Autor Thema: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe  (Gelesen 116348 mal)

Birgit

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #210 am: 25. November 2013, 10:11:20 »
Nur leider habe ich die Mexico Indians mit ihren Sombreros nicht geknipst, Ilona, Wenn du sie sehen willst, musst du dir nun also vielleicht doch noch ein Ticket kaufen?

Netter Versuch, Birgit  :totlach:.

Ja, ich weiß schon, es gibt Weibsbilder, die das Manipulieren deutlich besser beherrschen als ich  :verpiss:

Birgit

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #211 am: 25. November 2013, 20:25:59 »
MI, 31.10.: Sightseeing Delhi

Heute ist Powersightseeing angesagt. Um 9 Uhr werde ich abgeholt, wieder von Subash, der heute schon ein wenig mehr auftaut. Ist vielleicht Teil der indischen Mentalität dem geehrten Kunden gegenüber zunächst mal überkorrekt aufzutreten aus Angst etwas falsch zu machen.

Wir haben ein straffes Programm vor uns. Zunächst bietet mir aber auch diese hochmoderne Metropole Indien pur. Auch hier hängt Wäsche von Hotels und Restaurants zum Trocknen auf langen Leinen über irgendwelchen Wiesen.

Allerdings sehe ich auch Mädchen beim Fußballspiel und die eine oder andere Frau am Steuer. Das war bisher nicht so.

Es geht in die Altstadt. Das erste Ziel ist die Jama Masjid, die große Moschee. Hier trifft mich fast der Schlag. Gleich mehrfach nacheinander will man Geld von mir. Erst Eintritt, dann eine Gebühr für einen hässlichen geblümten bodenlangen Frisierumhang, obwohl ich doch züchtig gekleidet bin, dann noch eine Kameragebühr, insgesamt fast 9 Euro umgerechnet. Alles wird streng und ohne Charme eingefordert. Na Prost Mahlzeit, wenn das so weiter geht, dann brauche ich dringend spätestens um 11 Uhr einen ATM. (Nein, es ging nicht so weiter, vieles heute war sogar kostenfrei.)

Das Gebäude allerdings lohnt sich, ich hätte nicht darauf verzichten mögen. Vergleicht man die Fotos mit denen des Taj Mahal, sieht man, dass die Türme in die Mitte zu fallen scheinen. Das ist beim Taj Mahal nicht so, denn dessen Türme sind leicht nach außen geneigt.







 





Nun geht es zum roten Fort. Das ist eine nette, großzügige Anlage, allerdings bei weitem nicht so beeindruckend wie die Forts, die ich in den letzten Wochen gesehen habe.

Am roten Fort ist man übrigens sehr auf Sicherheit bedacht - indem man eine Knarre direkt auf den Eingang richtet, an dem die Besucher wieder mal unsägliche Sicherheitskontrollen passieren müssen.













Auf dem Rückweg zum Auto schlendere ich durch den Bazar Chandni Chowk, das ist nicht so spannend, irgendwie sind viele Läden (noch?) geschlossen. Ist heute Freitag und die Läden sind eventuell in muslimischer Hand? Nö. Na ja, vielleicht machen die ja später auf.





Nun geht es zu Gandhi, erst zum Memorial, dann zum Museum. Hier begegnet man dem Besucher ausgesprochen hilfsbereit und freundlich. Den "Talisman", einen Leitspruch von Gandhi, bekomme ich auf einem Zettel mit, darf mir außerdem Prospekte nehmen. Ich entscheide mich für einen mit dem Lebenslauf Gandhis und beschließe ganz fest, mir den Film demnächst unbedingt mal wieder anzusehen. Ich mag keine Devotionalien, aber es ist die Kleidung ausgestellt, die Gandhi trug, als er ermordet wurde. Mir wird ganz anders hier, also noch ein Thema, über das ich mein Wissen dringend vertiefen muss.





