Sonntag, 6. Oktober 2013 - Notches and PeaksWir werden zeitig wach und stehen schon um kurz vor sieben bei Pollys Pancake Parlor vor der Tür. Der Laden öffnet um sieben und bis dahin ist die Schlange schon auf gute zehn Meter angewachsen. Hmm, da muss dann ja hoffentlich was dran sein, wenn da so ein Andrang herrscht. Um es kurz zu machen: Wir werden nicht enttäuscht!
Der Laden ist bekannt für seine von Grund auf selbst zubereiteten Pfannkuchenteige und als ob das noch nicht genug wäre, kann man jede der fünf verschiedenen Teige auch noch mit vier verschiedenen ‚Add-Ins‘ (z.B. Blaubeeren) kombinieren. Es geht uns dabei so, wie vermutlich jedem anderen Gast auch, der zum ersten Mal vor der Aufgabe steht, sich für eine der vielen möglichen Kombination zu entscheiden – wir wissen schlicht und ergreifend nicht, was wir bestellen sollen. Die Bedienung kennt das und lacht. In diesen Fällen hilft der Pancake-Sampler. Man darf hier 3 Kombinationen bilden und bekommt dann zwei von jeder Kombination. Das macht die Sache schon mal einfacher, trotzdem brauchen wir noch etwas Hilfestellung, was denn gewöhnlich gut zusammenpasst. Auch da hilft die Bedienung gerne und ich muss sagen, dass mir immer noch das Wasser im Mund zusammenläuft, wenn ich die Kombination ‚Buchweizenteig mit Kokosraspeln‘ zurückdenke.
Pappsatt verlassen wir wenig später den Laden, rollen zu unserem Auto zurück und damit dann weiter bis zum Hotel, um Tim aus den Federn zu werfen.
Flume GorgeUm neun Uhr öffnet der Eingang zur Flume Gorge im Franconia Notch State Park. Das zugehörige Ensamble aus Visitor-Center, Cafeteria und Giftshop hat bereits früher geöffnet und als wir um kurz vor neun auf den Parkplatz rollen, stehen auch schon ein paar Autos dort. Der Zugang zur Flume Gorge kostet pro Person 15 Dollar Eintritt, was bei drei Personen dann gleich mal $45 sind, die hier den Besitzer wechseln. In Zeiten geschlossener Nationalparks überwiegt die Dankbarkeit für die Institution der State Parks, wie das hier einer ist – aber da merkt trotzdem erst mal, wie gut man eigentlich mit dem Jahrespass für die National Park Pass bedient ist, der einmalig $80 kostet.
Als sich dann pünktlich um 9:00 Uhr der Einlaß öffnet sind wir erstaunt, dass wir fast die einzigen sind, die zur Flume gehen. Also machen wir uns auf den Weg, zuerst ca. 500m durch den Wald und dann kommen wir auch schon an die Stelle, an der die ca. 300 Meter lange Klamm beginnt.
Auf Holzstegen geht es durch die Klamm und zum Ende hin rücken die Felswände immer näher zusammen. Als es dann über Stufen und Rampen hinauf und wieder aus der Klamm heraus geht, glaubt man fast vom Holzsteg aus die gegenüberliegende Wand erreichen zu können.
Am oberen Ende der Klamm teilt sich dann der Weg. Es gibt einen Pfad, der auf dem kürzesten Weg wieder zurück zum Ausgang führt und es gibt einen etwa zwei Meilen langen Weg, der durch den Wald und über eine Holzbrücke, die Sentinel Bridge, wieder zurückführen soll.
Der Himmel ist zwar dicht bedeckt, aber es ist mild und für den Fall der Fälle hätten wir auch Regensachen dabei und so entscheiden wir uns für den längeren Weg. Schließlich will ich wissen, warum man hier auch eine Holzbrücke hinweist und außerdem sieht der Wald in seinen Herbstfarben sehr einladend aus. Also los!
Der Weg durch den Wald ist sehr abwechslungsreich. Er führt vorbei an Bächen und erlaubt immer wieder kleine Aussichten über die Gegend. Wenig später kommen wir dann schon an die Sentinel Bridge und ein Schild erklärt, was das Besondere daran ist.
