Autor Thema: Good Karma - Masala und der Duft von Jasminblüten  (Gelesen 94642 mal)

Birgit

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Re: Good Karma - Masala und der Duft von Jasminblüten
« Antwort #90 am: 23. April 2015, 17:40:50 »
Hmmm, also ich habe mich im Jeep auch umgesehen, ob der Fahrer irgendwo ein Gewehr hatte oder nicht.

Ich war vor mittlerweile mehr als einem viertel Jahrhundert (seufz) zwei Mal in Südafrika bzw. Namibia. Ich weiß nicht mehr genau, ob da eine Waffe an Bord gewesen ist, aber ich meine mich zu erinnern, dass es hieß, die Tiere nehmen die Autos als Einheit wahr und nicht als "Fressnapf". Und da sie auf stinkendes Metall in deutlich größerem Ausmaß als sie selbst nicht stehen, habe man als Insaße nichts zu befürchten.

Ich erinnere mich noch, dass wir damals in einem Camp bei einer Safari ewig neben einer Gepardenfamilie gestanden und diese beobachtet haben. Das war superschön und ich habe immer noch die Bilder vor Augen, als wenn es gestern gewesen wäre.

Damit ist die Safari keinesfalls zu vergleichen gewesen, aber sie war auch deutlich besser als ich so erwartet hatte...

Birgit

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Re: Good Karma - Masala und der Duft von Jasminblüten
« Antwort #91 am: 23. April 2015, 17:45:05 »
SA,28.03.2015

Morgens an den Kabini Backwaters:



Es geht nach Mysore. Und wie immer hat Shekhar schon einen Plan parat: Leider umfasst dieser eine Menge staatlich geführter Einrichtungen - und da diese sooooo wichtig sind, ist dass Fotografieren der äußerst lohnenswerten Sehenswürdigkeiten leider verboten. Also sortiere ich den Tag heute (mit Fotos nur außerhalb der Sehenswürdigkeiten) nach den Stopps unterwegs.

Zunächst geht es vorbei an dem Dorf mit dem Tempel, in dem das Fest heute offenbar schon eingeleitet wurde durch einen Lauf durchs Feuer: Man sieht nur noch die Aschenbahn, sonst ist leider nichts mehr zu Gucken übrig. Shekhar meint es sicher gut und erzählt mir auf den 1,5 Stunden Fahrt sehr viel zu Mysore, zu der Geschichte der dort ansässigen Maharajafamilie und zu dem, was es sonst alles in und um Mysore herum zu sehen gibt. Ich schalte irgendwann ein wenig ab, auch wenn es mir Leid tut. Ich würde eigentlich ganz gerne einfach nur die Landschaft vorbeigleiten lassen. Der Autismus, dessentwegen ich gerne allein unterwegs bin, kommt heute voll durch.

Erster Halt: Die Seidenfabrik in Mysore: Ein Zweckbau mit Technik, die ein wenig wirkt wie die der 60er Jahre und es wohl auch ist, na ja, vielleicht auch schon der 70er Jahre… Unvorstellbar in Deutschland - in jeder Hinsicht!

Zunächst hätte man sicherlich in Deutschland Touristen gar nicht erst zwischen den Webstühlen herumlaufen lassen, man hätte sicher hinter einer Glasscheibe die Aussicht genießen dürfen. Wir aber nicht. Es herrscht ein Höllenlärm bereits da, wo hunderte von Spulmaschinen die Seide aufwickeln. An diesen Maschinen sind überwiegend Frauen am Werk, die mir ein paar Fäden in die Hand drücken und winken. Männer stehen zwischen ihnen herum und notieren etwas, vielleicht irgendwelche Arbeitswerte? Das heißt, einige der Herren sitzen auch an der Seite auf umgedrehten Eimern und lesen Zeitung.

Noch netter wird es in dem Saal mit an die 50 Webstühlen, die jeweils betreut werden von halbnackten Herren in Flip-Flops und ohne Gehörschutz, wobei sich manche Watte oder Plugs in die Ohren gesteckt haben. Hier werden helle Stoffe mit Goldfäden gewebt. Die Vergoldung der Fäden übrigens findet in einer Art abgeschlossenem Käfig statt.