Nun geht es zum Hanuman Mausoleum. Das ist toll anzusehen.





Ich bin ein bisschen müde und hungrig, aber habe noch viel vor. Also Zähne zusammenbeißen und weiter geht es, nämlich in die Lodhigardens. Diese finde ich wunderschön. Eine schön angelegte Anlage, viel Grün, viel Schatten, Und hier ist auch ausdrücklich eine Joggingstrecke ausgewiesen, die von einer Frau auch genutzt wird. Viele Menschen sitzen auf den Wiesen, unter ihnen viele turtelnde Paare. In den Parks ist Zeit und Raum für Zweisamkeit, wenn auch nicht unter vier Augen.











Boaaah, noch einiges steht auf der Liste, Subash zieht es ruhig und freundlich durch. Ich wette, Anil hätte da schon diskret den einen oder anderen Vorschlag gehabt.

Wir fahren zum Qutub Minar, einer Ausgrabungsstätte. Hier ist das physisch und inhaltlich Herausragende ein prächtig verziertes Minarett. Ich schlendere ein bisschen auf der großzügigen Anlage herum. Eine Gruppe Menschen schaut lange in einen Brunnen. Was wohl Interessantes darin sein mag? Ich klettere hoch um in die Öffnung schauen zu können, erwarte mindestens einen Froschkönig darin und sehe ... eine riesige Menge von Plastikflaschen, na prima!





 

Das letzte Ziel für heute ist der Lotostempel, in dem Menschen aller Religionen beten können, fotografieren und Handys verboten. Sehr durchorganisiert und gesittet geht es hier zu. Besucher müssen sich in langen Reihen anstellen und werden freundlich im Gänsemarsch eingelassen.



Als ich beim Hotel ankomme, sind locker 9 Stunden herum und mir knurrt der Magen. Seit dem Frühstück habe ich nicht mehr gegessen. Rückblickend wäre es wohl nicht verkehrt gewesen, lieber zwei halbe Tage Sightseeing zu buchen, bzw. hätte ich das Red Fort (wegen der vielen Forts zuvor) samt gegenüber liegendem Bazar (weil es diese auch in den letzten Wochen zur Genüge gab) und den sehr modernen Lotostempel etwas außerhalb der Stadt einsparen können zugunsten einer erholsamen Stunde in den Lodhigardens.

Ich finde ein wieder mal modernes Lokal mit guten Cocktails und leckerem Essen, gehe vorher natürlich noch bei Wenger's vorbei, lasse mich gelassen von dem Tuk Tuk Fahrer von gestern einfangen, der mich so freundlich begrüßt, dass mir klar wird, dass ich gestern wohl mindestens den dreifachen Preis vom Normalen gezahlt habe. Früh sitze ich im Bett, genieße den Luxus eines funktionierenden Fernsehers und einer nur leise summenden Klimaanlage und freue mich mit ein wenig Wehmut auf meinen letzten Tag mit meiner neuen großen Liebe.

Michael

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #212 am: 25. November 2013, 21:09:22 »
Birgit, das ist jetzt zweifelsohne nur eine "Momentaufnahme vom Mitlesen", falls es so was geben kann. Aber mir kommt Delhi fast schon "europäisch" vor im Vergleich zu den Stationen, die Du vorher besucht hattest.

Grüße aus der Pfalz,
Michael
...nach der Reise ist vor der Reise...

Birgit

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #213 am: 25. November 2013, 21:15:55 »
Ich kann auf jeden Fall sagen, dass Delhi durchaus sehr "indische" Ecken hat, aber eben auch jede Menge gepflegte westlich anmutende Gegenden.

Und nachdem ich immer wieder gelesen habe, wie uninteressant Delhi sein soll, war ich ganz baff, wie viel es dort zu sehen gibt. Sollte ich also nochmals von Delhi aus eine Rundreise starten, würde ich auf alle Fälle dort wieder 1 bis 2 Tage zum Eingewöhnen bzw. Entwöhnen und für den Rest der Sehenswürdigkeiten einplanen.

