Autor Thema: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe  (Gelesen 116355 mal)

Birgit

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #30 am: 03. November 2013, 17:29:12 »
Zum Glück darf es virtuell ein bisschen schneller gehen, sodass ich dafür bin, dass wir heute noch wenigstens in Delhi landen, also verkürze ich die Anreise mal ein wenig für euch:


Samstag, 12.10.2013:

Um 6 Uhr stehe ich am Bahnhof, viel zu früh, denn der Zug geht erst um 6.21 Uhr. Viel zu früh? Beim Fahrkartenkauf habe ich es noch für einen Fehler im System gehalten. Den Zug um 6.21 Uhr gibt es nicht. Am Gleis angekommen, schwant mir Schreckliches. Schienenersatzverkehr um 6.07 Uhr. Nun aber schnell raus, da steht der Bus, also wieder mal ein Zufall mit gutem Ausgang. Die Schienenersatzverkehrbegleiterin auf meine Frage, wie ich denn nun zum Flughafen komme, antwortet und fügt ein wenig patzig hinzu, so sei das nun mal mit Schienenersatzverkehr. Aber kann man so etwas nicht von Beginn an klar und deutlich ausschildern, die Fahrplanänderung in den Fahrplan aufnehmen und den unwissenden Normalerweisenichtbahnkunden freundlich antworten?

Am Flughafen Treffen mit Tanja und opulentes Frühstück bei Käfer, anschließend ein dekadentes Glas Prosecco um 12 Uhr. Na ja, man soll sich ja früh auf die Zeitumstellung vorbereiten und in Delhi ist es schon 15.30 Uhr.

Das Boarding beginnt pünktlich, der Flieger hebt pünktlich ab und soll sogar schon 15 Minuten vor der offiziellen Ankunftszeit in Delhi landen. Und so ein Glück. Sind bei LH plötzlich auch für Otto-Normal-Kunden ohne Kinder Plätze vor der Wand buchbar? Sollte eigentlich eine andere Maschine fliegen und diese ist es geworden oder habe ich meine geschickte Sitzreservierung schon vergessen? Jedenfalls habe ich einen Platz, bei dem man manchmal die Füße etwas hochlegen kann und ohne Vordermann, der mir seine Haare auf das Tablett schütteln kann.

Neben mir auf der anderen Seite des Ganges (also des Ganges im Flugzeug, nicht des Flusses, das muss ich in diesem Reisebericht sicher noch öfter klarstellen) übrigens ein Inder mit einem Stoffarmband mit Hakenkreuzen um das Handgelenk. Ich schätze aber, dass mir umgekehrt ähnliche Faux pas in den nächsten drei Wochen auch passieren werden. Ich lehne mich entspannt zurück und warte auf das indische Essen, das gerade angekündigt wurde.

Auf dem Flug gibt es nur indisches oder zumindest indisch anmutendes Essen, außerdem zwei indische Stewardessen. Ich glaube, kein Bewohner des Subkontinents sollte sich beschweren können. Ich bekomme die ersten Saris zu sehen und in meiner Nähe sitzt auch ein Mann, der an meinen Mathelehrer aus der Oberstufe erinnert, allerdings in einem Hare Krishna Gewand, sodass ich vermute, sein Ziel ist ein Ashram.

So schnell wie in Indien bin ich in so manchem USA-Urlaub noch nicht eingereist trotz ähnlicher Fragen auf einem Einreiseformular, die ich alle irgendwie schon im Visumsantrag beantwortet habe. Und entgegen aller Unkereien wird mir auch weder mein Koffer entrissen, noch ein Taxi aufgenötigt.

Und all meine Sorge fällt von mir ab, als ich den Fahrer mit dem Schild begrüßen kann, das sich schon rein farblich abhebt von denen, die die anderen haben. Ein Beispiel, wie es auszusehen hat, habe ich zuvor per Mail bekommen, außerdem den Namen des Fahrers und seine Telefonnummer. Noch schnell den Chef Ashok anrufen, der mich herzlich in Indien willkommen heißt und ab geht es mit Anil in die Stadt.