Ich habe allein von den 5 Minuten darin einen Gehörschaden und konnte nur sanft lächelnd Shekhars Erläuterungen und die bruchstückhaften Erklärungsversuche der Mitarbeiter verfolgen. Diese allerdings sind sehr nett und freuen sich über mein Interesse.

In einem anderen Saal wird die Seide von am Boden hockenden Männern für die Färbung vorbereitet, dann wird sie mit Wäscheklammern zum Trocknen aufgehängt und schließlich von Frauen auf Qualität kontrolliert.

Sowohl wir als auch Schulklassen laufen ohne Belehrung und Begleitung irgendwie dazwischen herum. Da müsste man wohl wirklich mal den Betriebsrat informieren über diese Zustände! Wichtig ist den Mitarbeitern allerdings, dass ich in der Zugangsliste einen Kommentar hinterlasse, und dieser lautet wahrheitsgemäß: “Very interesting - thank you!”

Es geht weiter zu einer Sandelholzfabrik, die immerhin von außen ein Foto wert ist. Mir wird in unverständlicher Sprache irgendwas dazu erklärt, von dem bei mir nur ankommt, dass ich mich in der wichtigsten und mit der Herstellung von Sandelholzöl in absoluter Topqualität befassten Fabrik der Welt befinde. Auch hier geht es gemächlich zu. Hier würde ich schon wegen des angenehmen Duftes, der in allen Räumen der Fabrik aus dem Jahr 1917 steht, lieber arbeiten als einer der Spulmaschinen oder Webstühle in der Seidenfabrik.



Und hier ist das Wichtigste, dass ich mit meinem Guide, den ich ohnehin nicht verstanden habe, noch für ein Foto mit seinem Handy posiere.

Heute ist übrigens der Tag, den ich immer einmal im Urlaub habe, der Tag, an dem ich unwillig und unwirsch bin und andere schlecht behandele, weil ich mich schlecht behandelt fühle. Es begann schon beim Auschecken, wo ich ungeduldig mit den Fingern trommelnd warten muss, bis ich meine Rechnung bekomme, obwohl alle so überaus nett und freundlich hier sind.

Es geht weiter mit all den Sehenswürdigkeiten, die so dermaßen malerisch und herrlich sind, und die ich trotz allem nicht ablichten darf. Maulend gebe ich an jeder Sehenswürdigkeit meine Kamera ab und schleiche mit einem “Flunsch” durch die Gemäuer ohne zu verstehen, worum es hier eigentlich geht.

Aber Shekhar hält wieder mal an einem Tempel, vor dem Kinder den Boden mit bunten Farben bemalen für ein Fest. Ich möchte gerne eins fotografieren, doch alle nötigen mich, auch noch das eigene und das der Freundin zu knipsen, was ich auch brav tue. Und da einige Kinder nicht nur den Boden, sondern auch sich selbst bemalen, ist auch das ein Foto wert, das die Rasselbande erfreut, als ich es auf dem Display vorzeige.





Der nächste Halt ist die größte Sehenswürdigkeit von Mysore, der Palast. Auch hier darf ich nur außen knipsen, aber immerhin ist der Palast nicht so voll wie die in Nordindien, sodass ich Dank des deutschen Audioguides ausnahmsweise mal nicht höflich lächeln muss zu bemühten Erklärungen, die ich mangels Sprachbarriere ohnehin nicht verstehe und mir einfach alles in Ruhe ansehen kann. Und hier im Palast entspanne ich ein wenig und bewundere prunkvolle Intarsien, luftige Säulenhallen mit toller Ausstattung, den Anblick von Affen auf den Simsen der Außenmauern.







Es geht vorher allerdings noch noch in den Tempel vor dem Palast, hier darf ich fotografieren, aber hinter mir schleicht wieder jemand her, der mich auf die Notwendigkeit einer Donation hinweist, und zwar mehrfach und lautstark.





