Dienstag, 12. Juni 2018Heute wurde mal nicht ganz so lange geschlafen, denn wir hatten beschlossen, heute wieder eine Wanderung in Angriff zu nehmen. Veranschlagt war sie zwar nur auf eineinhalb Stunden, aber wir wollten uns Zeit lassen. Schließlich habe ich mit einer solchen Wanderung über Stock und Stein noch keine Erfahrung (ich kenne eigentlich nur Wald- oder Schotterwege). Außerdem sind ja XL-Tours ganz entspannt unterwegs und das trifft damit auch auf Hiker zu. Letzten Endes ist er es, der noch trödelt und Heiko derjenige, der am heutigen Tag richtig Stress haben wird…
Natürlich bin ich schon viel früher als die anderen wach und räume ein wenig auf, decke den Frühstückstisch und surfe noch ein wenig im Internet. Eigentlich wie jeden Morgen. Heute bringe ich zum ersten Mal den Müll raus und das ist schon eine kleine Herausforderung. Denn so ganz habe ich nicht kapiert, wie das hier mit der Mülltrennung funktioniert. Letztlich ist es aber so:
Recycelt werden Papier, Dosen (Konserven und Getränke) und Plastikverpackungen, sofern sie nicht bunt sind, aber keine Folien. Außerdem die PET-Getränkeflaschen und Plastikmilchflaschen. Am besten alles ausgespült. Glas wird wie bei uns zum Glascontainer gebracht. Der Rest in die Restmülltonne. Auch Styropor, was bei uns ja als Verpackungsmüll in den gelben Sack gehört.
Als dann alle soweit waren, ging es los Richtung Fort William. So langsam wurde die Strecke schon langweilig. Aber in Fort William bogen wir ab in Richtung Ben Nevis, dem höchsten Berg Großbritanniens. Nein, den wollten wir natürlich nicht erklimmen, denn dafür reicht meine Kondition nicht. Hiker könnte das wohl gut schaffen, aber dann hätte er schon früh los gemusst und außerdem ist dieser Berg tückisch wie so viele Berge, obwohl er nur 1345m misst. Das Wetter kann dort ganz schnell umschlagen und dann wird es gefährlich. Nein, für uns geht es zu den Steall Falls, die sich in dem Gebiet befinden.
Wie immer in der Gegend hielt ich nach Susan und Kerstens Womo Ausschau, hatte ich doch erfahren, dass sie gestern diese Wanderung gemacht haben. Schade, da hätten wir uns eigentlich gut verabreden können. Gesehen habe ich sie aber nicht. Natürlich sind sie auch irgendwo unterwegs und haben sich sicher für heute ein anderes schönes Ziel ausgesucht. Aber Heiko sah was, was ihm so gar nicht gefiel: Wir hatten vergessen zu tanken und die Reserveleuchte brannte. Das Auto haben wir ja noch nicht so lange und Heiko konnte gar nicht einschätzen, wie weit er mit der Reserve käme. Er hat es nie bis zur Reserve leer gefahren. Ich schlug vor, wieder nach Fort William umzukehren, aber er meinte, das wird schon klappen. Ab sofort wurde möglichst spritschonend gefahren, wobei das hier in der kurvigen und hügeligen Gegend nicht wirklich gut möglich ist.
Am Parkplatz am Trailhead schmiss uns Heiko schnell hinaus und er rollte davon. Wir hatten nichts weiter vereinbart, aber wir würden uns dann melden, wenn wir wieder abgeholt werden wollen. So ein wenig Sorge, fast schon Panik, hatten wir nun doch alle, dass Heiko es nicht bis zur nächsten Tankstelle schafft…
Hiker und ich sattelten also auf, heute haben wir beide unsere Trekkingstöcke dabei. Gleich am Anfang des Trails ein Schild, das Mut macht:
Aber der Weg war zumindest anfangs nicht so schlimm. Es ging durch den Wald und in der Nähe hörten wir ein Rauschen, neben uns der River Nevis. Der Trail war gut besucht und das eine oder andere Mal ließ ich andere Wanderer passieren. Ich mag es nicht, wenn ich den Gesprächen der Anderen hinter mir direkt lauschen kann oder sie mir gar fast in die Hacken treten
Der Weg schaltete schnell eine Schwierigkeitsstufe rauf und ich musste nun genauer hinschauen, wohin ich trat, denn ich neige sehr dazu jeden Huppel darauf zu prüfen, wie gut er sich zum Stolpern eignet und fliege dabei auch gerne mal der Länge nach hin. Ich hätte zwar hier nicht abstürzen können wie auf dem Schild angedroht, aber zu bösen Verletzungen hätte es allemal kommen können.