Die Frontscheibe des Autos ist gesprungen. Da hat ein Affe einen Stein drauf fallen lassen. Ich zeige ihm meine Uhr. Heute morgen habe ich gemerkt, dass das Glas ebenfalls gesprungen ist, war aber kein Affe, sondern höchstwahrscheinlich ich selbst. Ich entscheide mich neben Anil statt hinten sitzen zu wollen. Als es losgeht, schlängelt Anil das Auto beherzt, aber sicher durch die Straßen.

Und nein, man wird nicht an allen Ecken und Enden belagert, der Flughafen ist hochmodern und bietet zum Glück einen ATM, der allerdings nur maximal 10.000 Rupies ausspucken will (etwa 120 Euro). Die Straßen sind nachts frei und Anil ist nicht nur ein sympathischer Mensch, er spricht auch ausreichend Englisch, hat Humor und ist äußerst fürsorglich. Na ja, der Blumen zur Begrüßung hätte es allerdings nicht bedurft, zumal die äußerst unpraktisch sind auf Reisen. Ich freue mich aber selbstverständlich angemessen.

Nun ist es hier schon etwa 2 Uhr nachts und so fühle ich mich auch, als ich im ordentlichen Mittelklasse-Hotel City Star einchecke, das in der Nähe des Bahnhofs im Stadtviertel Pahar Ganj liegt. Es dauert noch eine Weile bis ich schlafen kann, schließlich war der Tag aufregend. Aber nach einer Dusche und noch einem halben Liter Wasser lege ich mich nach einer "ich bin gut angekommen"-Mail an die Lieben daheim ins Bett mit dem guten Gefühl einen Fahrer an meiner Seite zu haben, bei dem ich mich sicher und gut aufgehoben fühlen kann und der mir ermöglichen wird, mich im Urlaub entspannt und unkompliziert auf das Land einlassen und konzentrieren zu können.

Horst

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #31 am: 03. November 2013, 18:02:20 »
Interessanter Auftakt.  :)
Statt dem Wasser habe ich mit Anil noch schnell ein Bier getrunken.
Bin gespannt wie's weitergeht.  :D
Ich bin mit dem, was Du sagst, nicht einverstanden, aber ich werde bis zum Tod Dein Recht verteidigen, es zu sagen. Voltaire.

Birgit

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #32 am: 03. November 2013, 18:25:16 »
Oh, über das Bier hat er sich sicher gefreut. Es sei euch beiden gegönnt! :)

Michael

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #33 am: 03. November 2013, 18:40:01 »
Birgit, du legst aber ein Tempo vor! Eben noch in Erfurt zugestiegen und jetzt schon in Delhi angekommen - sagenhaft!
Wenn das, wie hier zu lesen ist, gut anfängt, dann ist das doch schon mal die halbe Miete, oder?
Bin gespannt, wie es morgen früh ist. Der erste morgen in einem fremden Land ist doch immer was ganz besonderes.

Grüße aus der Pfalz,
Michael
...nach der Reise ist vor der Reise...

Gerd

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #34 am: 03. November 2013, 20:40:55 »
Hi Birgit,

ich bin auch mit dabei :D Bin gespannt ob Du meine Vorurteile zu Indien als Reiseziel zerstreuen kannst. Alleine, statt autark selbst mit einem Mietwagen unterwegs zu sein, auf einen Fahrer angewiesen zu sein, schreckt mich ziemlich ab.

VG Gerd

Birgit

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #35 am: 03. November 2013, 21:28:40 »
Hi Gerd,

ich bin grundsätzlich ganz genau so gestrickt wie du. Alleine das Gefühl, dass man anhalten kann, wo man will, auch wenn man es dann nicht einmal nicht tut, ist eine Menge wert.

Klar ist man auf den Fahrer angewiesen und darauf, dass er "pariert". Und ich will nicht einmal sagen, dass es nicht auch in meinem Fall hier und da mal nötig gewesen wäre, sehr klare Ansagen zu machen, manchmal auch ein sehr klares Nein zu formulieren. Wie auch sonst soll der Fahrer wissen, was er machen und was er lassen soll.

Hat man sich da erst einmal aufeinander eingespielt, bringt es aber jede Menge Vorteile, wenn man den Fahrer an seiner Seite hat. Er kennt sein Revier im Schlaf, muss nicht suchen, kennt die Öffnungszeiten und weiß, wann es wo voll ist und wann man seine Ruhe hat. Du kannst dich voll auf das Land und deinen Urlaub konzentrieren und musst keine Energie dafür aufwenden zu suchen, Sprachbarrieren zu überwinden und herauszufinden, wo was wie funktioniert.