Shekhar wartet auf dem Parkplatz. Wir checken fast direkt neben dem Palast im etwas abgewrackten Parklanehotel ein und machen uns sofort wieder auf den Weg. Beim Verlassen des Raumes fällt mir noch der gut gemeinte Hinweis neben dem Fenster auf, dieses wegen der Affen geschlossen zu halten… Mittagessen in einem bei Touristen offenbar völlig unbekannten Lokal ist angesagt und dann die Besichtigung der Jayalakshmi-Mansion, die etwas verfallen und abgeschieden und völlig unbeachtet am Wegesrand liegt.

Während ich erst noch ob des einsamen Schlenderns durch den Palast und des dann guten Essens sehr heruntergekommen war, stehe ich nun wieder kurz vor dem Explodieren.

Auch diese herrlichen Räume dürfen nicht geknipst werden, dabei sind sie gerade wegen ihres sehr morbiden Charmes und der noch durchschimmernden Pracht soooo sehenswert. Und zu allem Unglück schleicht der nächste Trinkgeldgierige hinter mir her, sodass ich die Räume nicht einmal genießen kann. Er packt seinen gesamten englischen Wortschatz aus, bestehend aus “come”, “no”, “here” und zu guter Letzt “pay!” (obwohl er meine gemurmelten zugegebenermaßen respektlosen Kommentare auf Deutsch sicher auch ohne entsprechende Sprachkenntnisse kaum fehlinterpretieren konnte), nachdem er mich störend, mich beobachtend und mich zur Weißglut treibend permanent rülpsend mich “begleitet” hat, während die einzigen anderen Gäste, ein indisches Paar, die Räume in aller Ruhe erobern durften.



 



Der arme Shekhar hat es heute nicht leicht mit mir. Ich erkläre ihm, dass ich nun auf den Markt lieber allein gehen möchte. Den ganzen Tag immer in Begleitung zu sein, das ist nichts für mich, und auf dem Markt geht es ja auch eher um das Schauen. Er setzt mich mit einem Hinweis auf ein Kaffeegeschäft und einen Süßigkeitenladen mit Sweets feinster Qualität an der Markthalle ab.

Kaffeekauf:







Und wie immer, wenn ich mich von dem “alle sind böse, lasst mich bloß in Ruhe” im Kopf verabschiede, denn hier rechne ich ja damit angesprochen und bequatscht zu werden, ändert sich schlagartig das Bild.

Ich kann aber auch völlig unbehelligt über den Markt streichen. Ganz am Anfang ein netter und gebildet wirkender älterer Inder berät mich beim Kauf einer Einkaufstasche, denn ich habe meine vergessen. Ich handele sie zäh herunter von 80 auf 60 Rupies und meine Wasserflasche, der gerade erstandene Kaffee und ein Kilo Mangos landen darin.

Wieder einmal gehen die Augen über zwischen Obst, Gemüse, Blumen, Farbpulver und allerlei Zeug, von dem ich keine Ahnung habe, was es wohl ist.









 



Als Kontrastprogramm gönne ich mir noch die sehr moderne Einkaufsstraße, in der ein Seidengeschäft neben dem nächsten ist, nur unterbrochen von Geschäften wie “Bata” und “Jockey” und der einen oder anderen Apotheke. Ganz interessant sind ein Kaufhaus und ein modernes Shoppingcenter, das in Größe und Angebot natürlich nicht mit denen in den USA vergleichbar ist, aber einen Einblick bietet, wo man als moderne Inderin modische Salwar Khameez kaufen kann, wenn man nicht auf den Bazar gehen will.

In der Dämmerung bin ich wieder in der Nähe des Palastes und stelle (wieder einmal) fest, dass die blaue Stunde meine Lieblingstageszeit in Indien ist. Neben dem Palast ist ein offenbar äußerst beliebter Tempel. Barfuß stehen die Gläubigen in langer Schlange an, erst holen sie sich ihre Segnung, dann bekommen sie ein Schälchen Mais. Ein gleichförmiges Mantra, das ich noch Stunden später im Ohr habe, tönt über den Platz. Der Verkehrslärm mit Motorengeräuschen, Hupen und schrillen Pfiffen der Polizisten versinkt im Hintergrund, Atem und Herzschlag verlangsamen sich, ich gehe mit Frieden im Herzen zum Hotel zurück.