Ich fass das mal hier zusammen: „Die Sentinel Pine war mit einem Umfang von 5 Metern und einer Höhe von über 50 Metern einer der größten Bäume in dieser Gegend. Sie stand wie ein Wächter im Wald und bekam daher ihren Namen. Irgendwann, vor mehr als zweihundert Jahren, hat der König von England verfügt, dass alle besonders großen und gerade gewachsenen Bäume in der Gegend ihm gehören – so auch die Sentinel Pine. Diese Bäume wurden mit einem Pfeil gekennzeichnet und waren fortan für das gemeine Volk tabu, was dem Volk natürlich gar nicht gefiel. Zumal diese Bäume nach und nach gefällt wurden, zur Küste geflößt wurden und von dort nach England transportiert wurden um dann als Baumaterial für die Kriegsschiffe seiner Majestät zu dienen. Aus irgend einem Grund wurde die Sentinel Pine zwar markiert, der Rest ihres damit eigentlich vorgezeichneten Schicksals blieb Ihr aber erspart und sie durfte fast zweihundert weitere Jahre stehen bleiben, ehe sie, wie viele andere Bäume in den White Mountains, einem großen Sturm zum Opfer fiel. Man beschloss aus dem Baum an Ort und Stelle eine Brücke über die Schlucht zu bauen und so entstand die Sentinel Bridge, die ohne einen Nagel und nur aus dem Holz dieses einen Baumes errichtet wurde.“
Etwas unterhalb der Brücke gibt es einen Aussichtspunkt mit einem netten Blick auf die Brücke:
Wir folgen dem Weg, der sich durch den Wald zurück zum Eingang schlängelt und stellen fest, dass wir uns insgesamt reichlich Zeit gelassen haben auf dem ca. 2,5 Meilen langen Rundweg. Nun ist es fast Mittag und nach einem Besuch des Giftshops ist es dann auch Mittag.
Pollys Pancakes halten bei Petra und mir noch mächtig vor, Tim hatte aber kein Frühstück und so nutzen wir die Cafeteria neben an für einen kleinen Mittagsimbiss. Es war, sagen wir mal vorsichtig, „nothing to write home about it“. Wir erfahren aber, dass es gestern eine gute Entscheidung war, den Besuch der Flume Gorge auf heute zu verschieben, denn gestern blieb der Besucherzähler bei sage und schreibe etwas mehr als 3.300 Leuten stehen. (Ja, genau, $15 Eintritt pro Person…)
Apropos Eintritt: Selbstverständlich gibt es auch ermäßigte Tarife für ‚Handicapet People‘. Leider ist es aber so, dass man barrierefrei bestenfalls bis zum Eingang der Klamm kommt, wobei sogar der Weg bis dorthin stelleweise sehr holprig ist.
Mount WashingtonIn den White Mountains gibt es einen Berg, der sehr bekannt ist und legendär für sein Wetter. Es ist der Mount Washington, mit etwas mehr als 1900 Metern die höchste Erhebung im Nordosten der USA und berühmt berüchtigt für schlechtes Wetter. Auf Grund seiner Lage prallen hier kalte Luftmassen aus dem Norden auf wärmere Luftmassen aus dem Süden. Das Ergebnis sind extreme Winde und Temperaturen. So wurde auf dem Gipfel des Mount Washington im Jahre 1934 eine Windgeschwindigkeit von 371 km/h gemessen, die immerhin bis 1996 als Weltrekord in dieser Art bestand hatte.
Clever wie man war, hat man schon in frühen Tagen eine 12km lange Postkutschenstraße hinauf zum Gipfel des Mount Washington angelegt. Auf gleichem Pfad verläuft heute die Mount Washington Auto Road, die wir heute fahren wollen. Auf dem Weg zum Mount Washington sehen wir, dass dessen Spitze in dicken, fetten Wolken hängt – die Wetterküche scheint also in vollem Gange zu sein. Das verspricht spannend zu werden. Das Gebiet um den Mount Washington herum ist (natürlich) ein Statepark und unten am Fuß des Berges, dort wo die Straße beginnt, steht ein Kassenhäuschen. Eine Tafel, in gewisser Weise nicht unähnlich der Menutafel am McDrive, zeigt die einzelnen Preiskomponenten und während ich noch darüber grübele, on sich unser Preis nach Anzahl der Personen oder der angetriebenen Achsen richtet, erscheint schon der freundliche Parkranger am Fenster und meint: „Fortytwo Dollars and fifty cent, please“. Tja nu, das nenn ich mal ne richtig fette Maut. Dafür gibt es aber auch eine Urkunde (kein Witz!) die belegen soll, dass wir da rauf gefahren sind (also zumindest so getan haben, denn wir könnten ja auch mogeln und gleich wieder umdrehen) und einen schönen Bumpersticker auf dem steht „This car climbed mount washington“. Letzteres ist natürlich auch wieder so eine vorschnelle Aussage, denn „bezahlt“ ist bekanntlich noch nicht „oben“.