Silke

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #214 am: 25. November 2013, 22:05:24 »
Das erste Ziel ist die Jama Masjid, die große Moschee. Hier trifft mich fast der Schlag. Gleich mehrfach nacheinander will man Geld von mir. Erst Eintritt, dann eine Gebühr für einen hässlichen geblümten bodenlangen Frisierumhang, obwohl ich doch züchtig gekleidet bin, dann noch eine Kameragebühr, insgesamt fast 9 Euro umgerechnet.


Wir mussten im Februar keinen Eintritt bezahlen, nur die Fotogebühr. Entweder die haben dich vera... oder die Preise geändert?
Ich konnte auf eines der Minarette rauf. Dort hat man einen tollen Blick über die Stadt. Ging das bei dir nicht? Vielleicht, weil Freitag war?

Zitat


Auf dem Rückweg zum Auto schlendere ich durch den Bazar Chandni Chowk, das ist nicht so spannend, irgendwie sind viele Läden (noch?) geschlossen. Ist heute Freitag und die Läden sind eventuell in muslimischer Hand? Nö. Na ja, vielleicht machen die ja später auf.


Die haben bei uns auch erst gegen Mittag auf gemacht. Fanden wir auch seltsam.

Das rote Fort fanden wir auch nicht so toll.

Aber was du an einem Tag geschafft hast...Da hätte ich nach der Hälfte aufgegeben. Wir haben uns allerdings auch Lotustempel und Gandhis Museum und Memorial gespart.

Ich finde auch, dass Delhi die europäischste aller indischen Städte ist. So man eine indische Stadt überhaupt so bezeichnen kann ;)

Birgit

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #215 am: 25. November 2013, 22:19:18 »
Ehrlich gesagt: Ich wusste nicht, dass man auf die Minarette rauf kann und habe mich daher auch nicht danach umgesehen.

Hm, aber wer hat unter welchen Umständen dort von mir Eintritt kassiert? Ich weiß es nicht mehr...

Ja, ist Delhi europäischer als Mumbai? Das habe ich bisher eher umgekehrt gehört?

Andrea

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #216 am: 25. November 2013, 22:28:46 »
Boah, einfach mal so ein Gewehr im Anschlag -  da fühlt man sich gleich als Verdächtige....  :schreck:

Um so schöner der Besuch bei Gandhi und dann den Lhodigardens.  Spirituell, schön und irgendwie entspannend.
Liebe Grüße, Andrea



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Silke

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #217 am: 26. November 2013, 08:03:06 »
Ehrlich gesagt: Ich wusste nicht, dass man auf die Minarette rauf kann und habe mich daher auch nicht danach umgesehen.


Wenn du das nicht wusstest, hättest du das auch nicht gesehen, der Eingang und das Tickethäuschen dafür (dafür musste man Eintritt zahlen, ich glaube, es waren 100 Rs) waren ziemlich versteckt.

Zitat

Ja, ist Delhi europäischer als Mumbai?

Würde ich sagen. Aber ist bestimmt auch subjektiv, wie man das empfindet. Kann auch daran liegen, dass Mumbai unsere erste indische Stadt war, die wir erlebt haben.
Wir fanden Delhi irgendwie geordneter, nicht so chaotisch.

Ilona

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #218 am: 26. November 2013, 08:13:20 »
... insgesamt fast 9 Euro umgerechnet. Alles wird streng und ohne Charme eingefordert.

 Vergleicht man die Fotos mit denen des Taj Mahal, sieht man, dass die Türme in die Mitte zu fallen scheinen. Das ist beim Taj Mahal nicht so, denn dessen Türme sind leicht nach außen geneigt.

Kein Wunder bei den Preisen - da biegen sich die Balken Türme  :frech:.