Silke

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Re: Good Karma - Masala und der Duft von Jasminblüten
« Antwort #92 am: 24. April 2015, 08:22:35 »
Da werden Erinerungen wach. Je mehr ich deinen Bericht lesen, umso mehr hab ich das Bedürfnis, wieder mal selbst nach Indien zu fahren.
Das mit den Raubtieren und den Menschen im Jeep kenn ich auch so.

Birgit

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Re: Good Karma - Masala und der Duft von Jasminblüten
« Antwort #93 am: 24. April 2015, 09:06:14 »
Hi Silke,

du meintest ja, dass dir Indien im Moment zu anstrengend wäre. Ich kann aber im Ergebnis der jetzigen Reise sagen, dass es nicht anstrengender war als eine Selbstfahrerreise in den USA oder als Malaysia, Bali oder Thailand (wobei meine Thailanderfahrungen sich ja leider auf nur eine Woche beschränken).

Ich habe auf langen Fahrten im Auto teilweise immer mal ein bisschen gepennt, was wohl auch nötig war, da habe ich es echt zu schätzen gelernt mich fahren zu lassen: Nicht suchen müssen, einfach nur einen Plan machen gemeinsam mit dem Fahrer, ankommen, gucken, wieder einsteigen...

Und nur selten musste ich massive Attacken mit "want postcard" und "have nice pashmina" abwehren, das ging immer schnell vorbei ;)

Na ja, und ich für mich vermute auch, dass ich Ende des Jahres sicher schon wieder nach Flügen schauen werde...

Aber gerade Mysore ist ja auch eine im Großen und Ganzen schöne, saubere Stadt, die Markthalle eine Augenweide, die schattigen Straßen mit den vielen Bäumen entspannt und das Stadtbild mit den Kolonialgebäuden sehr schön. Bleiben natürlich trotzdem die stellenweise vollgestopften Straßen mit dem ständigen Gehupe...

Paula

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Re: Good Karma - Masala und der Duft von Jasminblüten
« Antwort #94 am: 24. April 2015, 10:39:47 »
Hallo Birgit,

mich wundert ein bischen die Organisation: ich kenne das so von meiner Sri Lanka Reise wo wir auch einen Fahrer (und nur einen Fahrer keinen extra Guide zusätzlich) hatten: der Fahrer hat uns immer in die Tempel etc begleitet und hat uns die lästigen Bettler und selbsternannten Guides vom Hals gehalten nach dem Motto "das sind meine Touristen, Finger weg!". Das fanden wir sehr angenehm. Wenn wirklich Trinkgeld angesagt war hat er uns das vorher gesagt und anonsten hatten wir unsere Ruhe. Manchmal hat er eine richtige Führung gemacht also auch was erzählt, manchmal ist er nur hinter uns hergelaufen. Wenn wir allein durch einen Ort schlendern wollten hat er mit dem Wagen irgendwo gewartet.
Wolltest du das nicht oder wollte dein Fahrer nix anderes sein als Fahrer?
Viele Grüße Paula

Birgit

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Re: Good Karma - Masala und der Duft von Jasminblüten
« Antwort #95 am: 24. April 2015, 11:52:06 »
Ich hätte ihn sicher bitten können mich auf Schritt und Tritt zu begleiten. Das hätte er an bestimmten Orten allerdings nicht tun können. In Indien gibt es mehr zwischen Himmel und Erde als man so in Deutschland denkt hinsichtlich der Aufteilung in bestimmte "Reviere". So hätte er an bestimmten Orten Ärger bekommen, wäre er mitgekommen, denn die local Guides wollen eben ihre Geschäfte machen.

Glaubt man Anil von der Nordindienreise, kann das gehen bis zum Verprügeln des "Eindringlings".