Gleich zu Beginn folgen dann diese lustigen Warnschilder aus der „Death Valley Collection“, dass man die Klimaanlage ausschalten soll, weil sonst der Motor zu heiß wird, etc…
Zu Beginn geht es einfach nur Bergauf durch den bunten Herbstwald, hier und da um ein paar Kurven. Langsam merkt man die gewonnenen Höhenmeter daran, dass die Laubfärbung nicht mehr so bunt ist, wie noch im Tal und irgendwann fehlen die Blätter ganz. Gerne hätte ich auch den Verlauf der Außentemperatur verfolgt, aber unser Prachtexemplar amerikanischer Automobilbaukunst folgt dem Ansatz „simplify your life“ und hält derlei High-Tech einfach nicht vor. Na ja, zwei Tage noch, dann geb ich ihn wieder am Flughafen ab. Oder ich parke hier irgendwo und vergesse die Handbremse anzuziehen…
Irgendwann wird die Straße unbefestigt und das Drama beginnt. Jedes Mal wenn ein Auto entgegenkommt bremst der Fahrer zwei Autos vor uns bis zum Stillstand ab. Da die Straße eine Stichstraße ist, müssen alle Autos die hochgefahren sind, auch wieder die gleiche Straße runter. Entsprechend ist ständig Gegenverkehr und Herr „Fahre-nie-schneller-als-Dein-Schutzengel-fliegen-kann“ führt die stetig anwachsende Kolonne hinter ihm in 50-Meter Sprüngen den Berg hinauf. Mein Röntgenblick sagt mir, dass er dabei die Klimaanlage ausgeschaltet hat.
Allmählich kommen wir der Wolkendecke näher und nach einer erneuten Kehre bietet sich ein schöner Blick zurück ins Tal und auf die Landschaft, aus der wir gekommen sind. Wie praktisch, dass dort gerade ein kleiner Pullout ist und wir halten an. Kaum ist die Tür einen Spalt offen wird klar, es ist windig und vor allem kälter geworden! Von meinen Mitfahrern höre ich nur ein „Uaaahh! Brrrr!“. Trotzdem geht es hinaus für ein Bild. Ich drehe mich herum, um zu schauen wo Petra und Tim bleiben, aber aus dem Auto schauen mich nur vier verständnislose Augen an. Na ja, recht haben sie ja irgendwie schon. Viel länger, wie ich für das Foto brauche, halte ich mich dann auch nicht draußen auf.

Es geht weiter Richtung Gipfel und in die Wolken hinein. Die Sicht geht gegen Null, es tauchen vermehrt Fußgänger auf und plötzlich merken wir, dass wir uns hier auf einem Parkplatz befinden. Weiter vorne ragt so etwas wie die Struktur einer Holztreppe aus der Nebelsuppe, jedenfalls spuckt diese Struktur laufend Leute aus, die sich dann wieder irgendwo im Nebel verlieren. Direkt daneben ist ein Parkplatz frei und wir stellen den Wagen dort ab. Entgegen meiner früheren Überlegungen ziehe ich nun aber doch die Handbremse an.
Es ist nasskalt, aber nur mäßig windig in den Wolken hier oben. Wir folgen der Treppe ohne wirklich zu wissen, wo sie hin führt. Alle folgen der Treppe, also wird man ihr wohl folgen müssen. Als die Treppe zu Ende ist, erkennen wir den Umriss eines Gebäudes im Nebel. Wir kommen dem Ding näher und tatsächlich ist es die Hütte, an der die Rekordwerte für die Windgeschwindigkeit gemessen wurden (231 mph entsprechen 371 km/h). Wie auf Bestellung lichtet sich der Nebel ein wenig und gibt den Blick auf die Befestigung der Hütte frei. Das Dach ist angekettet, die meinen es ernst hier. Nochmal zurück zum Auto um die Kamera zu holen wäre jetzt wohl zu optimistisch. So lange der Nebel es noch zulässt, muss hier ein Handyfoto genügen.