Die Eindrücke von Delhi kommen sehr ruhig rüber, kein Gewusel, eher relaxed. Vielleicht täuscht das aber auch  :weissnicht:.
Liebe Grüße

Ilona

"Man muss viel laufen. Da man, was man nicht mit dem Kleingeld von Schritten bezahlt hat, nicht gesehen hat" (Erich Kästner)


Horst

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #219 am: 26. November 2013, 20:14:19 »
Mal abgesehen von den faszinierenden Personen- und Gewuselfotos die Dir gelungen sind imponieren immer wieder die Bauwerke.
Ein Land so überraschend vielseitig wie eine Wundertüte. :)
Ich bin mit dem, was Du sagst, nicht einverstanden, aber ich werde bis zum Tod Dein Recht verteidigen, es zu sagen. Voltaire.

Birgit

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #220 am: 26. November 2013, 20:25:53 »
DO, 01.11.: Sightseeing Delhi and Leaving India

Die letzten Stunden sind angebrochen. Ab heute Mittag kann ich sie an den Fingern abzählen.

Heute habe ich nicht mehr viel vor. Ich will durch das Viertel Pahar Ganj bummeln, irgendwo noch etwas essen, den Nachmittag nochmals am Pool entspannen. Warum sonst habe ich das teure zentrale Hotel mit Pool genommen?

In den vergangenen drei Wochen habe ich ja gelernt, dass die Basare erst gegen 10 Uhr öffnen. Aber ich will ohnehin vorher noch zum Sikhtempel um die Ecke marschieren. Schön, so relativ früh am Morgen allein unterwegs zu sein. Die ganzen Nervbacken müssen offenbar erst noch auf Touren kommen.

An einem kleinen Hindu-Tempel geht es vorbei:



Bereits den Sikh-Tempel in Pushkar habe ich als wohltuend wenig dogmatisch und respektvoll erlebt. Hier wird das noch übertroffen.

Tuch über den Kopf, Schuhe aus und los geht es. Die Tempelanlage ist großzügig. Sie weist ein großes Bassin auf, in dem neben Fischen auch ein Mann badet. Was das in dieser Religion wohl für eine Bedeutung hat?

Melodiös werden Verse rezitiert, das wird in der gesamten Tempelanlage übertragen. Ich umrunde einmal das Bassin, beobachte den eigentlichen Tempel ein wenig aus der Ferne.

Dann gehe ich in den Tempel. Gläubige verneigen sich vor dem zentralen Altar oder wie immer es auch in dieser Religion heißen mag und sitzen rund herum auf dem Boden. Ich setze mich dazu, sehe zu und lausche den Klängen. Fotografieren darf ich hier nicht.

Als ich das Innere verlasse, bin ich nicht mehr die einzige Westliche. Inzwischen haben sich noch einige Touris eingefunden.









 



Ich weiß inzwischen über die Sikh, dass Abkehr von Riten und Aberglauben, Gleichberechtigung, Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit wichtig sind. Auch das Streben nach Bildung, Ansehen und Wohlstand werden gepflegt. In den Tempeln gibt es kostenfrei Essen, Schwächere werden geschützt. Das gefällt mir. Und so verwundert es im Grunde nicht, dass mein mit dem Token für die Schuhaufbewahrung fast schon aus Gewohnheit rübergereichtes Trinkgeld mit fast erschrockener und entrüsteter Miene abgelehnt wird.

Ist doch eigentlich eine viel bessere Möglichkeit an Geld zu kommen als Erpressung. Ich tausche den kleinen Schein in meiner Hand gegen einen Größeren aus und werfe hier schon zum zweiten Mal eine Donation in eine dafür vorgesehene Box.

In die Tempelanlage integriert eine Poliklinik. Jemand erklärt mir, dass man hier kostenfrei behandelt wird. Nee, lieber lasse ich mir hier keinen Zahn ziehen, auch wenn der Innenraum zwar schlicht, aber nicht haarsträubend wirkt.