Ansonsten ist ein Fahrer ein Fahrer, und man kann von ihm nicht erwarten, dass er mit Zahlen, Daten, Fakten um sich wirft. Rückblickend muss ich nun sagen, dass Anil da auch ziemlich "bildungsfern" gewesen ist, da war Shekhar deutlich informierter, interessierter und engagierter.

Was man von einem Fahrer aber wohl immer erwarten kann, ist ein gewisses "Briefing" bezüglich der Frage, wo und für welches Geld man sein Ticket bekommt, ob man Kamera und Handtasche mitnehmen darf, ob es was kostet die Schuhe abzugeben und wie die Öffnungszeiten sind usw.

Und ja, klar hat der mich auch mal am Tempel abgesetzt und mich irgendwo wieder eingesammelt. Teilweise bei Fahrten über Land bei den Teeplantagen bei Munnar hat er mich auch an einem Ausblick rausgeworfen, ich bin dann 200 Meter gelaufen um den Ausblick aus allen Perspektiven zu genießen und dann bin ich wieder eingestiegen, während er schon vorfuhr.

Bei der Hitze an manchen Orten war ich sehr dafür, da war mir jeder Schritt zu viel, grundsätzlich bin ich aber gern selbstständig und mag es ebenso wenig hinter jemandem herzutrotten wie ich es mag, wenn permanent jemand hinter mir hertrottet.

Susan

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Re: Good Karma - Masala und der Duft von Jasminblüten
« Antwort #96 am: 24. April 2015, 12:17:01 »
Weiterhin interessante Eindrücke aus dem mir so fremden Land  :thumb:

Liebe Grüße
Susan


serendipity

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Re: Good Karma - Masala und der Duft von Jasminblüten
« Antwort #97 am: 24. April 2015, 14:18:27 »
Die Marktbilder sind so toll, da möchte man sich wie die Raupe Nimmersatt durchfressen  ;)

Silke

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Re: Good Karma - Masala und der Duft von Jasminblüten
« Antwort #98 am: 24. April 2015, 16:22:44 »


Bleiben natürlich trotzdem die stellenweise vollgestopften Straßen mit dem ständigen Gehupe...

Das ist eben eins der Dinge, von denen ich denke, dass sie mir derzeit zu viel wären. Man hat ja in Indien außer im Hotel fast nirgends Ruhe. Immer sind Menschen um Einen rum, der ständige Krach auf den Strassen… . Und selbst im Hotel hat man nicht immer Ruhe, hast du ja beim Essen auch erlebt.
Und dann das Problem mit dem Fahrer. Ich finde es anstrengend, mit einem fremden Menschen immer alles absprechen zu müssen, immer einen fremden Menschen um sich rum zu haben.
Aber für die nächsten 2 Jahre haben wir den Februar eh schon verplant, da sollen wir Reiseleiter in Thailand und Kambodscha spielen.


Birgit

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Re: Good Karma - Masala und der Duft von Jasminblüten
« Antwort #99 am: 24. April 2015, 20:13:24 »
SO, 29.03.2015

Heute geht es ein bisschen gemächlicher als gestern zu. Und es verspricht ein wunderbarer Tag zu werden!

Es beginnt schon damit, dass Shekhar ganz nebenbei an einer Kreuzung das Fenster öffnet, für 10 Rupies einen Strang gebundener Jasminblüten ersteht und mir diese nach hinten reicht. Die könne ich mir doch ins Haar binden. Nun bin ich absolut kein Blume-im-Haar-Typ in der karierten Bluse, die ich heute trage schon gar nicht, aber der Duft umweht mich, und ich werde im Laufe des Tages von asiatischen Touristen angesprochen, wo es so etwas gebe und zweimal von Indern, die mir “nice Flowers” hinterher rufen. Noch abends beim Ausbürsten der Haare kommt ein Hauch Jasmin in meiner Nase an, obwohl ich die Blüten schon nachmittags am Pool abgelegt habe. Blumen gibt es im Verlauf der Reise noch öfter, und so werden meine Erinnerungen an Südindien für immer mit dem Jasminduft verbunden bleiben.