Er kennt die Tricks der Locals dich in ein Gespräch zu ziehen und sich als dein Führer zu verdingen, denn sonst sitzt du schwupps in einem Seidengeschäft und kommst nicht wieder raus. Davor kann er dich bewahren.

Letztlich kann er dein Sprachrohr sein, dir beispielsweise einiges am Wegesrand erklären, dir ohne Touristenaufschlag das Obst kaufen, von dem du nicht einmal beim Ansehen weißt, ob es roh gegessen werden kann oder ein Gemüse ist, das drei Stunden gekocht werden muss. Er kann dem Zuckerrohrsaftverkäufer begreiflich machen, dass er die Maschine und das Zuckerrohr sauber machen soll, bevor er dir Saft verkauft, ansonsten hätte ich den niemals gekauft und getrunken.

Und letztlich: Nein, nicht du bist auf den Fahrer angewiesen. Er ist auf dich angewiesen, darauf, dass du zufrieden bist, ihn weiter empfiehlst, dich im Internet positiv oder zumindest nicht negativ über ihn äußerst, dass du ihm ein ordentliches Trinkgeld gibst. Wenn du ihn also als Profi auf seinem Gebiet akzeptierst und ihm genau sagst, was du willst und was nicht, dann wird das insgesamt eine völlig andere Reiseart als ein Roadtrip in den USA, ist aber eine prima Sache!

Silke

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #36 am: 03. November 2013, 21:45:52 »
ist aber eine prima Sache!

Wir hatten bisher auch zwei mal einen Fahrer und ich stimme dir in allen Punkten zu. Nur für mich gibt es ein Problem: ich kann die Fahrer als Menschen nicht vergessen. Ich denke oft an sie, was aus ihnen geworden ist, wie sie leben, wie es (im letzten Fall) ihren Familien geht, die wir kennengelernt hatten. Und irgendwie belastet mich das manchmal. Zumal ich keine Chance habe, Kontakt zu ihnen zu halten, weil beide nicht per Mail erreichbar sind.

Birgit

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #37 am: 03. November 2013, 21:49:57 »
Zitat
ich kann die Fahrer als Menschen nicht vergessen. Ich denke oft an sie, was aus ihnen geworden ist, wie sie leben, wie es (im letzten Fall) ihren Familien geht, die wir kennengelernt hatten. Und irgendwie belastet mich das manchmal. Zumal ich keine Chance habe, Kontakt zu ihnen zu halten, weil beide nicht per Mail erreichbar sind.

Also, ich habe heute per Skype (Anruf zum Handy) "happy Diwali" gewünscht :) und SMS kann man doch auch per Skype verschicken, wenn auch nicht empfangen

Flicka

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #38 am: 03. November 2013, 22:07:01 »

Alleine, statt autark selbst mit einem Mietwagen unterwegs zu sein, auf einen Fahrer angewiesen zu sein, schreckt mich ziemlich ab.


Ich kann natürlich nur raten, was Gerd meint, aber vielleicht geht es ihm ähnlich wie mir:

Ich hätte keine Angst davor, mit einem netten kundigen verlässlichen Fahrer unterwegs zu sein. Aber ich würde mir vorab Sorgen machen, ob ich so einen netten kundigen verlässlichen Fahrer bekomme oder ob ich an ein Schlitzohr gerate, das mir aus Bequemlichkeit falsche Informationen gibt, mich zu Geschäftemachern drängt, wo es Provisionen gibt usw. Ich hatte z.B. in Kambodscha bei den täglichen Tuk-Tuk-Fahrten schon große Unterschiede bemerkt zwischen dem Fahrer, der über das Hotel gebucht war und dem, den ich nach einem Ausflug selbst engagiert habe.

Birgit, du hattest dir die Auswahl des Fahrers ja sicher nicht leicht gemacht, und offenbar hat es vor Ort ja sehr gut geklappt. Ich habe schon während deiner kurzen Meldungen aus Indien beschlossen, dich um Rat zu bitten, falls ich das Abenteuer Indien wieder in Angriff nehmen sollte.  :)

Und jetzt bin ich schon sehr gespannt auf die ersten Bilder aus Incredible India.  :)

Birgit

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #39 am: 03. November 2013, 22:17:30 »
Wäre es nicht gut gegangen und hätte es größere Schwierigkeiten gegeben, wäre ich sicher froh gewesen für solche Fälle eine Agentur im Hintergrund zu haben. Ashok´s Taxi Tours ist ja mittlerweile streng genommen eine solche Agentur.