Mir ist wehmütig und jammerig zumute, nur noch 18 Stunden bis zum Abflug. Indien zeigt sich empathisch, etwa gleichzeitig mit meinen Gedanken verdüstert sich auch der Himmel. Als ich den Tempel verlasse, weint der Himmel ein wenig. Ich weine nur fast mit.

Ich marschiere den etwa 20 Minuten langen Weg zu Paharganj. Hoffentlich regnet es sich nicht ein, Indien im Matsch kann mir gerne erspart bleiben. Am Straßenrand ein Häufchen Mensch, schon ein gewohnter Anblick: Klein, schmächtig, dreckig schlafend auf dem Bordstein zwischen Fußgängerweg und Straße. Schläft er wirklich nur so reglos? Hoffentlich!

Noch eine Überraschung hat das Land für mich bereit. Eher um dem Regen zu entgehen als aus echtem Kaufbedürfnis heraus flüchte ich in einen Laden mit Seide und Pashmina Schals. Ein indischer Kunde zahlt gerade. Aus den Augenwinkeln beobachte ich, was er zahlt. Genau so einen Schal will ich auch, und zwar für genau den Preis!

Der Verkäufer entschuldigt sich, dass er erst jetzt Zeit für mich hat. Ich wühle in den weichen Tüchern, suche mir eins heraus und stelle mich auf harte Verhandlungen ein. Immer wieder betreten Inder das Geschäft. Ein gutes Zeichen, wie ich finde, obwohl ich mich hier mitten auf der schlimmsten Tourimeile befinde.

Er nennt mir einen Preis, bei dem ich zunächst denke, er hat vielleicht eine Null am Ende vergessen. Aber nein, hat er nicht. Na, wenn das so ist! Ich suche mir noch zwei Tücher der weichsten und leichtesten Qualität heraus und frage, ob ich nun Mengenrabatt bekomme. Der Preis sinkt, ich halte dagegen. Er kommt mir noch ein Stück entgegen. Ich hole 500 Rupies weniger aus meinem Portemonnaie und lege sie ihm hin: " Take it or leave it!" Er greift zu. Erst greift er nach meiner Hand um sie zu schütteln, dann greift er zu den Scheinen, die vor ihm liegen.

Ich lobe ihn ganz doll dafür, dass er nicht mit der Nervmasche kommt, dass er nicht drängt, nicht theatralisch ist. So gewinnt man zufriedene Kunden, bestärke ich ihn. Hätte er Stress gemacht, wäre ich ohne zu kaufen wieder gegangen. Ich schieße noch ein Foto von ihm mit seiner Ware und verspreche Werbung für ihn. Ich denke, wir sind beide zufrieden.



Ich schlendere über den Connaught Place wieder zurück zum Hotel. Mac Donalds auf indisch will ich mir einmal geben, bestelle einen Veggieburger mit Pommes und Cola light. Auf dem Rückweg muss ich noch einmal zu Wenger's, den Laden fotografieren, noch ein paar Teilchen für den Nachmittag am Pool kaufen. Diese sind übrigens fast so teuer wie in Deutschland. Für 4 Teilchen bezahle ich umgerechnet fast drei Euro.





Dann sitze ich am Pool tanke noch einige Sonnenstrahlen, nur noch 13 Stunden bis zum Abflug.

Ich marschiere nochmals in die Stadt. Auf dem Weg gehe ich vorbei an einer Gruppe kleiner (K)Inder. Sie beachten mich nicht, wuseln wie kleine Puppen, allerdings sehr schmutzige Puppen, ohne Aufsicht durcheinander und umeinander herum. Keine zwei Sekunden sind sie still, freuen sich, haben Spaß. Wo die wohl hingehören?