Wir fahren jedoch mit Blumen im Haar zunächst zum Cauvery-River, der hier im Süden ähnlich heilig ist wie der Ganges im Norden. Hier halten wir an zwei Stellen und mir gehen wieder mal die Augen über ob der Schönheit und Farbenpracht indischen Lebens.Die Stelle ist übrigens im Reiseführer nicht zu finden, und nicht zum letzten Mal wundere ich mich über die Menschen hier, denen ich mit gezücktem Fotoapparat auf die Pelle rücken darf.

Familien pilgern hierher um Zeremonien abzuhalten, im heiligen Wasser zu baden und ihre Wäsche darin zu waschen.

Der erste Punkt ist ein Ort, an den Menschen kommen, die genau ein Jahr zuvor ein Familienmitglied verloren haben. Männer opfern ihre Haare inklusive des ansonsten unvermeidlichen Schnurrbartes, es gibt eine Zeremonie. Ich darf ungehindert fotografieren.













 

Wir fahren weiter zum zweiten Punkt. Hier geht es turbulenter und lustiger zu. Irgendwie nett, wie die Kinder, verbunden mit Badespaß, an die Religion herangeführt werden. Und das Abhalten einer Zeremonie hält einen Priester beim Vorbereiten eines weiteren Schrittes nicht davon ab zwischendurch ein paar Worte mit mir zu wechseln. Alles sehr, sehr freundlich und aufgeschlossen.

Nur das lebende Huhn mit einer Lebenserwartung von wahrscheinlich nur noch wenigen Minuten, das hierher getragen wird, tut mir Leid.

Einige Menschen lassen hier ihre Kleidung zurück nach dem Bad, sozusagen als Opfer. Wer die Opfer sind, das entscheidet sich aber an ganz anderer Stelle: Eine offensichtlich sehr arme Frau sammelt Saris und Ähnliches ein. Shekhar ist der Meinung, sie wird die Stoffe verwerten, etwas daraus nähen, und nach einigen Tagen wird der gebrauchte und geopferte Sari als Hose für Touristen auf dem Bazar ankommen. Dieser Gedanke wird mich für den Rest der Reise davon abhalten billigen Quatsch zu kaufen.





 











 

Wir fahren noch zu einem Tempel ganz in der Nähe, in dem ich mich in der Schlange zum Heiligtum anstellen darf. Das ist äußerst selten, denn in die Tempel darf man, zum Heiligtum kaum jemals. Für die Gläubigen Warterei, für mich ein großer Spaß. Ich werde angelächelt während wir durch die Warteschlange stehen, und einer fragt mich “Hoddidunaddidy?” Ich rate richtig und antworte “German”, worauf er mir begeistert die Hand schüttelt. Die Frage lautete wohl also tatsächlich: “What is your nationality?”

Auf dem Rückweg hält Shekhar noch an einem Betrieb, der Zuckerrohr verarbeitet. Hier geht es ähnlich zu wie in der Rumdestille auf Grenada. Allerdings wäre mir bei den hygienischen Bedingungen hier wohler, würde man hochprozentigen Rum und keine Zuckerbrocken herstellen. Dennoch spiele ich kurz mit dem Gedanken, solchen Zucker mitzunehmen, denn den gibt es so hergestellt bei uns nicht: Das Zuckerrohr wird per Hand durch eine Presse gejagt, das ausgepresste Rohr auf dem gesamten Grundstück zum Trocknen verteilt und per Hand von einem Mitarbeiter ins Feuer gegeben, das unter den großen Becken brennt, in denen die Masse so lange eingekocht wird, dass man sie in Formen füllen und zu Quadern mit Loch drin pressen kann.