Klar, hat man den einzelnen Rikscha- oder Tuk Tuk Fahrer, dann muss man sich mit dem auseinandersetzen. Hat man einen "Chef" im Hintergrund, vor dem der Fahrer verständlicherweise riesigen Respekt hat, hat man natürlich noch ein Ass im Ärmel, wenn so eine Horrorvorstellung sich bewahrheiten sollte. Der würde den Fahrer schon ordentlich rund erneuern und im Zweifelsfall einfach austauschen können. Daher würde ich in ähnlichen Fällen sicherlich bewusst darauf achten, dass ich kein Ein-Mann-Unternehmen engagiere.

Aber ich muss auch sagen, dass nach allem, was ich so von anderen Touris mit Fahrer gehört habe, alle rundum mit ihrem Fahrer zufrieden waren. Auch die Fahrer, die ich so mitbekommen habe, wirkten absolut umgänglich. Vielmehr hatte ich vereinzelt das Gefühl mich für die werte Kundschaft "fremdschämen" zu müssen.

Birgit

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #40 am: 03. November 2013, 22:32:39 »
Ach ja, habe ich vergessen.

Bevor es morgen richtig losgeht, hier noch der Plan:

Am Morgen nach der Landung Start zu folgender Reise mit insgesamt 14 Übernachtungen:

http://goo.gl/maps/CeKnV

Anschließend per Flug 3 Nächte Varanasi, dann per Flug zurück nach Delhi, dort noch 2 volle Tage vor dem Rückflug in der Nacht zum Samstag (2.11.)

Auf Mount Abu habe ich letztlich aber verzichtet und die beiden dann übrigen Nächte dann noch Ranakpur und Udaipur zugeschlagen.

Flicka

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #41 am: 03. November 2013, 22:45:07 »

Aber ich muss auch sagen, dass nach allem, was ich so von anderen Touris mit Fahrer gehört habe, alle rundum mit ihrem Fahrer zufrieden waren. Auch die Fahrer, die ich so mitbekommen habe, wirkten absolut umgänglich. Vielmehr hatte ich vereinzelt das Gefühl mich für die werte Kundschaft "fremdschämen" zu müssen.


Wahrscheinlich unterhalten sich gerade irgendwo ein paar Fahrer in Indien über ihre Kundschaft. So nach dem Motto: "Ach, ich überlege ja, ob es nicht besser ist, LKW zu fahren. Da ist man sein eigener Herr und nicht auf die Launen der Touristen angewiesen. Neulich hat mir mein Schwippschwager wieder Horrorstorys über seine Kunden erzählt. Jede Nacht wollten die bis um drei Uhr rumkutschiert werden und haben ständig das Auto zugemüllt...."  ;)

Birgit

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #42 am: 03. November 2013, 23:40:34 »
"Und meine Kunden streiten sich im Auto rund um die Uhr."

"Und ich musste gestern mit denen Bier kaufen fahren. Der ganze Kofferraum voll, boah, saufen die, schon sechs Bier davon sind wieder weg."



Birgit

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #43 am: 04. November 2013, 07:27:39 »
Sonntag, 13.10. Fahrt nach Agra zum Taj Mahal

Anil hat mich von Start mittags (wegen Ausschlafen nach dem langen Flug und durch die Zeitverschiebung) auf Start um 10 Uhr runtergehandelt und so klingelt der Wecker mich um 8.30 Uhr aus den Federn. So sonderlich gut geschlafen habe ich nicht. zu viel ging mir im Kopf herum und zu aufgedreht war ich noch von der Anreise. Somit war das auch wieder eine kurze Nacht.

Frühstück auf der Dachterrasse. Hupen schallt herauf, beim Blick nach unten sehe ich Tuk Tuks, Delhi beginnt gerade zu erwachen.

Von wegen, in Indien dauert alles ewig. Kaffee (schon gesüßt und insgesamt vom Geschmack her gar nicht als Kaffee zu erkennen, vielleicht sollte ich das Unglaubliche wagen und auf Tee umsteigen) und Omelett stehen innerhalb von 5 Minuten auf dem Tisch, auch beim Auschecken geht es verhältnismäßig fix bis der Mann an der Rezeption merkt, dass das Hotel prepaid war. Und Anil steht auch schon 20 Minuten eher als verabredet da.