Bisher bin ich beim Überqueren einer großen Straße hier immer im Windschatten versierter Hiesiger gelaufen um nicht unter die Räder zu kommen. Nun entdecke ich, dass es tatsächlich klammheimlich eine Unterführung gibt. Na, die ist mir dann doch lieber!

Ich lande wieder im selben Restaurant wie gestern. Warum eigentlich nicht? Es hatte gut geschmeckt, und nett ist man hier auch.

Bookstore am Wegesrand:



Auf dem Rückweg begegnet mir ein(e) Hijra. Auf Deutsch würde man wohl "Transvestit" sagen, vielleicht auch "Eunuch". Sie/er bettelt die Autofahrer an und grinst mich irgendwie verlegen und irgendwie provokant an. Ich musste erst einmal nachsehen, was das bedeutet. Es geht um Eunuchenkult. Hijras bringen Glück oder Pech. Und da das hier ein von glücklichen Zufällen geprägte Reise ist, gehe ich ganz fest davon aus, dass diese Hijra mir Glück bringen wird.

Wieder im Hotel mache ich mich abreisefertig, packe die letzten Sachen zusammen. Mir ist das Herz so schwer! Noch ein wenig surfen, obwohl ich ja eigentlich noch ein wenig schlafen wollte, schon ist es 23 Uhr.

Ich checke aus und warte noch einige Minuten auf den Fahrer. Subash ist ebenso wie Anil superpünktlich, sodass ich deutlich mehr als drei Stunden vor Abflug am Airport ankomme. Der Check- In ist schnell erledigt. Vor der Ausreise muss man noch ein Formular ausfüllen, das ist mir glatt entgangen.

Indisches Geld darf ich nicht mitnehmen, aber ich will ja wiederkommen und dann brauche  ich sicher wieder am Anfang kleine Scheine. Ich hasse es geldlos irgendwo anzukommen. Ein paar der Scheine reisen im aufgegebenen Gepäck mit, den Rest habe ich in einem Seitenfach meiner Tasche. Merkwürdigerweise bekomme ich auch in einem Restaurant nach der Ausreise noch Rupies zurück und am Gate steht neben mir ein Getränkeautomat, in den die Leute einen Schein nach dem anderen stecken. Auch das ist wohl wieder mal Indien ebenso wie die Sache mit den superwichtigen Securitychecks überall, bei denen ich mir sicher bin, ich könnte locker auch eine Atombombe mit reinschmuggeln.



Mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrete ich den Flughafen. Ach Indien, warum hast du dich so lange vor mir versteckt? Wolf im Schafspelz? Wohl eher Schaf im Wolfspelz! Sicher bin ich unwissentlich in so manche Falle getappt, bin ich in den USA aber auch schon, wenn ich an ein etwa 15 USD teures Eis mit zwei Kugeln denke, das ich mir einmal blauäugig im Venetian in Las Vegas gekauft habe.

Ach Mensch, wenn ich daran denke, mit welchem Herzklopfen ich vor drei Wochen hier eingereist bin, dass ich Grausiges zu sehen erwartet habe sofort nach Verlassen des Flugzeuges, dass ich vermutet habe, sofort mit dem ersten Berühren des Wasserhahnes mich durch und durch mit Bakterien zu verseuchen, die mir das Leben zur Hölle machen würden. Wer verbreitet solche extremen Horrorgeschichten, die Angst machen  und warum?

Ich steige mit dem guten Gefühl ins Flugzeug, dass ich nun zwei tolle und völlig entgegengesetzte Lieblingsziele habe, geographisch, im Lebensstil, in der Mentalität, in der Geschichte und Kultur und im Reisestil. Die USA haben Konkurrenz und Kontrastprogramm bekommen was für eine Bereicherung!.

Indien wird mich ganz sicher wiedersehen!

Flicka

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #221 am: 26. November 2013, 22:22:24 »
Ich entnehme den letzten, abschließenden Sätzen, dass damit auch das Fazit deiner Reise bereits gezogen ist und die Reiseleitung und damit auch dieser Reisebericht mit dem Abflug aus Indien enden.