Wir fahren noch zur Kathedrale, die irgendwann von den Briten im gotischen Stil erbaut wurde. Und während ich denke, dass ich mich hier auf sozusagen vertrautem Boden bewege, muss ich beim Betreten des Gotteshauses laut lachen - auch hier stehen die Schuhe vor der Tür! Und ansonsten fällt auch hier auf, dass es streng zugeht: Während ich mich in den Hindutempeln immer willkommen fühle, steht hier eine sehr gestrenge Dame mit einer Art Schlagstock in der Tür und herrscht mich an: “Camera off, camera off.” Nee, ich glaube, ich konvertiere!





Und die Moschee unterwegs:







Es schließt sich ein Mittagessen an. Zum Essen gibt es wie so oft schönen Joghurt. Der dient als Nachtisch. Und dazu kommt der Kellner mit einem Napf Zucker und gibt mir einen riesigen Löffel davon in das kleine Näpfchen. Shekhar winkt erschrocken ab, aber der Kellner reagiert mit einer Geste, die in etwa besagt, “ach, hab dich nicht so” und haut mit einem strahlenden Lächeln zu mir noch einen Löffel drauf.

Erst am späten Nachmittag wird es weiter gehen. Ich nutze die Pause um ein wenig auf der Dachterrasse des Hotels und in dem kleinen Pool dort zu entspannen.

Gegen 16.30 Uhr fahren wir los. Shekhar fährt mich noch an einigen Prachtbauten aus der britischen Kolonialzeit vorbei, die nun fast alle in staatlicher Hand sind und Post, Polizei oder Militär beherbergen.



Wir fahren hoch zum Chamundi-Hill, wo ich von einem Inder fast in eine Schlange zum Allerheiligsten gezogen werde, denn um 18 Uhr schließt der Tempel für eine Puja, und vorher wollen wir alle doch noch gesegnet sein, oder? Wieder strahlen mich große braune Kulleraugen an...

Der Tempel ist nicht soooo wahnsinnig sehenswert, wenn auch wegen des Gedränges in der Spätnachmittagsatmosphäre erlebenswert. Die meisten Touris fahren hierher wegen des Blickes auf die Stadt, der mir aber wegen des Blickes gegen die Sonne und des Dunstes über der Stadt verwehrt bleibt. Also, Leute, fahrt hier lieber morgens her!







Ich gehe zu Fuß eine ganze Reihe von Stufen runter zum Ochsentempel, der letztlich eine Granitstaue eines Ochsen und einem Altar davor besteht. Auch hier erlebe ich mal wieder, wie Kinder in die Religion einbezogen werden: Eine Mutter mit ihrem etwa zweijährigen Sohn drückt dem Jungen einen Zehner in die Hand, den er in die Opferschale legen darf. Sie hält ihre Hand über das Feuer und streicht die so erhaltene Segnung dem Jungen über den Kopf, dann das Gleiche nochmals für sich selbst. Sie nimmt einen Löffel gesegnetes Wasser, gibt es dem Jungen zu trinken und streicht den Rest auf seinen Kopf, das Gleiche für sich selbst. Sie nimmt einen Tupfer roter Farbe und drückt dem Jungen einen Punkt auf die Stirn, das Gleiche für sich selbst.

Ich habe hier heute erlebt, wie selbstverständlich, fröhlich und offen die Religion praktiziert wird, wie selbstverständlich andere wie ich willkommen sind. Und ich freue mich, dass ich das erleben darf, wieder mal fast unbehelligt von allem, was einem so in Indien angedroht wird. Und irgendwie lassen mich heute auch wieder die Guides kalt, die mich natürlich auch heute den ganzen Tag über immer wieder ansprechen.

Wir fahren zum Palast, in Kürze beginnt die Illumination. Staunend stehe ich vor dem Licht von 90.000 Birnen, oder realistischer wohl nur 85.000, wie bei näherer Betrachtung deutlich wird, das die Konturen des Palastes hervorhebt, außerdem die aller Nebengebäude.













Ein herrlicher Tag geht zu Ende, der sicher davon beeinflusst war, dass ich keine Sehenswürdigkeiten mit indischer Bürokratie hatte, was aber zum großen Teil auch daran lag, dass ich nach meinem Down gestern wieder zu Ausgeglichenheit gefunden habe und meine Perspektive auf das Land wieder deutlich eingerenkt ist.