Und los geht es durch den deutlich dichteren Verkehr Richtung Agra. Der Stärkere gewinnt. Autos sind stärker, dafür sind Motorräder, Fahrräder und Fußgänger wendiger, wenn es darum geht sich durchzuschlängeln. In Ortschaften an Kreuzungen ist es somit oft der eigentlich Schwächste, der das Rennen macht.

Ein paar Impressionen von unterwegs, allerdings von anderen Reisetagen. Heute habe ich nur staunend und zwischendurch müde im Auto gesessen:







Zwischendurch halten wir einmal an um etwas zu essen. Inklusive Trinkgeld weniger als 5 Euro für zwei. Es gibt Paneer (Käse statt Fleisch) mit Gemüse in Sauce, Dal (ein Linsengericht), Joghurt, ein paar Scheiben geschälter Gurke und Brot. Vorher waschen wir uns die Hände aus einem Kanister. Um uns herum indische Familien, die ebenfalls Pause machen auf dem Weg nach Agra.

Am Straßenrand lauter beigebraune Tiere, die der Einheitsfarbe nach alle miteinander verwandt zu sein scheinen, was aber gar nicht sein kann, denn mal sind es Hunde, mal Kühe, mal Affen und mal Ziegen.





Die buntesten Farbflecken Frauen, die wie im Bollywoodfilm in transparente bunte Glitzerstoffe gekleidet sind. Nee, halt, noch bunter waren verschiedene Männergruppen, fast schon in Agra, die wie es in Deutschland jetzt wohl auch Mode wird, hier aber zum Fest "Holi" Brauch ist, über und über mit Farbe bespritzt sind. Grund ist ein Festival der Hindus.

Im Laufe des Tages disponiert Anil einige Male um je nach "estimated arrival time" in Agra.

Ich bekomme somit heute das Taj Mahal im Sonnenuntergangslicht zu sehen statt morgen früh im Morgengrauen, das ist mir auch ganz recht so. Heute sei das Wetter schließlich gut, aber wer weiß, wie es morgen sein würde. Morgen würden wir dann vor der Weiterfahrt nach Jaipur das Red Fort besichtigen.





Am Taj Mahal ist die Hölle los. Vorwiegend indische Touristen, die nur einen geringen Prozentsatz des Ausländereintritts zu zahlen haben, stehen Schlange. Für meinen fürstlichen Eintrittspreis gibt es dafür Eintritt ohne Warteschlange, eine Flasche Wasser und Schuhüberzieher umsonst.

Noch viel schöner als die Anlage selbst mit dem üblichen Standardfoto ist es, durch den Garten etwas abseits zu gehen. Vogelgezwitscher und abseits der Achse mit der perfekten Symmetrie fast kein Mensch unterwegs. Mein überzivilisierter Kopf ahnt,  dass Indien tatsächlich alle Sinne ansprechen kann und ich sauge dieses neue Gefühl auf. Und toll ist auch der Duft, der in der Luft liegt, so ein schwerer Blütenduft, irgendwie gemischt mit Räucherstäbchen und ein kleines bissen Verwesung. Auf der anderen Seite des Flusses ein Park mit Menschen, in dem Park exotische Musik. Hier lohnt es sich auch sich einen Moment zu setzen und die Stimmung auf sich wirken zu lassen. Ich verbringe etwa zwei Stunden hier und tauche zum ersten Mal richtig in Indien ein.





Eine wunderbare Anlage. Und im Allerheiligsten, dem Mausoleum, ist Fotografieren streng verboten. Hier wird man (entweder ohne Schuhe oder mit diesen Überziehern) gruppenweise im Gänsemarsch durchgeschleust - und kaum ist die Gruppe drin, starten die unartigen Inder ein wahres Blitzlichtfeuer und die eigentlich hier verbotenen Handys werden in die Luft gestreckt zum Fotografieren, was die unwirschen Bewacher mit herrischen Gesten und schrillem Trillergepfeife zum Schweigen bringen wollen, was ihnen wiederum nicht gelingt. Au weh, in die Mühlen des Gesetzes möchte ich hier allerdings nicht geraten, wenn das hier Anzeichen indischer Machtausübung ist.