Zunächst einmal vielen Dank für die tollen Eindrücke, die plastischen Schilderungen und die vielen vielen beeindruckenden Fotos! Ich hatte fast das Gefühl, live dabei zu sein.

Ich freue mich, dass du ein neues Traumreiseziel gefunden hast und bin schon gespannt auf weitere Abenteuer auf dem aufregenden indischen Subkontinent.

Was mich selbst betrifft, war ich beim Lesen des Berichts ähnlich hin- und hergerissen wie bei unserer eigenen Reise. Viele Schwierigkeiten, die wir in der großen Reisegruppe hatten, hattest du offenbar nicht oder nicht in diesem Ausmaß. Beispielsweise wurden wir bei der Ankunft an vielen Sehenswürdigkeiten derart von allen möglichen Leuten umzingelt, bedrängt und teilweise sogar an den Kleidern festgehalten, dass mir manchmal der Spaß an dem Land vergangen ist. Tatsächlich konnten wir uns erst in Mumbai halbwegs unbehelligt über einen Markt bewegen. Ich vermute, dass man da als Individualreisender einfach unauffälliger unterwegs ist als in einer großen Gruppe. Von daher haben mir die Schilderungen durchaus wieder Anregungen für eine zweite Indienreise gegeben, dann aber mit einem Fahrer so wie du es gemacht hast.

Andererseits habe ich jetzt sogar nach dem bloßen Mitlesen wieder ein ähnliches Gefühl wie nach meiner eigenen Reise. Nämlich, dass es sich absolut gelohnt hat, dort gewesen zu sein, dass ein zweitesmal aber nicht sein muss.

Aber wenn du eine zweite Reise dorthin planst, dann würde ich mich einem Reisebericht gerne wieder anschließen.

Insgesamt kann ich nur sagen: Hut ab vor dem Mut, dich auf eigene Faust in dieses faszinierende Land zu begeben, vor deiner Offenheit neuen Erlebnissen gegenüber und davor, dass du auch nach ein paar Tagen leichter Krise wieder voller Energie durchgestartet bist!

Birgit

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #222 am: 27. November 2013, 07:55:47 »
Ach, das Fazit lässt sich doch in diesem Fall mit einem Satz auf den Punkt bringen, das habe ich gleich mal drunter gesetzt.

Andrea

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #223 am: 27. November 2013, 08:08:36 »
Boah, was für eine aufwühlende Reise! Seit diesem Bericht sehe ich alles, was mit Indien zu tun hat, mit anderen Augen. Vor allem auch viel interessierter. Danke, dass du uns an der Reise hast so intensiv teilhaben lassen. Jetzt verstehe ich auch, warum ein Freund von mir Indien so liebt, obwohl er erst einmal (vor bestimmt 10-15 Jahren) da war. Indien nimmt gefangen...

Vielen lieben Dank und ich wünsche dir, dass diese Liebe auch bei dir noch sehr lange hält!
Liebe Grüße, Andrea



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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #224 am: 27. November 2013, 08:37:53 »
Hallo Birgit,

es freut mich, dass du eine neue große Liebe gefunden hast und hoffe, dein Freund ist nicht eifersüchtig  :zwinker:. By the way - warum ist er eigentlich nicht mitgereist?

:respekt:, dass du dir diese Reise zugetraut hast und so mutig warst, dich oft alleine ins Gewimmel der Menschen zu wagen. Ich wäre da bestimmt auf dem Zimmer geblieben.

 :danke: für den bunten Reisebericht  :beifall:. Trotz deiner Bemühungen  :toothy9:, ist bei mir der Funke nicht übergesprungen :cool2:. Aber wenn du das nächste Mal nach Indien reist, bin ich gerne wieder virtuell mit dabei  :adieu:.

Liebe Grüße

Ilona

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