel Spaß im Wüstensand in Lüderitz