Blick zuück
Das Wetter war wieder super, wir trugen bloß unsere T-Shirts. Selbst hier im schattigen Wald ist es warm genug dafür. Ich hätte nie im Leben gedacht, dass ich nun schon den dritten Tag in Folge zu keinem Zeitpunkt die Regenjacke bräuchte. Also eigentlich ist das nicht „mein Schottland“, aber ich bin gar nicht so böse darum. Zumal der Wetterbericht schon andeutete, dass es nicht die ganze Woche so bleiben würde. Und hier auf dem felsigen Boden war ich doppelt froh, dass die Steine nicht vom Regen nass und glitschig sind.
A propos felsiger Boden: Der Schwierigkeitsgrad erhöhte sich noch einmal, weil es nun auf dem schmalen Weg etwas den Berg hinauf geht und auch wieder hinunter und manches Mal muss man sich regelrecht schauen, welchen Weg man nun am günstigsten einschlägt, auf welchen Stein man tritt, um dann den nächsten Schritt zu machen. Die erfahrenen Wanderer unter euch werden lachen, aber ich bin das gar nicht gewohnt und in meiner Gewichtsklasse und bei meinem Fitnessgrad dürfen Schritte nicht zu groß werden und kleine Sprünge sind gar nicht möglich. Die Stöcke gaben mir eine Menge Sicherheit dabei und ich wurde auch zunehmend mutiger bzw. fand schneller die für mich passende Schrittfolge. Das machte mir riesigen Spaß, mein Selbstvertrauen wuchs und Hiker unterstützte mich mit Tipps und viel Geduld dabei ohne mir jemals das Gefühl zu geben, dass ich Ballast bin.
Irgendwann kamen wir aus dem Wald heraus und vor uns öffnete sich das Tal. Neben uns der „Fluss“ und da mussten wir nun hin. Wir waren total begeistert und stromerten abseits des Wanderweges einfach nur so herum. In der Ferne konnten wir schon die Wasserfälle sehen, aber hier gefiel es uns auch schon sehr gut.
Hiker gab zwischendurch mal seinem Klettertrieb nach und erklomm einen riesigen Stein im Flüsschen. Da stand er nun und freute sich deutlich sichtbar über diesen Tag und die von mir ausgesuchte Wanderung. Doch nach einer Weile wollte er nun wieder hinunter und überlegte, wie er das am besten macht ohne nasse Füße zu bekommen oder bei einem Sprung unglücklich auf einem Stein im Flussbett zu landen. Ich reichte ihm die am Flussbett liegenden Stöcke nach oben und irgendwie kam er sicher und trocken hinunter. Naja ehrlich gesagt, hätte er es ganz bestimmt auch ohne meine Hilfe geschafft. Nur vielleicht nicht ganz so bequem….
Es ist total schön hier und von Heiko erreichte uns nun auch die Meldung, dass er es bis zur Tankstelle geschafft hatte. Puh, ein Glück!
Wir machten hier eine kleine Müsliriegel-Bananen-Pause. Dann drängte ich aber zum Weitergehen, denn es kamen dunkle Wolken auf. Auch wenn es bestimmt nur einen kurzen Schauer geben würde, so wollte ich den Weg zurück nicht auf den dann bestimmt rutschigen Steinen machen. So ein klein wenig Respekt hatte ich sowieso schon vor dem Rückweg.
Wir näherten uns den Steall Falls und wenn man darauf zugeht, öffnet sich links ein weiteres schönes großes Tal. Wir liefen ein paar Meter hinein, aber eigentlich geht es hier nicht näher zu den Falls hin. Aber trotzdem sieht es hier nach einer lohnenswerten Verlängerung der Wanderung aus.
Wir gehen ein Stück zurück zu der Seilbrücke, die über den River Nevis führt. Hiker war in Nullkommanix hinauf geklettert und schnell auf der anderen Seite. Ich wusste nicht so recht, ob ich mich das traue und oben auf das Seil zu kommen war auch schon schwierig. Hiker war mittlerweile zurückgekommen und half mir hinauf. Hm, ja. Ich taste mich voran.
Also ich würde schon auf die andere Seite hinüber kommen, aber dann geht es scheinbar auch mit erhöhter Schwierigkeit weiter. Nööö, ich habe doch extra meine Trekkingsandalen dabei, ich will durchs Wasser! Es ist nicht nur, dass das leichter erschien, sondern auch weil mich Wasser einfach anlockt und ich gerne darin herumwate.