Silv

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Re: Good Karma - Masala und der Duft von Jasminblüten
« Antwort #100 am: 24. April 2015, 20:48:27 »
Hätte jetzt gerne noch ein Foto mit den Jasminblüten im Haar gesehen... ;)
Liebe Grüße
Silvia

serendipity

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Re: Good Karma - Masala und der Duft von Jasminblüten
« Antwort #101 am: 24. April 2015, 20:59:56 »
Ich natürlich auch  ;)

Und ich freue mich, dass die Berichterstattung schon wieder viel gechillter klingt 8) - obwohl mir der letzte Tag auch gefallen hat! Ich mag es ja ebenso, wenn nicht immer eitel Sonnenschein herrscht und man auch das lesen kann - Leute, die in drei Wochen Urlaub nie schlechte Laune haben. finde ich fast "unnatürlich"  :P

Silvia

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Re: Good Karma - Masala und der Duft von Jasminblüten
« Antwort #102 am: 25. April 2015, 09:48:01 »
So, endlich mal wieder Zeit deinen RB weiter zu verfolgen....

Um Shekhar tut es mir an dieser Stelle Leid. Ich werde so in Beschlag genommen, dass ich keine Gelegenheit habe mit ihm noch zu besprechen, ob ich ihn an den beiden kommenden Tagen brauche und wann wir übermorgen abfahren. Tja, im einen Moment noch der kompetente Betreuer der doofen Touristin, die sich ohne ihn nicht auf den Markt getraut hätte und die an seinem Rockzipfel hängt, im nächsten Moment vom Hotelpersonal aufs Abstellgleis gestellt und herumkommandiert. Kein Wunder, dass es Anil auf der letzten Reise irgendwie schwerzufallen schien damit umzugehen und er mir gegenüber daher gelegentlich den großen Max hat heraushängen lassen.

 :thumb:   Wegen solcher Kommentare liebe ich deine Reiseberichte - so herrlich ehrlich!


... und  :beifall: :beifall:   Glückwunsch zu den Raubtiersichtungen... auch wenn es nur der Hintern des Tigers war  ;D



Bleiben natürlich trotzdem die stellenweise vollgestopften Straßen mit dem ständigen Gehupe...

Achja, stimmt   :denk:     der Lärm, das Gehupe ... beim Betrachten der Fotos vergesse ich manchmal die anderen Sinne.  Was ich allerdings bei den Marktfotos vermisse ... hier die Geräuschkulisse zu hören und dann die Gerüche .. okay sagen wir mal die Gerüche in den Ecken mit den Gewürzen  ;D



Man hat ja in Indien außer im Hotel fast nirgends Ruhe. Immer sind Menschen um Einen rum, der ständige Krach auf den Strassen… .

Kann ich selbst jetzt nicht so sagen. Ich fand immer wieder mal ein Plätzchen an dem ich Ruhe hatte, Spaziergang morgens an einem See, in einer Tempelanlage etwas abseits des Haupttempels ... usw.. Außerdem selbst hier in Deutschland - wann/wo hört man da mal wirklich nichts??


Silke

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Re: Good Karma - Masala und der Duft von Jasminblüten
« Antwort #103 am: 25. April 2015, 13:23:28 »
Ja, wirklich nichts ist auch in Deutschland selten. Aber ich lebe auf dem Dorf und da ist oft stundenlang nur Vogelgezwitzscher zu hören. Und dazwischen und indischem Straßenlärm ist derzeit für mich ein riesengroßer Unterschied.

Birgit

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Re: Good Karma - Masala und der Duft von Jasminblüten
« Antwort #104 am: 26. April 2015, 21:04:19 »
Hätte jetzt gerne noch ein Foto mit den Jasminblüten im Haar gesehen... ;)

Naaaa gut, naaa gut, wenn ihr es niemandem zeigt ;)

Hier also ich, geschmückt wie eine Preiskuh und duftend wie Scheherazade (abends, wenn die Blumen welk wurden, wie eine vor sich hingammelnde Scheherazade...)