Wir stapfen einfach im Nebel weiter und kommen auf einmal an einem Eisenbahngleis vorbei. Aha – da hält also die Zahnradbahn, die man als Alternative zur Straße hier hoch nehmen kann. Die ist aber weit und breit nicht in Sicht, was nicht ausschließt, dass sie vielleicht zwanzig Meter entfernt im Nebel steht und einfach keinen Mux von sich gibt. Ich habe wirklich noch nie so eine dichte Suppe erlebt, wie hier oben und es macht Spaß darin herum zu tapsen und zu sehen, was noch alles im Nebel auftaucht. Irgendwie fühlt man sich durch die vielen anderen Menschen, die hier oben sind, gut aufgehoben dabei. Wenn ich mir allerdings vorstelle, dass ich alleine auf einem Trail unterwegs wäre, dann ist so ein Nebel keine schöne Vorstellung.
Schließlich finden wir auch noch ein Visitor-Center und freuen und über einen heißen Cafe und ein kleines Chili aus der Cafeteria dort. Die Einrichtung des Visitor-Center erinnert uns sehr an die des Trail-Ridge Visitor-Center im Rocky Mountain National Park. Eine ältere Frau setzt sich mit ihrem Kaffee zu uns an den Tisch und wir kommen ins Gespräch. Sie ist aus Washington State und als sie erfährt, dass wir aus Deutschland sind, will sie natürlich wissen, was wir von Ihrem Land und der aktuellen Situation mit dem Government Shutdown halten. Es war eine 50:50 Chance, dass unsere Meinungen dazu übereinstimmen aber zumindest aus ihrer Sicht haben wir die falsche Meinung, denn sie ist überzeugte Republikanerin und noch überzeugtere Gegnerin von Obama Care. Als ich ein vorsichtiges „aber eine Krankenversicherung für alle ist doch von der Idee her erst mal eine gute Sache“ anbringen will, endet Ihr Interesse für uns abrupt und sie steht wortlos auf und setzt sich woanders hin. Irgendwie tut sie mir leid dabei, wenn sie das so ernst nimmt.
Wir machen uns anschließend wieder auf den Weg durch den Nebel zurück zum Parkplatz. Wie praktisch, dass wir direkt neben der Treppe geparkt haben, da bleibt uns wenigstens die Sucherei nach dem Auto erspart. Die Abfahrt verläuft dabei ähnlich wie die Auffahrt – zwar ohne Aussteigen unterwegs, dafür aber mit Schreckbremsern irgendwo vorne in der Kolonne. Was solls, irgendwann sind wir wieder unten angekommen und schlagen die Richtung zurück zum Hotel ein. Dabei kommen wir wieder an wunderbar bunten Herbstfarben vorbei.
Crawford Notch SPFür den Weg zurück entscheiden wir uns für einen kleinen Umweg, der uns durch den Crawford Notch State Park führt. Der Crawford Noth SP wirkt auf den ersten Blick ein wenig schroffer als der Franconia Noth SP, aber nicht minder reizvoll. Das Wetter vom Mount Washington scheint uns ein Stück weit gefolgt zu sein, denn es wird kalt und windig und Regen setzt ein. Deswegen warten Petra und Tim auch wieder im Auto, während ich bei Regen, Sturm und Wind mit einer Aufnahme der Silver Cascade beschäftigt bin.
Auf dem Rückweg zum Hotel regnet es heftig und wir überlegen, was wir heute Abend essen sollen. Petra und ich brauchen nach den Pancakes von Polly heute Morgen und dem kleinen Chili vorhin auf dem Mount Washington nicht wirklich was großes heute Abend. Auch Tims Appetit hält sich in Grenzen. So beschließen wir, eine Kleinigkeit aus dem Deli im Supermarkt mit aufs Zimmer zu nehmen.
Wir klären noch die Rechnung und das Check-Out Procedere für morgen früh. Dabei erstehen wir einen kleinen Kühlschrankmagneten mit einem New Hampshire Motiv, der in dem kleinen Andenkenladen an der Rezeption verkauft wird.
Die Taschen sind gepackt, denn morgen geht es früh los – New York City wartet schließlich auf uns. Obwohl wir wirklich Gefallen an der Gegend hier gefunden haben, freuen wir uns auch auf die große Stadt morgen.
Gute Nacht, New Hampshire, es war schön mit Dir. Wir kommen wieder und dann mit mehr Zeit für Dich!