Also habe ich schnell die Schuhe gewechselt. Hiker wollte sich einen Weg über die Steine suchen, was nicht so ganz einfach war. Ich versuchte das zwar auch, aber irgendwann war es mir egal und meine Füße tauchten ins doch recht frische Wasser ein. Herrlich! Trotzdem musste ich aufpassen, dass ich nicht ausrutschte und nahm die Stöcke zur Hilfe. Das macht ja soooo einen Spaß – ich war total happy über diese Wanderung und diesen Tag!
Jetzt kamen wir dem Wasserfall ganz nah.
Hiker kraxelte ein Stück nach oben und bekam so einen unverstellten Blick auf die Fälle, während ich unten blieb. Mein Blick ging immer voller Sorge abwechselnd zu Hiker (hoffentlich stürzt der nicht ab!) und zu den dunklen Wolken am Himmel.
So langsam merkte ich, dass ich müder wurde. Ich sollte bald aufbrechen, sonst mache ich noch irgendwann schlapp.
Hiker riss sich dann wirklich irgendwann los und wir machten uns auf den Rückweg. Hiker stolperte beinahe beim Überqueren des Flusses, aber es ging noch mal gut. Ich trocknete meine Füße gründlich mit dem mitgebrachten Handtuch und zog wieder meine Wanderstiefel an.
Etwas wehmütig ging es nun zurück.
Es gab nun wieder so einige kleine Herausforderungen am Weg und ich merkte deutlich, wie meine Beine immer schwerer wurden, aber ich hielt tapfer durch. Der Tag war einfach so genial gewesen und auch das Wetter hält sich, da konnte ich noch einige Energiereserven mobilisieren. Zumal ich einige markante Stellen wiedererkannte und einschätzen konnte, dass es nicht mehr so weit bis zum Parkplatz ist.
Immer wieder schauten wir auf unsere Handys, aber wir hatten keinen Empfang. Naja, am Parkplatz würde das wieder gehen. Dachten wir. Denn endlich dort angekommen, stellten wir fest, dass die Whatsapp an Heiko immer noch nicht hinausgegangen war und wir auch immer noch keinen Empfang hatten. Es blieb uns also nichts anderes übrig als uns zu Fuß Richtung Campingplatz zu machen. Dort hat man bestimmt Empfang oder es würde sich ein Telefon finden. Allerdings sind das noch ein paar Kilometer, etwa 5 Meilen. Puh, das ist hart. Es nützt ja nichts, wir machen uns auf den Weg. Schlimmstenfalls könnten wir ja versuchen eine Mitfahrgelegenheit zu erhaschen.
Nach einer Weile musste ich noch mal zur Stärkung einen Müsliriegel futtern. Aber bloß nicht hinsetzten oder zu lange stehen bleiben, sonst komme ich gar nicht mehr weiter. Im Stillen hoffte ich, dass Heiko uns schon entgegen kommt, denn im Prinzip wusste er, wie lange wir für die Wanderung veranschlagt hatten und wann wir wieder zurück sein wollten. Durch dieses Missgeschick mit dem Tanken hatten wir einfach vergessen zu prüfen, ob wir am Trailhead Empfang haben.
Bei jedem nun entgegenkommenden Auto hoffte ich also, dass es unser Dusty ist. Durch den Dachkoffer ist er ja auch leicht von weitem zu erkennen. Aber die Strecke hier ist sehr kurvig und weit kann man sowieso nicht schauen. Es kamen so einige Autos und wir mussten oft Platz machen, denn die Straße ist hier sehr schmal und wenn sich dann auch noch zwei Fahrzeuge begegnen. ist es erst recht zu eng. Zumindest war ich im Moment froh über den Verkehr, denn das bedeutete auch, dass wir mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Mitfahrgelegenheit bekommen würden. Und die bot sich tatsächlich bald, denn Heiko am um die Ecke. Jipiiiiiieh! Ich glaube, auch Hiker war (vermutlich um meinetwillen) froh, dass Heiko mitbekommen hatte, wann in etwa wir zurückkommen würden. Denn direkt besprochen haben wir das mit ihm nicht. Heiko, du bist klasse!
Auf dem Weg zurück nach Hause erzählte uns Heiko von seiner spannenden Fahrt zur Tankstelle, von der er nicht wusste, wo sie sein würde und ob der Sprit ausreichen würde. Er hätte jede Gelegenheit genutzt das Auto rollen zu lassen und hat dann am Ende festgestellt, dass er vermutlich die teuerste Tankstelle der Gegend erwischt hat. Das war ihm natürlich egal, denn eigentlich war sie unbezahlbar. Heiko hat über 49 Liter getankt . Unser Tank fasst nach offiziellen Angaben 50 Liter.
Der Rest des Tages bzw. Abends verlief dann wie gewohnt mit Chillen und Planen des nächsten Tages. Die Wettervorhersage sagt für den Rest der Woche schottisches Wetter an….