Übrigens: Wenn ich mal davon ausgehe, dass es in Agra, wie allerorts im Internet verkündet, das Schlimmste sein soll in Bezug auf die Belagerung von Touristen, dann habe ich nun nichts Schlimmes mehr zu erwarten, egal wie. Es sind nur einige wenige Punkte, an denen man auf verschiedene Weise versucht Kunden zu akquirieren, aber ich bin angewiesen es zu ignorieren und auf dem Gelände selbst fragt nur selten mal jemand, ob er mich mal gegen ein Trinkgeld fotografieren soll.

Ansonsten werde ich nur von freundlichen indischen Touris angesprochen. So sagt ein Vater, dass seine etwa fünfjährige Tochter gerne mal mit mir sprechen wolle. Und als ich sie frage, wie sie heißt, versteht und antwortet sie in ganz niedlichem Englisch. Ein anderer Hiesiger wird von mir beim Fotografieren beobachtet. Er merkt es, kommt zu mir und zeigt mir stolz die letzte Aufnahme, die er gemacht hat.

Mutig geworden, will ich den Rest des Tages allein verbringen, mal ein bisschen spazierengehen und die Straßenszenen, die den ganzen Tag nur an mir vorbeigehuscht sind, aus der Nähe betrachten. Ja, das geht, meint Anil, aber bitte nicht nach 19 Uhr. Die Einheimischen trinken gerne und wenn sie dann abends betrunken seien, belästigen sie gerne Frauen.

Das Spezierengehen hätte ich mir allerdings sparen können. Nicht nur, dass es lebensgefährlich ist an der chaotischen Straße und wegen der vielen Hindernisse eher ein Spazierenstehen ist, ich bekomme auch permanent angeboten, was der westliche Tourist so brauchen kann. Rikscha fahren soll ich und im Shop gucken und Haschisch kaufen. Ganz profan kehre ich somit im Pizza Hut ein. Schlimmeres passiert übrigens nicht, kein Grabschen, keine unmoralischen Angebote außer Haschisch, obwohl ich meine Ausgangszeit bis 19 Uhr noch glatt um fast eine Stunde überschritten habe.



Ich grinse ein bisschen in mich hinein bei der Vorstellung, dass ich tatsächlich in Betracht gezogen habe, in Indien rennen zu gehen und beschließe, selbiges lieber auf dem Laufband im Hotel zu tun. Doch ich gebe auch hier auf. Es war trotz Klimaanlage brüllend heiß und ein Dauerhustenanfall meines hartnäckigen Erkältungsrestes treibt den Mitarbeiter dazu nach 5 Minuten besorgt herbeizukommen und zu fragen, ob es mir gut geht.

Also ab ins Zimmer, unter die Dusche und mit dem Reisebericht ins Bett zum Fernseher. Ich schätze, um 22 Uhr ist heute Nachtruhe angesagt.

Silke

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #44 am: 04. November 2013, 07:31:13 »
Zitat
ich kann die Fahrer als Menschen nicht vergessen. Ich denke oft an sie, was aus ihnen geworden ist, wie sie leben, wie es (im letzten Fall) ihren Familien geht, die wir kennengelernt hatten. Und irgendwie belastet mich das manchmal. Zumal ich keine Chance habe, Kontakt zu ihnen zu halten, weil beide nicht per Mail erreichbar sind.

Also, ich habe heute per Skype (Anruf zum Handy) "happy Diwali" gewünscht :) und SMS kann man doch auch per Skype verschicken, wenn auch nicht empfangen

Unser letzter Fahrer kann leider Englisch nur sehr eingeschränkt lesen (wenn überhaupt). Er könnte mir zumindest nicht in Englisch antworten. Und ich weiß nicht, wie ich das Hindi ins Handy bekomme oder übersetzen würde ;) Und ich kann nicht in Englisch anrufen.
Und selbst wenn ich eine SMS verschicken könnte (ich würde die auch so bezahlen, das wäre mir egal), würde er sich vielleicht verpflichtet sehen, mir per SMS zu antworten, was dann (nicht unerhebliche) Kosten für ihn verursacht.
Und ehrlich: wirst du per SMS über Jahre hinweg Kontakt zu deinem Fahrer halten?